Mammutaufgabe Smart Grid

Partnerschaften für neue Netze

29.11.2010 von Detlev Flach
Erneuerbare Energien sollen im Jahr 2050 rund 80 Prozent des Strombedarfs abdecken. Das geht nur mit intelligenten Energienetzen, den Smart Grids.
Foto: T-Systems

Die erneuerbaren Energien in Deutschland sind eine Erfolgsgeschichte. In den letzten zehn Jahren hat sich ihr Anteil mehr als verdreifacht: Er kletterte von knapp fünf Prozent im Jahr 1998 auf über 16 Prozent im Jahr 2009. Einen Beweis dafür liefert ein Blick aus dem Flugzeug. Bei Sonnenschein sieht man viele glitzernde Flächen: keine Flüsse oder Seen, sondern Solarmodule. Knapp 20 Millionen Quadratmeter sind in Deutschland schon auf Dächern von Gebäuden installiert.

Die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien verlangt bis 2020 einen Anteil von 20 Prozent Energie aus regenerativen Quellen, das deutsche Energiewirtschaftsgesetz sogar 30 Prozent im Strommix. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, liegt der Anteil 2050 sogar bei rund 80 Prozent. Die Regierung macht in ihrem Energiekonzept 2050 aber auch deutlich, dass ein intelligentes und hochkomplexes Stromnetz der Zukunft nur mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) zu managen ist. Nur so können Schwankungen in Produktion und Verbrauch abgefangen werden.

Smart Grids brauchen Investitionen, Infrastruktur und Know-how

Bis zum flächendeckenden Smart Grid wie hier im Bild ist es noch ein weiter Weg.
Foto: Telekom

Die Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes wird enorme Mittel verschlingen. Nach Schätzungen des Electric Power Research Institute kostet der Aufbau eines Smart Grid für die USA rund 165 Milliarden Dollar. Die Kosten der europäischen Technologieplattform werden bis 2030 auf 390 Milliarden Euro geschätzt. Die Aufgabe ist also gewaltig, benötigt wird viel Spezialwissen. Neben den reinen Finanzmitteln werden auch Fachkräfte, Know-how und vor allem Infrastruktur gebraucht. Das kann kein Unternehmen und keine Branche allein stemmen.

Experten warnen zudem vor der Komplexität des intelligenten Lasten-Managements. Smart Grids werden nur dann erfolgreich sein, wenn Datennetze verknüpft mit Stromnetzen arbeiten. Schließlich gilt es in Echtzeit zu erfassen, welche Haushalte wie viel Strom zu welchem Tarif einspeisen und verbrauchen. Allein mit der viertelstundengenauen Erfassung entsteht pro Jahr und Haushalt nicht mehr ein Datensatz, sondern es fallen 35.000 Datensätze an. Hinzu kommt die sekundengenaue Abrechnung, die nötig ist, wenn ein und derselbe Haushalt nach unterschiedlichen Tarifen bezahlt. Um mit solchen Datenvolumina zurechtzukommen, müssten Energieversorger und Messstellenbetreiber ihre Systeme auf neue Dimensionen einstellen. Für TK-Unternehmen gehört der Umgang mit diesen Massendaten dagegen zum Kerngeschäft: So verarbeitet die Telekom beispielsweise 100 Millionen Datensätze pro Tag für den Mobilfunkbetrieb.

Tragfähige Partnerschaften sind gefragt

Mit einem Smart Meter wird die Leistung des intelligenten Stromnetzes überwacht.
Foto: Telekom

Experten wie der IDC-Analyst Joachim Benner prognostizieren deshalb eine enge Zusammenarbeit von Unternehmen aus der Energiebranche mit Firmen aus der Informations- und Telekommunikationssparte. Er schränkt aber auch ein: "Allerdings muss sich ein ITK-Dienstleister in der Energiebranche auskennen oder das Thema mit entsprechenden Partnern angehen." Mit solchen Partnern arbeitet beispielsweise die Telekom in der T-City Friedrichshafen zusammen. Gemeinsam mit dem Energiedienstleister ABB, einem der führenden Lieferanten von Komponenten rund um Stromnetze, Elektro- und Leittechnik, und dem Regionalversorger Technische Werke Friedrichshafen testet der Carrier in der Stadt am Bodensee, wie das intelligente Stromnetz der Zukunft funktionieren könnte. Hierzu wurden in der T-City bereits 1600 Haushalte mit Smart Metern versorgt.

Auch in anderen Kommunen ist der Bonner Carrier aktiv. So stattete das Unternehmen für die Stadtwerke Emden 100 Haushalte eines Neubaugebiets mit der kompletten Infrastruktur für die intelligenten Gas- und Stromzähler aus. Die Telekom sorgt für die Datenverbindung, baut die Kommunikationsbox ein und überträgt die Daten via DSL an die Versorger. Diese stellen ihren Kunden die aktuellen Verbrauchsdaten in einem sicheren Internet-Portal zur Verfügung. Dabei zahlen die Stadtwerke für das Übermitteln der Daten einen monatlichen Festpreis. Die Telekom trägt die Investition der Kommunikationsinfrastruktur und kümmert sich um deren Betrieb. "Wir haben mehrere Anbieter verglichen und uns für die Telekom entschieden, weil wir von ihr den gesamten Service aus einer Hand erhalten", erklärt Remmer Edzards, Geschäftsführer der Stadtwerke Emden, die Entscheidung.

Smart Metering im All-inclusive-Paket

Auch andere Energieversorger bieten das Smart-Metering-Paket als Komplettservice zum monatlichen Festpreis an. Inbegriffen sind neben Einbau und Betrieb die Kommunikationsbox samt Software, der Anschluss an das Kommunikationsnetz, das Auslesen der Verbrauchsdaten, die Datenübertragung in ein hochsicheres Rechenzentrum sowie das Weiterleiten der Daten an den Energieversorger. Auch sämtliche Reparaturen, Software-Updates oder das Auswechseln der Box sind im Preis inklusive.

Die Emdener befragen derzeit ihre Kunden, um das allgemeine Interesse am Smart Metering besser abschätzen zu können. Erste Ergebnisse zeigen, dass viele Strom- und Gaskunden wissen wollen, wie sie mit Hilfe der Smart Meter ihren Verbrauch reduzieren können. Pilotprojekte haben bewiesen, dass Verbraucher dank der intelligenten Zähler sowie der transparenten Darstellung Stromfressern wie alten Tiefkühltruhen schnell auf die Schliche kommen und so bis zu 15 Prozent Strom sparen. Aber auch in puncto Datensicherheit reagieren die Verbraucher sehr sensibel. Deshalb müssen die Anbieter besonders sichere Lösungen entwickeln.

"Wir nutzen für den Datentransfer nicht die DSL-Anschlüsse der Kunden, sondern bauen eine eigene, unabhängige Infrastruktur auf und betreiben diese", beschreibt Gabriele Riedmann de Trinidad, Leiterin Konzerngeschäftsfeld Energie bei der Deutschen Telekom, die Strategie ihres Hauses. "Nur so können wir die Daten sicher übertragen sowie die Verfügbarkeit des Ausleseservice garantieren." Durch die Trennung der beiden Leitungen ist außerdem keine Vermischung von Telekommunikations- und Energiedaten möglich. Zudem müssen die Kunden nicht gleichzeitig eine Geschäftsbeziehung mit der Telekom eingehen. Alternativ zum Datenversand über eine Festnetzverbindung lassen sich die Werte auch sicher mobil übertragen. "Unsere Lösung entspricht sehr hohen Sicherheitsanforderungen, ist nach ISO 27001 zertifiziert und erfüllt den SAS-70-Standard", wirbt Riedmann de Trinidad um Vertrauen. Zudem unterlägen die 30 Rechenzentren in Deutschland, die für die Datenverarbeitung zuständig sind, den hiesigen Datenschutzgesetzen. Dank der Datenverarbeitung in Deutschland müssten die Verbraucher auch keinen Zugriff US-amerikanischer Geheimdienste befürchten, die sich auf den Patriot Act berufen.

Smart Meter bieten Mehrwert

Bis in Deutschland flächendeckend ein Smart Grid funktioniert, müssen in fast alle rund 40 Millionen Haushalte Smart Meter (zur PDF-Infobroschühre der DTAG) eingebaut werden. Denn ohne die Verbrauchsdaten der Endkunden fehlen entscheidende Informationen. Ferner muss ein Smart Meter auch zu unterschiedlichen Standards kompatibel sein.

Nach Ansicht der Telekom kann der hauseigene "Multi Utility Server" (MUS) dieses Problem lösen. Er wurde als Kommunikationsbox für Smart Meter entwickelt und soll sich mit 60 unterschiedlichen Zählern von 20 verschiedenen Herstellern unterhalten können. Da der MUS auf Basis des Internet Protocol kommuniziert, kann die Box auch Informationen aus dem Netz verarbeiten und Anweisungen an Haushaltsgeräte weitergeben. Auf diesem Weg könnten in Zukunft Energieversorger lastenabhängige Tarifinformationen an den MUS schicken. Dieser verarbeitet die aktuellen Tarife und steuert in Abstimmung mit den Haushalten Spülmaschine oder Kühltruhe so, dass sie anspringen, wenn der Strom am günstigsten ist. Vorstellbar ist sogar, dass über ein MUS der gesamte Haushalt organisiert wird. Die Bewohner könnten aus der Ferne, zum Beispiel aus dem Urlaub, die Jalousien herunterlassen, das Garagentor öffnen oder die Heizung ausschalten. Verbraucher könnten nicht nur Strom sparen, sondern zusätzlich von neuen Tarifen und Services profitieren. (hi)