Paulaner-Brauerei

Paulaner-Brauerei: Wie Bierproduktion und Vertrieb in den Software-Fluss kommen

23.07.2002 von Helga Ballauf
Tradition und Moderne: Die Paulaner-Brauerei gehört zu den ältesten Münchner Biererzeugern und arbeitet zugleich am fleißigsten an einer IT-Integration aller Geschäftsprozesse.

Man riecht es, bevor man es sieht: das Sudhaus der Paulaner Brauerei in München. "Das ist die Würze", erklärt Friedrich Seeger, Teamleiter in der IT-Anwendungsberatung, gelernter Brauer und Mälzer. Die fünf hohen Kupferkessel sind unterirdisch verbunden. Ein langer Weg, den das Gebräu aus Malz, Hopfen, Wasser und Hefe vor sich hat, bevor es - je nach Biersorte - drei bis sechs Monate gären muss.

Friedrich Seeger und Peter Höhlein schwören auf "Training-on-the-job"

Der Bierbrauprozess läuft nicht nur bei Paulaner hochautomatisiert ab. Auch Laborinformations- und Qualitätssicherungssysteme gehören inzwischen zum Standard. Die Kopplung von technischen und betriebswirtschaftlichen Systemen ist bei deutschen Brauereien dagegen selten realisiert. "Wir befinden uns in einer Umbruchphase zwischen funktionaler und prozessorientierter Organisation", erklärt Seeger.

 Andere Wirtschaftssparten sind auf diesem Weg schon viel weiter, bestätigt Peter Höhlein, IT-Leiter bei Paulaner. "Die deutschen Brauereien pflegen traditionell einen regen Austausch untereinander, was produktionstechnische Neuheiten angeht. Erst langsam schaut man über die Branchengrenzen hinaus."

 Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung des Herstellungsprozesses mit Hilfe der Informationstechnologie, sondern auch um die Integration betriebswirtschaftlicher Abläufe, Vertrieb und Beziehungen zu Lieferanten eingeschlossen. "Der Markt macht Druck", unterstreicht Höhlein. Die Ertragslage der zirka 1200 Brauereien in Deutschland ist nicht die Beste. Wer im Wettbewerb bestehen will, muss expandieren oder Kosten reduzieren, meint der IT-Chef: "Dafür müssen die Geschäftsabläufe verbessert und von passender Technologie unterstützt werden."

Die Münchner Traditionsbrauerei steht noch einer weiteren Herausforderung gegenüber: Als Teil der Bayerischen Brau Holding AG ist sie im März 2001 eine Kooperation mit dem niederländischen Heineken-Konzern eingegangen. Dieser gilt als drittgrößter Bierproduzent weltweit. "Ein global agierendes Unternehmen, das Ressourcen und Wissen bündeln will", berichtet Höhlein. Zentrale Strukturen und einheitliche Standards in einigen Bereichen seien die Folge dieser Ausrichtung, "Einflüsse, die auch auf uns wirken werden."

Vom Programmierer zum Hilfsarbeiter

In seiner Abteilung arbeiten derzeit 34 Beschäftigte, 25 von ihnen im IT-Kerngeschäft. Das umfasst das Rechenzentrum, die Netzpflege, die Anwendungsberatung, die Prozessorganisation sowie eine Stabsstelle, die sich um die zukunftsorientierte Anpassung von Unternehmens- und IT-Strategie bemüht. Zum Team gehören Betriebswirtschaftler und Ingenieure, Programmierer und Beschäftigte mit kaufmännischer Ausbildung. Wirtschaftsinformatiker Höhlein glaubt nicht, dass er angesichts der zunehmenden IT-Integration aller Geschäftsbereiche mit mehr Personal rechnen kann: "Die Qualifikationen der Mitarbeiter müssen wachsen."

Habe es in der Vergangenheit genügt, ein guter Programmierer zu sein, so werde künftig ein solcher Mitarbeiter, falls er auf Weiterbildung verzichtet, praktisch zu einer Art Hilfsarbeiter degradiert. "Jetzt muss jeder etwas vom Geschäfts- und Marktgeschehen verstehen und Projektarbeit in einer prozessorientierten Organisation beherrschen", betont Höhlein.

Anwendungsberater Seeger hat gerade neue Produktions-, Planungs- und Steuerungsmodule eingeführt, vom ersten Erproben über die Implementierung der gefundenen Lösung bis zur Schulung der Beschäftigten. Im Kernteam arbeitete er mit drei Kollegen aus Produktion und Abfüllung zusammen. Dazu kamen Fachleute aus Logistik und Betriebswirtschaft. "Es war eine sehr intensive Kooperation mit anderen Fachabteilungen", sagt er.

Dabei kam Seeger sein fundiertes Branchenwissen zugute, was ihm die nötige Akzeptanz schaffte. Nach einer Lehre zum Brauer und Mälzer studierte der 32-Jährige Brauereitechnologie an der TU Berlin. Er spezialisierte sich auf Logistik, Qualitäts-Management und IT-spezifische Herstellungsplanung. Ans Studium schlossen sich zwei Jahre in einer Unternehmensberatung an. Seeger lernte dort den Umgang mit Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen auf SAP-Basis. Seine Kunden kamen aus der Pharmaindustrie: "In der Prozessindustrie - egal ob Arzneimittel oder Bier hergestellt werden - ähneln sich gewisse Fertigungsverfahren, so dass sich einschlägiges Grundwissen übertragen lässt."

Außerdem brauche ein externer Berater weniger branchenspezifisches Detailwissen als der hauseigene", meint der IT- und Brauereispezialist rückblickend. Seeger schwört auf das Prinzip Training-on-the-job: "Ich eigne mir im Team im Rahmen eines Projekts Fertigkeiten und Kompetenzen an, habe am Ende ein Erfolgserlebnis und kann das erlernte Wissen anwenden."

Weiterbildung im Projekt-Management

IT-Chef Höhlein erwartet, dass sich seine Leute weiterqualifizieren: "Je mehr Know-how ich in der Abteilung zur Verfügung habe, um so unabhängiger mache ich mich von externem Wissen." Er muss dafür eine wichtige Voraussetzung schaffen: Die Zeit zum Lernen. Das ist unter dem Arbeits- und Kostendruck oft schwierig. Eine Lösung besteht im befristeten Auslagern klar umgrenzter Serviceaufgaben. "Auch das kostet Geld", sagt er, "ist aber eine Investition in die Zukunft."

Seit 1999 führt die Paulaner-Brauerei stufenweise SAP als Standardsoftware ein. Unternehmensspezifische Anpassungen und Ergänzungen lässt sich die Firma von diversen Anbietern entwickeln. IT-Chef Höhlein steht auf dem Standpunkt, dass sich "der Service des Programmierens günstiger einkaufen lässt als etwa das Projekt-Management. Dafür müssen wir die eigenen Leute qualifizieren." Die Abteilung ist daher immer an Hochschulabgängern mit ein- bis zweijähriger Berufserfahrung interessiert. Egal, ob jemand Betriebswirtschaft, Brauwesen oder Verfahrenstechnik studiert hat: Wichtig sind für Höhlein die IT-Affinität, Praxis in der Projekt- und Teamarbeit sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Er möchte Kontakte zu Hochschulen knüpfen, um früh an potenzielle Nachwuchskräfte heranzukommen. Ein erster Kooperationsversuch läuft gerade mit den Wirtschaftsinformatikern der Fachhochschule Deggendorf. Seeger glaubt, dass in seiner Abteilung das Studienfach weniger entscheidend ist als eine an der Hochschule erworbene Problemlösekompetenz. Über seinen Werdegang ist er dennoch froh: "Nach der Brauer-Lehre studierte ich zielstrebiger als andere, weil ich besser beurteilen konnte, welche Inhalte im Beruf wichtig sind. Jetzt hilft mir, dass ich die gleiche Sprache wie die Kollegen in der Produktion spreche und dass ich weiß, wie viel Umstellung ich ihnen zumuten darf."

Paulaner Brauerei GmbH & Co. KG

Teil der Bayerischen Brau Holding AG (in Besitz der Schörghuber Corporate Group) über die BrauHolding International AG mit Heineken N.V. verknüpft.
Hochstr. 75, 81541 München, Tel. 089/480050. www.paulaner.de
Mitarbeiter: etwa 1100 insgesamt, darunter 34 IT-Mitarbeiter.

Ansprechpartnerin für IT-Bewerber: susanne_reh@paulaner.de
Gesuchte Fachrichtungen: Ingenieur- oder Brauereiwesen, Betriebswirtschaft, Wirtschaftsinformatik.
Geforderte Qualifikationen: IT-Affinität, Kenntnisse über Geschäftsprozesse, Erfahrung in Team- und Projektarbeit, Bereitschaft, früh Verantwortung zu übernehmen.
Einstiegsgehälter: 40 000 bis 50 000 Euro.