Personalarbeit wird zum Softwarethema

23.11.2005 von Ralf-Peter Wolter
Talent-Management-Systeme unterstützen Unternehmen beim Rekrutieren und Weiterbilden ihrer Mitarbeiter. Dies kann zu einer Überlebensfrage werden.

Der Markt für Softwaresysteme, die Unter-nehmen beim Identifizieren, Binden und Ent-wickeln von Mitarbeitern unterstützen, ist zweigeteilt: Zum einen existieren Bewerber-Management-Systeme (BMS), die Arbeitgeber bei der Kandidatensuche einsetzen. Zum anderen gibt es Lösungen, die Unternehmen helfen sollen, die Beschäftigten weiterzuentwickeln.

Hier lesen Sie ...

- wie Unternehmen mit Talent-Management-Systemen Recruiting und Personalentwicklung professionalisieren;
- welche Softwarelösungen für welche Aufgaben geeignet sind;
- welche Kriterien an Systeme für Bewerber-Management und Personalentwicklung anzulegen sind.

Bewerber-Management-Systeme (BMS) helfen, Kandidaten auszuwählen und die Einstellung zu verkürzen. Es geht im Kern darum, aus der Vielzahl der Bewerber die Geeigneten zu finden. Gleichzeitig trägt der Einsatz solcher Systeme dem gesteigerten Kostenbewusstsein und Personal-Controlling Rechnung. Neuere Applikationen verfolgen das Ziel, die Bewer-bungsunterlagen möglichst perfekt zu organisieren und gleichzeitig die Voraussetzung zu schaffen, den Kontakt zu Kandidaten zu pflegen. Unter anderem können Unternehmen bei Stellenausschreibungen zunächst interessante Bewerber aus einem bereits existierenden firmeninternen Talent-Pool ansprechen. Dadurch und durch andere Maßnahmen lassen sich die Rekrutierungskosten reduzieren.

Die verfügbaren Softwarelösungen sollten mindestens folgende Leistungsmerkmale enthalten:

Newsletter reichen nicht aus

Ralf-Peter Wolter, HRM Consulting: "Mitarbeiterportale funktionieren nur, wenn sie benutzerfreundlich sind und einen Mehrwert bieten."

Einige Angebote warten mit Zusatzfunktionen auf: So lässt sich beispielsweise der gesamte Genehmigungsprozess für Stellenausschreibungen abbilden. Andere Tools helfen Unternehmen dabei, aus dem Pool heraus potenzielle Mitarbeiter zu adressieren und ihnen zielgruppengenau Einladungen zu Veranstaltungen oder Unternehmensnachrichten zukommen zu lassen. Damit wird versucht, die Bindung der Bewerber ans Unternehmen zu festigen. Ob die Ansprache allerdings in Form von Newsletter-Mailings gelingt, ist zu bezweifeln. Erfahrungen der Werbewirtschaft zeigen, dass nur 25 bis 40 Prozent der Mailings geöffnet werden. Zur Bindung gehört immer auch persönlicher Einsatz. Vor diesem Hintergrund helfen diese Systeme, den Nährboden zu bereiten, reichen aber als alleinige Maßnahmen nicht aus.

Durch die Einbindung von Partnern wie etwa Online-Jobbörsen oder Printmedien lassen sich die Rekrutierungszeiten und -kosten reduzieren. Beispielsweise bietet die Schweizer Unio AG ein entsprechendes System an: Die Stellenanzeigen lassen sich ohne Umwege direkt über mehrere Kanäle gleichzeitig publizieren. Der Anzeigentext wird in ein Formular eingegeben, das grafische Template ausgewählt und dann automatisch als PDF-Datei erzeugt. Unternehmen können sich dadurch die Arbeit mit Anzeigenagenturen ersparen.

Ein weiteres Plus von Bewerbungs-Management-Systemen sind ausgereifte Filterfunktionen. Durch die Einbindung von stellenspezifischen Fragen oder gar den Einsatz von Online-Assessment-Lösungen lässt sich die Bewerberflut wirksam eindämmen.

Ist der richtige Mitarbeiter gefunden und eingestellt, geht es nun darum, ihn zu fördern. Softwareanbieter, die für diesen Teilbereich Talent-Management-Lösungen anbieten, adressieren eher die Personalentwickler als den Recruiting-Bereich. Sie bieten zumeist folgende Module an, deren funktionale Grenzen allerdings oft fließend sind: Die Spanne reicht von Skill-Management, Laufbahn- und Nachfolgeplanung, Weiterbildungs-Management, Zielvereinbarungen (Perfomance-Management) bis zu Gehalts-Management (Compensation & Benefits).

Skill-Management-Module unterstützen den Personaler bei der internen Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Bewerkstelligt wird dies durch den Einsatz von Suchfiltern. Neben der Stellenbesetzung können damit auch interdisziplinäre Projektteams zusammengestellt wer-den.

Organisation per Knopfdruck

Die qualifikationsorientierte Laufbahn- und Nachfolgeplanung gehört zum Kern einer ganzheitlichen Personalentwicklung. Softwarelösungen wie "ET-Web" vom Marktführer Executrack oder auch "Umantis" des Schweizer Anbieters Brains To Ventures bieten vielfältige und optisch ansprechende Pla-nungsunterstützung an. Individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiter lassen sich mit den Profilen externer Bewerber vergleichen. Die Systeme schlagen bei der Suche nach Kandidaten sofort geeignete Mitarbeiter vor. Die Lösung von Executrack besticht durch Funktionalität: Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, werden sofort Nachfolger vorgeschlagen. Auf Knopfdruck lassen sich ganze Organisationseinheiten neu zusammenstellen und in einem Organigramm darstellen. Zusätzlich dokumentieren Softwaresysteme die Zielvereinbarungen zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern mit den Terminvorgaben und gleichen diese mit dem erreichten Status ab. Erinnerungsfunktionen helfen der Führungskraft, die Zielerreichung zu kontrollieren.

Akzeptanz der Mitarbeiter nötig

Mit Lösungen im Bereich Compensation & Benefits lassen sich die Gehaltskomponenten der Mitarbeiter administrieren. Mit der Übernahme von Daten aus dem Entgeltsystem sind Gehaltsplanungen oder die strukturierte Darstellung von positionsbezogenen Einkommensbandbreiten leicht umzusetzen. Im Idealfall besteht eine Verknüpfung zu den dargestellten Zielvereinbarungssystemen.

Voraussetzung für den Erfolg eines softwarebegleitenden Talent-Managements auf Personalentwicklungsebene ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Sie nutzen die Programme nur dann, wenn sie benutzerfreundlich sind und Mehrwerte bieten. Auch deshalb beinhalten Mitarbeiterportale Diskussionsforen, Wikis oder Mitarbeiter-Blogs. Navigation und Design sind vor dem Hintergrund der Nutzer-freundlichkeit besonders wichtig. In diesem Zusammenhang sind Web-Technologien durch die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten im Vorteil.

Executrack konnte in der neuen Produktversion die Anzahl der Mausklicks um 40 Prozent reduzieren. Möglich wurde dies durch die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut. Mit "Umantis" können die Profile von Bewerbern und Mitarbeitern nicht untereinander, sondern vertikal nebeneinander dargestellt werden. Diese Form ist den Nutzern aus vielen Testzeitschriften bekannt. Damit sorgt sie für eine gute visuelle Vergleichbarkeit.

Nachteile von SAP-Systemen

Die Zahl der Anbieter von Lösungen, die auch nur annähernd die gesamte Palette der Personalentwicklungsaufgaben abdeckten, ist im Vergleich zu den BMS recht gering. Executrack bietet wohl die umfassendste Lösung in diesem Bereich an. Das Unternehmen ver-zichtet allerdings bisher auf ein Modul zum Bewerber-Management. Als weitere Vertreter gelten Anbieter von Personalverwaltungslösungen, die ihre Software modular anbieten. Neben Elementen, die das Bewerber-Management mehr oder weniger gut abdecken, befinden sich in ihrem Portfolio auch Personalentwicklungsmodule. Während Online-Jobbörsen und Unternehmen wie Softgarden und Open-Hire ausschließlich Funktionen des Bewerber-Managements anbieten, glänzt SAP mit einer umfassenden Lösung für alle Teilprozesse des Talent-Managements.

Dem Vorteil einer optimalen Systemintegration stehen jedoch Nachteile in Design, Navigation und Preisgestaltung gegenüber. Eine weitere Möglichkeit zum Management von Talenten bieten Eigenentwicklungen. Viele Unternehmen nutzen Insellösungen, die jedoch immer nur Teilprozesse abdecken. International operierende Konzerne können nicht auf multi-linguale Lösungen verzichten. "Die Software muss global konsistent sein, dabei aber auf nationale Besonderheiten Rücksicht nehmen", sagt Erik Schmit, Director Sales bei Mr. Ted, dessen Produkt "Talentlink" unter anderem bei Siemens im internationalen Einsatz ist. Während beispielsweise in Deutschland Passfotos gefordert sind, ist in den Niederlanden die Anlage von Bewerbungsbildern unüblich.

Grenzen zwischen Recuiting und Personalentwicklung schwinden

Die Grenzen zwischen Personalbeschaffung und -entwicklung werden verschwinden, da Talent-Management-Prozesse zusammenwachsen. Beide Softwarefamilien dürften dieser Entwicklung folgen. Erste Unternehmen haben den Trend erkannt: Brains To Ventures hat seine Leistungspalette erweitert und deckt neben dem Management von Bewerbern jetzt unter anderem die Nachfolgeplanung ab. Auf der anderen Seite führt zum Beispiel die Öffnung des SAP-Systems für andere Programme zu einer nachlassenden Homogenität der IT-Infrastruktur. Das schafft zugleich Raum für neue Softwareallianzen. Mancher Anbieter wird das Rad nicht neu erfinden wollen und sich stattdessen leistungsfähige Partner suchen.

Für international tätige Unternehmen können die steigenden Anforderungen künftig nur durch die Schaffung eines "Global Human-Resource-Warehouse" gelöst werden. Es geht hierbei um die sichere Zusammenführung und Interaktion aller in der Organisation befindlichen HR-Systeme. Neue Strategien sowie der Zwang der Kostenreduktion stellen für die Anbieter von Talent-Management-Lösungen eine zusätzliche Chance dar: Software wird als Service angeboten - zusätzliche Dienstleistungen rund um das Produkt sind gefragt. Dies kann zum Beispiel in Form eines Outsourcings von Teilprozessen des Talent-Managements mit Hilfe von Personaldienstleistern geschehen.