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Pflichtablieferungsverordnung - was geht das Unternehmen an?

23.01.2009 von Dr. Norbert Reuber und Dr. Thomas Spiegels
Bestimmte Internet-Veröffentlichungen sollen neuerdings zur Archivierung an die Deutsche Nationalbibliothek abgeliefert werden. Das hat Konsequenzen für Ihr Unternehmen!

Will die Deutsche Nationalbibliothek das Internet kopieren? So fragt sich mancher, der zum ersten Mal von der Pflichtablieferungsverordnung hört. Danach müssen Web-Inhalte von öffentlichem Interesse zur Archivierung an die Deutsche Nationalbibliothek übermittelt werden. Auch wenn sich die Blogosphere über die Verordnung belustigt, so dämmert den Unternehmen allmählich, dass ihnen eine gravierende bürokratische Zusatzbelastung drohen könnte.

Der Auftrag der Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek hat den gesetzlichen Auftrag, das kulturelle Erbe Deutschlands zu sammeln, zu dokumentieren und für die Allgemeinheit zu bewahren. Deshalb ist jeder Verleger in der Bundesrepublik seit langem verpflichtet, von seinen Veröffentlichungen zwei Pflichtexemplare kostenlos an die Deutsche Nationalbibliothek abzuliefern.

Neuerdings gehören zum kulturellen Erbe auch bestimmte Inhalte des Internet. Am 17. Oktober 2008 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die "Pflichtablieferungsverordnung" erlassen. Diese schreibt vor, dass künftig auch Internet-Veröffentlichungen ("unkörperliche Medienwerke") an die Nationalbibliothek abgeliefert werden müssen.

Wo Unternehmen betroffen sind

Die neue Verordnung enthält eine Reihe von Unschärfen. Angesichts der Weite des Internets könnte sie sich damit zu einer ernsthaften bürokratischen Belastung für die Unternehmen entwickeln. Da die Verordnung noch sehr frisch ist, lässt sich bislang wenig über ihre konkrete Anwendung sagen. Immerhin steht Folgendes fest:

Im Einzelfall kann die Abgrenzung allerdings schwierig sein. So sollen Internet-Publikationen, die Entsprechungen im Print-Bereich haben oder aber in dieser Form nur im Internet vorkommen ("Web-spezifische" Medienwerke) sehr wohl der Ablieferungspflicht unterliegen. Als Beispiel dafür nennt die Deutsche Nationalbibliothek elektronische Zeitschriften, E-Books, Hochschul-Prüfungsarbeiten oder Digitalisate (ältere Veröffentlichungen, die nachträglich ins Netz gestellt werden). Diesen Inhalten ist gemein, dass ihre Veröffentlichung einem übergeordneten öffentlichen Interesse dient.

Nun ist es aber durchaus denkbar, dass ein solches Interesse auch an den Nachrichtenportalen auf Unternehmensseiten, an online zugänglichen Newslettern oder an Firmenchroniken besteht. Die Frage, wo genau die Grenze zwischen gewerblicher Unternehmensdarstellung und ablieferungspflichtigem Medienwerk verläuft, ist anhand des Verordnungstextes allein nicht zu beantworten. ´Eine große Zahl von Unternehmensdarstellungen im Internet dürfte sich hier in einer Grauzone befinden. Wie stets bei neuen Verordnungen wird sich auch hier eine Verwaltungspraxis für solche Grenzfälle herausbilden müssen. Den Unternehmen ist daher dringend anzuraten, die Entwicklung der Verwaltungspraxis beispielsweise auf der Website der Deutschen Nationalbibliothek zu beobachten.

Die Pflichten im Falle der Ablieferungspflicht

Auch unkörperliche Medienwerke müssen an die Deutsche Nationsbibliothek abgeliefert werden.
Foto: Pitopia/Leif Stiller 2008

Was ist nun aber zu tun, wenn ein Inhalt laut Verordnung ablieferungspflichtig ist? In diesem Fall muss die Netzpublikation "in marktüblicher Ausführung" und in einem "mit marktüblichen Hilfsmitteln benutzbaren Zustand" an die Nationalbibliothek übermittelt werden. Nach deren Definition ist das eine .pdf- oder .zip-Datei. Verbunden werden sollen diese Dateien mit "Metadaten", die über das Eingabeformular auf www.d-nb.de erhoben werden. Die bibliografischen und technischen Daten bilden die Grundlage für die Beschreibung und Langzeitarchivierung der Inhalte und dienen ferner zur Geschäftsgangssteuerung in der Bibliothek.

Die Konsequenzen von Versäumnissen

Welche Konsequenzen drohen Unternehmen, die ihrer Abgabepflicht nicht rechtzeitig nachkommen - also innerhalb einer Woche, nachdem der Inhalt erstmals verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde? Hier sieht das Gesetz mögliche Zwangsmaßnahmen vor, unter anderem Geldbußen von bis zu 10.000 Euro. Allerdings hat die Deutsche Nationalbibliothek bereits mitgeteilt, dass geeignete Vorgehensweisen für den Massenbetrieb (Sammlung, Erschließung und Archivierung von Netzpublikationen) stufenweise entwickelt werden. Bis sie zur Verfügung stehen, sollen noch keine Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit angestrengt werden. (qua)