Virtualisierung und Outsourcing

Parship renoviert die IT

07.12.2010 von Walter Sinowski
Zehn Millionen Mitglieder, Tendenz steigend: Wie die Online-Partneragentur Parship ihre IT auf Wachstum trimmte.

Mit weltweit zehn Millionen Mitgliedern und einem Jahresumsatz von 56 Millionen Euro in 2009 gehört die Hamburger Parship zu den führenden Online-Partneragenturen in Deutschland und Europa. Seit der Gründung 2001 expandiert das Unternehmen auch in weitere Länder. Das schnelle Wachstum bringt einige Herausforderungen für die IT mit sich: Wer kurze Release-Zyklen einhalten und zugleich den stetig wachsenden Zugriffszahlen auf sein Online-Portal Rechnung tragen will, der benötigt ein Maximum an Flexibilität.

Hamburger IT-Strategietage 2011

Am 10. und 11. Februar 2011 geht Deutschlands wichtigster IT-Management-Kongress in die neunte Runde: Freuen Sie sich auf Top-Referenten, spannende Vorträge und lebhafte Diskussionen auf den Hamburger IT-Strategietagen 2011.

In einem gemeinsamen Projekt mit dem IT-Dienstleister NTT Europe wollte Parship deshalb die Infrastruktur modernisieren. Die Ziele dabei: eine sichere Entwicklungs- und Testumgebung sowie neue Prozesse, die ein reibungsloses Deployment und einen effizienten Betrieb der Applikationen gewährleisten. Doch nicht nur die technische Infrastruktur sollte optimiert werden, auch die Kostenstruktur verlangte nach einer Erneuerung. Diese Ziele wurden durch drei zentrale Maßnahmen erzielt: Konsolidierung, Virtualisierung und Outsourcing des Application Managements.

10 Schritte zur Server-Virtualisierung
Ratgeber
Diese Schritte haben sich in der Praxis bewährt.
Schritt 1
Ziele und Strategien festlegen: Nicht immer stehen eine bessere Auslastung der IT und niedrigere Kosten ganz oben auf der Agenda. Vielen Unternehmen geht es schlicht darum, den IT-Wildwuchs einzudämmen.
Schritt 2
Quick-Wins mit einem schnellen Return on Investment (RoI) zuerst angehen. (Bild: Fotolia)
Schritt 3
Betriebsprozesse anpassen: Dieser Aspekt wird oft unterschätzt. Die Virtualisierung verändert etwa das Aufgabenfeld der Administratoren. (Bild: Messer Industriegase)
Schritt 4
Schulungen organisieren, Disziplin einfordern: Ohne ausreichendes Know-how und klare Regeln entsteht schnell ein Wildwuchs virtueller Maschinen.
Schritt 5
IST-Zustand analysieren: Eine genaue Bestandsaufnahme der vorhandenen IT-Komponenten sollte Grundlage jeder Server-Virtualisierung sein. (Bild: Fotolia)
Schritt 6
Workload Assesment und Sizing: Nicht nur die Server-Kapazität ist maßgeblich. IT-Manager müssen auch die Storage- und Netzwerk-Anforderungen im Auge behalten.
Schritt 7
Scale-up oder Scale-out? - Soll die Rechenlast auf einen großen oder viele kleine Server-Systeme verteilt werden ?
Schritt 9
Lizenzfragen klären: Das Management unterschiedlicher Lizenzmodelle kann in vitrualisierten Umgebungen sehr komplex werden.
Schritt 10
Altsysteme abschalten: Die Sparpotenziale der Virtualisierung lassen sich nur dann voll ausschöpfen, wenn alte IT-Systeme nach dem Projekt auch tatsächlich ausrangiert werden.

Kurze Release-Zyklen erfordern Modernisierung

Der Bedarf an Rechenkapazitäten für die Web-Applikationen, die den Parship-Portalen zugrunde liegen, ist seit der Gründung des Unternehmens stetig angestiegen. Die hohen Anforderungen an die Daten- und Applikationsbereitstellung wurden lange Zeit über eine dedizierte Server-Landschaft bewältigt. Doch die Strategie, dem steigenden Bedarf mit immer mehr Servern zu begegnen, stieß bald an ihre Grenzen. Mit einer zuletzt auf drei Provider verteilten Infrastruktur ist es mit der Zeit immer schwieriger geworden, neue Releases der Web-Anwendungen auszurollen und die nötige Zuverlässigkeit des Systems zu gewährleisten. Hinzu kam eine überholte Kostenstruktur, die sich zum einen aus dem personellen Aufwand für das Application Management ergab, zum anderen aber auch auf die Hardware-orientierten Hosting-Verträge zurückzuführen war. Diese Verträge boten letztlich nicht länger die für das Geschäftsmodell erforderliche Flexibilität.

Outsourcing des Application Managements

Vor diesem Hintergrund entschied das Management 2009, die Infrastruktur neu auszurichten und das Anwendungs-Management an einen Dienstleister zu übergeben. Während Parship nach wie vor für die Entwicklung und den Test der Anwendungen verantwortlich zeichnen wollte, sollten das Deployment und der laufende Betrieb der Applikationen in den Händen des neuen Partners liegen. Ein flexibleres Hosting würde die kurzen Entwicklungs- und Release-Zyklen neuer Anwendungen unterstützen und zugleich für ein bedarfsgerechtes Vertrags- und Kostenmodell sorgen.

Nach einem umfassenden Auswahlverfahren entschied sich Parship für NTT Europe. Die Zusammenarbeit sollte beratende Unterstützung, aber auch operative, technische und Kostenvorteile bringen. Neben der Neugestaltung der bestehenden Netzwerklandschaft wurde der Dienstleister mit der Aufgabe betraut, nach erfolgreicher Migration den Betrieb und das Management der PARSHIP.com-Applikationen zu übernehmen - so sollten interne Ressourcen geschont und die Verfügbarkeit der Anwendungen im 7x24h-Betrieb sichergestellt werden. Die Anwendungsentwicklung sollte jedoch wie gehabt vollständig in der Hand der Mitarbeiter bleiben. Umfassende SLAs wurden gemeinsam aus Sicht des Endnutzererlebnisses definiert. Diese SLAs wurden dann in Form eines transaktionsorientierten Performance-Monitors eingerichtet, der aus Kundensicht definierte Performanceparameter erfasst und überwacht.

IT-Migration und Modernisierung

PARSHIP CIO Dr. Walter Sinowski sah sich mit einem massiven Konsolidierungsbedarf konfrontiert.
Foto: Parship

Vor der Konkretisierung des Modernisierungskonzepts erfolgte zunächst eine dezidierte Bestandsaufnahme der aktuellen Infrastruktur. Schnell stand fest: Allein die verteilte Netzwerkarchitektur für den deutschsprachigen Raum (DACH) - bestehend aus insgesamt mehr als 60 dedizierten Servern - spiegelte den massiven Konsolidierungsbedarf wieder. Schon zu Beginn der Konzeptionsphase rückte Verfügbarkeit als geschäftskritischer Aspekt in den Vordergrund. Ein dynamischer, bedarfsgerechter Einsatz der Netzwerkressourcen sollte durch die Virtualisierung der multiplen Web- und Application-Server erzielt werden. Zudem ließ sich so zugleich eine vollständige Service-Redundanz erzielen. Die Datenbanksysteme sollten als automatische, ausfallsichere Cluster-Lösung konzipiert werden. Ein weiterer Punkt auf der umfassenden Liste der Service Level Agreements war die Gestaltung einer zuverlässigen Entwicklungs-, Test- und Quality Assurance (QA)-Umgebung für das interne Development-Team.

Virtuelle Maschinen für Entwicklung, Test und Betrieb

PARSHIP setzt auf einen mehrstufigen Entwicklungsprozess für neue Applikationen. NTT Europe stellt dafür eine sehr flexible und skalierbare Infrastruktur zur Verfügung.
Foto: Parship/NTT Europe

Die neue Infrastruktur gliedert sich in die Segmente "Development-Teamsysteme", "Pre-Production", "Live" sowie "Localization". Bis auf "Localization", die für einen multilingualen Support über alle anderen Segmente sorgt, sind alle Segmente mit virtuellen Servern (VMware-Maschinen) aufgebaut, die in ihren funktionalen Einheiten identisch, jedoch mit unterschiedlicher Ressourcenzuweisung ausgestattet sind. Die einzelnen VMware-Maschinen sind mit Linux, Apache und Tomcat aufgesetzt. Die Master-Images können jederzeit aktualisiert und bei Bedarf geklont und neu disponiert werden. Die darunterliegenden Datenbank-Server bauen auf einem physischen Red Hat-Cluster mit PostgresSQL auf. Während des Migrationsprozesses lief die neue ICT-Umgebung zwei Monate parallel zur bereits vorhandenen Infrastruktur, bis sie anschließend in den alleinigen Betrieb überging.

Betriebskosten um 40 Prozent gesenkt

Heute ermöglicht die neue technische Infrastruktur bei Parship neben mehr Flexibilität und einer höheren Skalierbarkeit auch die Auslagerung von administrativen Aufgaben. So wurde mehr Zeit für Mitarbeiter geschaffen, sich auf die Weiterentwicklung der Applikationen zu konzentrieren. Die Virtualisierung der ICT-Umgebung hat den Wechsel von einer Zwei-Stufen- auf eine Mehrschicht-Architektur ermöglicht, die unter anderem eine neue Ebene für die Business-Logik enthält. Durch diesen Layer ist nun auch die Umstellung auf eine weniger datenbankorientierte Softwarearchitektur möglich.

Der Deployment-Prozess einer neuen Software ist inzwischen zu einer vollständig nachvollziehbaren Standardprozedur geworden, die nicht zuletzt durch die Konsolidierung der Datenbanken ermöglicht wird. Ob kleinere oder auch größere Releases - eine abschließende Testphase und die Möglichkeit eines schnellen, unkomplizierten Rollbacks schließen Probleme im laufenden Betrieb nahezu aus. Bei größeren Projekten kann das IT-Team je nach Ausgang der Kapazitätsprüfung auch Modifizierungen am Architekturdesign vornehmen. Die Modernisierungsmaßnahmen haben trotz zusätzlicher Service-Leistungen wie dem Application-Support und erweiterter Testsysteme zu einer Reduktion der Betriebskosten um mehr als 40 Prozent geführt.