IT-Personalstrategie

Planen Sie Ihr IT-Personal mit Weitblick

12.03.2015 von Frédéric Cuny und Steffen Schreck
Ein Bebauungsplan ist in der IT schon lange Standard. Jetzt können Unternehmen durch den Faktor Mensch auch die IT-Transformation gestalten.
Plant ein Unternehmen Veränderungen in der IT-Landschaft, sind das vorhandene Kompetenzpotenzial und die Mitarbeiter in der Planung von großer Bedeutung.
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Die Dynamik der Technologien spielt heutzutage eine immer wichtigere Rolle und erfordert die Fähigkeit, schnelle Richtungswechsel zu vollziehen. Die Agilität des IT-Bereichs ist nur möglich, wenn die Mitarbeiter dafür technisch und organisatorisch befähigt sind. Dazu bedarf es einerseits der Transparenz der vorhandenen und der zu entwickelnden Kompetenzen und andererseits einer kohärenten Vision, die den Mitarbeitern den Bedarf und den Nutzen der Weiterentwicklung greifbar macht. Doch obwohl ein Systembebauungsplan in der IT bereits weit verbreitet ist, ist die strategische Planbarkeit der IT-Belegschaft weit weniger ausgeprägt. Die beiden Autoren haben sich mit diesem Widerspruch auseinandergesetzt und skizzieren den Weg zum "strategischen Personalbebauungsplan" in der IT. Ziel ihres 5-Stufen-Ansatzes ist es, in Zeiten von Digitalisierung, Kostendruck und Personalengpässen einen entscheidenden Hebel zur Agilität des Geschäfts und zur Transformation der IT-Belegschaft darzustellen.

Der strategische Personalbebauungsplan der IT
Foto: Kienbaum Management Consultants

1. Kompetenzmodell der IT definieren

Im ersten Arbeitsschritt werden die strategischen Leitplanken und die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der IT-Belegschaft definiert. Die folgenden Maßnahmen werden durchgeführt:

Am besten sollte dieser Schritt durch ein multidisziplinäres Team mit den entsprechenden IT-Leitern, dem CIO, den HR-Business-Partnern der IT und gegebenenfalls dem Betriebsrat in einer Workshop-Serie durchgeführt werden. Der Planungszeitraum sollte sich an der IT-Strategie orientieren und umfasst in der Regel zwei bis drei Jahren. Um Verzerrungen des Modells vorzubeugen, ist es besonders wichtig, das Kompetenzprofil einer Stelle von den jeweiligen Stelleninhabern zu trennen: Mit externer Unterstützung oder dem Einsatz von Standards wie dem des European e-Competence Framework (e-CF) können best-practice-orientierte Kompetenzmodelle inklusive der Stellenanforderungen neutral ausgearbeitet werden.

Kompetenzmodell angelehnt an den e-CF
Foto: Kienbaum Management Consultants

2. Bestandsaufnahme der internen Workforce durchführen

Parallel zu der strategischen Diskussion wird die Personalabsprungbasis in der IT beleuchtet. Dies bedeutet, dass ein detailliertes Profil der Personalbelegschaft erstellt wird.

In diesem Schritt sind die Präzision der Information und die Granularität der Kompetenzabbildung für die spätere Festlegung geeigneter Entscheidungen von Bedeutung. Dafür ist eine mehrschichtig strukturierte Datenstruktur zu empfehlen. Ein vollumfassender Ansatz, in dem alle individuellen Daten, inklusive Leistungsbewertungen, Vergütungselemente, demografische Eingaben und kompetenzbezogene Zuordnungen zentralisiert sind, stößt verständlicherweise bei der Mitarbeitervertretung auf wenig Akzeptanz und erhöht den Pflegeaufwand.

Die Datenaufbereitung und -speicherung sollte sich von den Zielen ableiten. Die Weiterentwicklung des einzelnen Mitarbeiters und die Einsatzstrategie erfordern eine detaillierte Aufnahme der Kompetenzen und deren Ausprägung. Strategische Empfehlungen für die gesamte Belegschaftsstruktur leiten sich hingegen aus konsolidierten demografischen Daten, standortbezogener Information und aggregierten Leistungsbeurteilungen ab.

3. Ergebnisse analysieren und das Zielbild ableiten

In diesem Schritt werden die gewonnenen Informationen zusammengetragen, die kritischen Erkenntnisse dargestellt und Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Es entsteht ein multidimensionales Bild der jetzigen und der künftigen Personalstruktur. Die Analyse der Zusammenhänge, wie Altersstrukturen, technische Fertigkeiten und Standorte führen zu einem frühzeitigen Erkennen von Risiken, die ohne ein solches Vorgehen häufig unerkannt bleiben.

Um das Zielmodell des IT-Bereichs abzuleiten, erfolgt eine Dimensionierung der benötigten Kompetenzen anhand qualitativer Bewertungen der IT-Kernkompetenzen. Die Bewertung von Kernkompetenzen ist besonders kritisch: Die Angst vor potenzieller Auslagerung von Bereichen und Gruppen, die nicht zu den identifizierten Kernkompetenzen gehören, kann zu manipulativen Verzerrungen führen. Dabei werden nicht die Organisationsgruppen und Mitarbeiter zur Gewinnung organisatorischer Ableitungen bewertet, sondern die Kompetenzen und die daraus entstandenen Profile. Um dies zu ermöglichen, werden systematische "Functional Gradings" benutzt, mit denen durch strukturierte Verfahren Merkmale, wie Geschäftsbeitrag und strategische Wertigkeit der einzelnen Kompetenzen und Funktionen, ermittelt werden. Plausibilisiert wird der Entwicklungsbedarf anschließend anhand externer Benchmarks.

Aufgrund der aufgezeigten Kritikalität des Vorgehens erfordert die Dimensionierung der künftigen Kompetenzbedürfnisse und das Aufzeigen der Konsequenzen für die IT-Organisation externe Unterstützung.

Im Rahmen der Geschäftsziele, der IT-Strategie und der vorab identifizierten internen und externen Einflussfaktoren ist es anschließend möglich, im IT-Management-Team Haupthandlungsfelder zur Entwicklung des Personals zu definieren.

Die digitale Transformation - Hürden und Chancen
Frühe Starter und skeptische Nachzügler
Die Forscher haben vier Gruppen klassifiziert. Die "Digirati" sind die Unternehmen, die am weitesten fortgeschritten sind. Hier treibt der CEO die Entwicklung voran. Die Digitalisierung in den Organisationen der "Beginners" beschränkt sich zumeist auf E-Mail-Nutzung und Web-Auftritt.
Was Unternehmen aufhält
Auf die Frage nach dem Grund der Zurückhaltung sagten die Meisten, es gebe keine zwingende Notwendigkeit. Auch die fehlenden Gelder und die Grenzen der vorhandenen IT werden oft genannt. Vor allem den ersten Grund erachten die Forscher als fahrlässig. Die Digitalisierung sei für nahezu jedes Unternehmen erfolgskritisch.
Das Tagesgeschäft bremst
Die Forscher haben noch etwas tiefer gebohrt und dabei herausgefunden, dass die Mitarbeiter neue Aufgaben scheuen, weil sie mit ihrem Tagesgeschäft ausgelastet sind oder sich mit dem Geforderten nicht auskennen.
Die Digitalisierung kommt zügig
Auch die befragten Manager rechnen damit, dass die Veränderungen sich schon bald bemerkbar machen. Insofern ist die Einschätzung einiger Unternehmenslenker, das Thema habe keine Dringlichkeit, zumindest erstaunlich.
Schleppende Transformation
Die Umsetzung in den Unternehmen ist nach Einschätzung aller Befragten überwiegend langsam. Allerdings finden sich unter den CEO mehre Studienteilnehmer, die die Geschwindigkeit als angemessen, wenn nicht sogar als hoch einstufen. Die Belegschaft sieht das tendenziell etwas anders.
Chancen des Wandels
Den größten Nutzen stiften digitale Technologien im Kundenkontakt. Hier lassen sich neue Erlebniswelten, Produkte und Services erschaffen. Aber auch im Betrieb und Geschäftsmodell können sich Verbesserungen einstellen.
Mehr Umsatz, mehr Profit
Die Forscher wollen herausgefunden haben, dass die fortschrittlichen Unternehmen auch mehr Gewinn und Profit sowie einen höheren Marktwert erzielen.

4. Entwurf des strategischen Bebauungsplans

Aus Analyse und Zielmodell werden Personalbebauungsplan und eine Roadmap ausgearbeitet, um die kritischen Diskrepanzen zwischen Bedarf und Bestand an Kompetenzen progressiv zu eliminieren. Wichtige Handlungsfelder werden ausgearbeitet. Dies sind unter anderem:

Darüber hinaus wirft der ausgearbeitete Personalbebauungsplan ein neues Licht auf strategische IT-Aktivitäten wie Sourcing-Entscheidungen, Investitionen, Technologie-Auswahl oder IT-Governance und liefert wichtige Argumente für oder gegen Entscheidungen.

Die identifizierten Handlungsfelder müssen nach Dringlichkeit, Auswirkung auf die IT-Leistung, verbundene Risiken und Wechselwirkungen mit IT-Management, HR-Bereich und der juristischen Abteilung bewertet werden.

5. Methode implementieren und IT-Affinität im Unternehmen erhöhen

Die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden, und der Beitrag der Flexibilisierung der IT-Fähigkeit rechtfertigt den systematischen Aufbau und die kontinuierliche Pflege des IT-Personalbebauungsplans als Teil des Regelportfolios des Bereiches IT-Strategie oder CIO-Office. Nach dem initialen Aufwand soll dieser Prozess in die IT-Regularien eingeführt werden: Im halbjährigen Rhythmus sollen Ziele überwacht und Maßnahmen angepasst oder ergänzt werden. Die Einführung von entsprechenden Leistungsindikatoren und Werkzeugen zur schnellen Datenverarbeitung und Analyse ergänzen Entscheidungsgrundlagen durch personalrelevante Einschränkungen und Informationen.

Der IT-Bereich ist an erster Stelle gefordert, um der Gesamtbelegschaft eine Affinität für IT-Themen zu vermitteln. Im weiteren Sinne bildet dieser Prozess den ersten Grundstein, um die IT-Fähigkeit des kompletten Unternehmens zu verbessern und die Digitalisierung zu beschleunigen. Denn mit IT werden nicht nur Geschäftsabläufe sicherer, Prozesse effizienter und Information allgegenwärtig, sondern darüber hinaus erzeugt die IT komplett neue Geschäftsmodelle und Absatzkanäle, bündelt Lieferanten und senkt drastisch alle Transaktionskosten. Dazu muss es aber dem IT-Bereich in seiner Transformation von einem kommoditisierten Dienstleistungsbereich zu einem Innovationspartner des Geschäfts gelingen, seine strategischen Kernkompetenzen zu erkennen und auszubauen. (bw)