Pflichtprogramm Portfolio-Management

12.07.2006 von Ann-Kristin Koch
Portfolio-Management entwickelt sich zum Pflichtprogramm für Unternehmen. Doch es gibt kaum qualifizierte Ausbildungsmöglichkeiten für Experten, die einen Weg durch den Projekt- und Produktdschungel bahnen sollen.
Henning Dammer, TU Berlin: 'Portfolio-Management rechnet sich für das Unternehmen.'

Die Technische Universität Berlin befragte 238 Unternehmen unterschiedlichster Branchen nach dem Status quo ihres Projekt-Portfolio-Managements. Im Ergebnis kristallisierte sich heraus: Richtig betriebenes Portfolio-Management rechnet sich für das Unternehmen. Henning Dammer vom Berliner Lehrstuhl für Innovations- und TechnologieManagement fasst den Nutzen so zusammen: "Mit Portfolio-Management wird gewährleistet, dass die Unternehmensstrategie stimmt." "Die Nachfrage nimmt rasant zu", beobachtet auch Martin Schmidt, der vor drei Jahren das Beratungsunternehmen Eportis AG speziell für Portfolio-Management gegründet hat.

Hier lesen Sie ...

  • was Portfolio-Management beinhaltet;

  • welche Anforderungen an den Portfolio-Manager gestellt werden;

  • wie man Portfolio-Manager wird;

  • wie sich der Alltag des Portfolio-Managers gestaltet;

  • welche Zukunft das Berufsbild hat.

Unternehmen greifen auf diese Dienstleistung zurück, um ihre Ressourcen auf wichtige Projekte zu konzentrieren. Laut Schmidt ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, weil vielen Betrieben die strategische und Tool-gestützte Priorisierung von Produkten und Projekten fremd sei.

Was aber genau ist Portfolio-Management, und welche Fertigkeiten und Fähigkeiten muss ein Portfolio-Manager besitzen? Eine griffige Definition dieses relativ neuen Themas fällt schwer (siehe Kasten "Portfolio-Management"). Der Begriff ist mit verschiedenen Fachthemen verknüpft: Beim Finanzportfolio spricht man von einem möglichst ausgewogenen Investitionspaket, das Produktportfolio ordnet und positioniert die gesamte Produktpalette, und das IT-Portfolio umfasst alle IT-Produkte und Dienstleistungen.

Ein Portfolio-Manager muss Entwicklungen beobachten, Veränderungen analysieren und Entscheidungen vorbereiten. Er braucht den Über- ebenso wie den Tiefblick. Häufig wird Portfolio-Management in strategische und operative Aufgaben unterteilt. Strategisches PortfolioManagement beschäftigt sich mit langfristigen Plänen, um das Portfolio an den Unternehmenszielen auszurichten, während man im operativen Portfolio-Management auf Veränderungen wie gesetzliche Anforderungen oder neue Marketing-Ideen flexibel zu reagieren hat. Beide Disziplinen sind zwei Seiten einer Medaille, um den Unternehmenserfolg zu sichern.

Portfolio-Management

Der Begriff kommt aus dem Lateinischen: von "folium" - „Blatt" und "portare"- „tragen". Portfolio versammelt Gleichartiges:

  • Das Finanzportfolio umfasst aufeinander abgestimmte Investitionen;

  • das Produktportfolio ist das geordnete gesamte Produktangebot;

  • das Projektportfolio ist die Menge aller Projekte in einem Unternehmen;

  • das IT-Portfolio umfasst alle IT-Produkte und Dienstleistungen.

Portfolio-Management ist die Planung, Steuerung, Anpassung und Verwaltung des Portfolios. Es dient der Umsetzung strategischer Entscheidungen und basiert auf Priorisierung, Entscheidung und Controlling.

Gute Verdienstmöglichkeiten

Cetin Nazikkol, Thyssen-Krupp-Steel: 'Eine Ausbildung zum Portfolio-Manager gibt es nicht.'

"Eine gezielte Ausbildung zum Portfolio-Manager gibt es nicht", weiß Cetin Nazikkol. Er ist neben seiner Haupttätigkeit als Leiter des Bereichs Business Strategy bei Thyssen-Krupp-Steel Dozent an der Fachhochschule für Ökonomie und Management in Essen. Dort bietet er im Rahmen seiner Lehrtätigkeit im Fach Strategisches Marketing auch Seminare über Portfolio-Management an. Andere Hochschulen haben das Fach in das Lehrprogramm aufgenommen. Vermittelt werden Grundlagen über Ressourcenplanung, Multiprojekt-Management und Entscheidungsstrategien.

Mangels ausreichenden Angebots an öffentlichen Kursen versuchen Unternehmen mit internen Schulungen ihre Mitarbeiter auszubilden - zum einen in Strategie und Portfolio-Management, zum anderen im Umgang mit technischen Tools. Aber auch externe Seminare werden genutzt. Neben der Theorie erfolgt eine praxisnahe Ausbildung über Projektbegleitung bis hin zu Teilprojektverantwortung. In der Regel sind nach einem halben beziehungsweise einem Jahr Portfolio-Manager in der Lage, selbständig zu beraten. Nach etwa drei Jahren und mit entsprechender Projekterfahrung ist der Senior Level erreicht. Dann kann ein Portfolio-Manager etwa 70 000 bis 90 000 Euro im Jahr beziehen; Richtschnur sind die Projekt-Manager-Gehälter.

Erfahrung mit Großprojekten

Die beste Vorbereitung für einen Portfolio-Manager ist eine breite Kenntnis des Unternehmens und Erfahrung in der Steuerung von Großprojekten. Der promovierte Chemiker mit MBA-Abschluss hatte Interesse an übergreifenden Themen, zudem einen Blick für Zusammenhänge und wuchs in die Rolle des Portfolio-Managers hinein. Als Leiter des Bereichs Business Strategy unterstützt er die einzelnen Geschäftsbereiche in der kontinuierlichen Weiterentwicklung ihrer Aufgaben.

Das Team untersucht gemeinsam mit den Unternehmenseinheiten Produkte, Kunden, Branchen und Regionen. Es stellt zudem Bewertungsfaktoren etwa hinsichtlich der Marktattraktivität und der relativen Wettbewerbsposition auf. Für die Analysten werden umfangreiche Daten zu den Entwicklungen in den Märkten und bei den Wettbewerbern erhoben. "Die tägliche Lektüre branchenspezifischer Nachrichtenmagazine sowie der allgemeinen Wirtschaftspresse ist für die Marktbeobachtung das absolute Minimum", so Nazikkol.

Unterstützung durch den Chef

Thomas Klemmt, VR Kreditwerk: 'Portfolio-Management gibt es nicht aus dem Schulbuch.'

Um Zusammenhänge und Abhängigkeiten verstehen zu können, müssen sich Fachbereiche, IT-Abteilung, Kunden und Management-Ebene intensiv austauschen, wobei die Unterstützung durch die Chefetage besonders wichtig ist, wie das Beispiel der VR Kreditwerk Hamburg - Schwäbisch Hall AG zeigt. Hier arbeitet Thomas Klemmt als Portfolio-Manager in der IT-Steuerung und bestätigt: "Wir sitzen als IT-Steuerungseinheit direkt unter dem Vorstand. Nur so können wir kritische Daten mitteilen und werden in den Abteilungen akzeptiert."

Klemmt ist mit seinem drei Mann starken Team für die gesamte Steuerung des IT-Portfolios zuständig. Dazu gehören die strategische mittelfristige IT-Planung, die IT-Jahresplanung und das operative Tagesgeschäft. Bei der strategischen Planung geht es darum, das IT-Portfolio an den Unternehmenszielen auszurichten und die laufenden Projekte transparent zu machen. Im operativen Tagesgeschäft müssen die Portfolio-Manager anhand von Kennzahlen Risiken erkennen und auf aktuelle Veränderungen flexibel reagieren, zum Beispiel durch die richtige Zuteilung der Ressourcen und Mitarbeiter.

Zwischen allen Stühlen

Generell erwarten Arbeitgeber gute Fachkenntnisse aus dem aktuellen Einsatzbereich, betriebswirtschaftliches Know-how, sehr gute analytische Fähigkeiten, konzeptionelles sowie strukturiertes Denken und technisches Wissen. Der Grad des technischen Verständnisses variiert häufig je nach Spezifikation. Meist arbeiten Business Consultants und Technical Consultants Hand im Portfolio-Management Hand in Hand.

Martin Schmidt, Eportis: 'Menschliche Qualitäten sind besonders gefragt.'

"Dem Business Consultant obliegt überwiegend die Projektverantwortung, er muss grob einschätzen können, ob die Gegebenheiten eine Lösung zulassen, und braucht zumindest theoretisches Verständnis der technischen Umsetzung", so Eportis-Gründer Schmidt. Der Technical Consultant hingegen benötigt neben einem allgemeinen betriebswirtschaftlichen Verständnis fundierte IT-Kenntnisse. Er bindet Datenbank- und Schnittstellen an, erledigt Batch-Jobs und schreibt kleine Programme, wenn in der Kunden-IT Funktionen fehlen. Nicht selten ist der Business Consultant deshalb ein ausgebildeter Betriebswirt und der Technical Consultant ein Wirtschaftsinformatiker.

Die richtigen Fragen stellen

Der Portfolio-Manager im Allgemeinen und der IT-Portfolio-Manager im Besonderen ist ein Allrounder und braucht neben Fachkenntnissen Soft Skills. "Portfolio-Management ist immer ein Balanceakt zwischen widerstreitenden Motivationen und Perspektiven. Da sind menschliche Qualitäten gefragt", schildert Schmidt.

Ein Portfolio-Manager muss mit Spezialisten reden, sich in fremde, komplexe Themen eindenken können und vor allen Dingen gut zuhören und die richtigen Fragen stellen. "Kommunikation ist das A und O für einen erfolgreichen Portfolio-Manager", bestätigt auch Thomas Klemmt. Gerade weil der PortfolioManager an der Schnittstelle zwischen Management und operativem Bereich agiert, bedarf es diplomatischen Geschicks und hoher sozialer Kompetenz, um auch unternehmensinterne Konflikte zu schlichten. "Portfolio-Management lässt sich nicht mit dem Schulbuch erlernen. Die menschliche Komponente muss stimmen, nicht zuletzt, weil oft auch Personalverantwortung dazukommt", erläutert Nazikkol aus der Sicht des Teamleiters.

Wird ein Portfolio-Manager diesen menschlichen und fachlichen Anforderungen gerecht, dann trägt er entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens bei. Das haben viele Firmen mittlerweile verstanden und versuchen den Anforderungen des Portfolio-Managements auch mit der Unterstützung von Werkzeugen gerecht zu werden. Die gängigen Office-Produkte reichen jedoch nicht aus. Das Verschicken und Zusammenflicken von Excelsheets ist zeitaufwändig und die Datenqualität leidet erheblich. Für Portfolio-Manager sind Web- und datenbankbasierende Analyse-Tools ein absolutes Muss.