ERP

Oxea lagert SAP-Betrieb aus und konzentriert sich auf Prozess-Know-how

02.06.2008 von Eva Schulz
Das Chemieunternehmen Oxea hat eine komplette Unternehmens-IT für Standorte in aller Welt aufgebaut. Da die interne IT möglichst schlank bleiben sollte, wurde sie zum Teil an einen Dienstleister ausgelagert.

Anfang März 2007 ist Oxea als rechtlich selbständiges Unternehmen aus Unternehmensteilen von Celanese und European Oxo hervorgegangen. Die neu gegründete Firma hat sich auf die Herstellung von Polyolen, Lösemitteln und Oxo-Derivaten spezialisiert. IT-seitig nutzte die Gesellschaft zunächst die IT-Systeme von Celanese. Bis Ende 2007 musste man jedoch nach der rechtlichen auch die informationstechnische Selbständigkeit erreichen.

Dabei machte der Eigentümer, Investor Advent International, zwei Vorgaben: Zum Ersten sollten die anstehenden IT-Projekte das laufende Geschäft nicht beeinträchtigen. Zum Zweiten musste sich die neue IT an den Maßstäben industrieller Produktion messen lassen: Eine geringe Fertigungstiefe durch Zukauf von Commodity-Diensten ist dabei ebenso Standard wie eine verbrauchsorientierte Abrechnung.

Als Hersteller von Basisstoffen trägt Oxeo den Wettbewerb vorwiegend über den Preis aus und sichert die Margen über niedrige Kosten. Deshalb beschreitet das Unternehmen den Weg des IT-Outsourcings. "Wir wollen möglichst wenig Kapital in der IT binden und den IT-Einsatz flexibel unserer Geschäftsentwicklung anpassen können", schildert Juan Soto, Vice President Information Technology bei Oxea.

Auslagerung der IT ist typisch für die Chemiebranche

Wir wollen möglichst wenig Kapital in der IT binden und den IT-Einsatz flexibel unserer Geschäftsentwicklung anpassen können, sagt Juan Soto, Vice President Information Technology bei Oxea.
Foto: Oxea

Ein durchaus branchenüblicher Ansatz, wie eine Studie des Verbands der chemischen Industrie (VCI) belegt. Danach wird nur noch jeder fünfte IT-Dienst intern erbracht (siehe Kasten). Bei Oxea sind das Services im Zusammenhang mit der IT-Strategie, Qualitätssicherung, Weiterentwicklung von SAP-Software sowie Anwendungs- und Anwender-Management. Aus der Aufgabenteilung und den Maßgaben des Eigentümers resultierten zwei Projektausschreibungen für den technischen Abnabelungsprozess von Celanese bis Anfang 2008. Zum einen sollte ein IT-Dienstleister am Hauptsitz Oberhausen eine neue Server-Landschaft mit Microsoft-Anwendungen und einer Anbindung der weltweiten Standorte aufbauen. Zum anderen sollte ein Provider den kompletten SAP-Betrieb übernehmen. In beiden Fällen mussten Daten und Anwendungen aus den Rechenzentren von Celanese in Deutschland und den USA nach Deutschland migriert werden.

SAP-Betrieb durch einen Dienstleister

Mit beiden Projekten wurde Hewlett-Packard (HP) beauftragt. Das IT-Unternehmen betreut bereits seit vielen Jahren den Celanese-Konzern. Für HP sprach aber auch, dass der Dienstleister für Sonderaufgaben geeignete SAP-Spezialisten hinzuziehen kann. Den Betrieb der ERP-Software lagerte Oxea an die Dortmunder "ERP Factory" aus, die zu HP gehört. Der IT-Konzern betreibt in den USA die SAP-Systeme von Celanese.

Schwieriger Abschied von den USA

Nach dem Aufbau der Infrastruktur am Hauptsitz in Oberhausen konnte die Übernahme der IT von Celanese beginnen. Ein Trust, also eine ständige Verbindung der Microsoft Active-Directories zwischen Oxea und Celanese, war nicht möglich. HP musste deshalb spezifische Programme entwickeln, die eine Migration über eine Firewall gewährleisteten. Eine schrittweise Migration der Microsoft-Daten- und -Anwendungen war über diesen Kanal allerdings nur in Teilen möglich. Deshalb holte Oxea nicht nur die SAP-Programme, sondern auch Exchange im Schnellverfahren über den großen Teich nach Deutschland.

Active Directory verzögert das Projekt

Das ursprünglich für den 1. Oktober 2007 geplante Go-Live musste wegen der fehlenden Verbindung zwischen den Microsoft-Verzeichnissen um einen Monat verschoben werden. Dadurch wurde das Projekt komplexer als in der Planungsphase vorausgesetzt.

Zwischen dem SAP- und dem Microsoft-Projekt gab es darüber hinaus zahlreiche Abhängigkeiten, die eine enge Zusammenarbeit der Infrastruktur- und SAP-Teams erforderten. Das betraf beispielsweise die Anbindung einer Reihe von Drittsystemen an das neue SAP-System, die Schritt für Schritt nach Deutschland migriert wurden. Diese Anbindung war erst möglich, nachdem diese IT-Systeme aus dem Celanese-Netzwerk herausgelöst und in die Oxea-Umgebung integriert worden waren. Damit ging einher, dass Oxea-Mitarbeiter nach der Migration in das neue Oxea- weiterhin noch ein Benutzerkonto im Celanese-Netzwerk benötigten - um parallel mit allen Anwendungen in beiden Welten arbeiten zu können. Das ist auch heute noch so, da Oxeo und Celanese eine Kunden-Lieferanten-Beziehung verbindet.

Systemumzug per Big Bang

Je ein Wochenende im November war für die beiden "Big-Bangs" reserviert, um die Arbeitsabläufe unter der Woche so wenig wie möglich zu stören. Zuerst wurden die Microsoft-Accounts der Anwender auf die Oberhausener Server übertragen. Um im zweiten Schritt die SAP-Software herauszulösen, übertrug Oxea eine Systemkopie auf die Server der Dortmunder ERP Factory und löschte Oxea-fremde Daten. Hierzu entfernten die Softwarespezialisten komplette Mandanten. Die Unternehmensteile von Celanese, die zu Oxea zusammengeschlossen wurden, führte die SAP-Software als eigene Mandanten. Insgesamt vergingen vom Projektstart bis zum Go-Live der ERP-Software vier Monate. Oxea nutzt SAP R/3 4.7. Ein Umstieg auf das aktuelle SAP-Produkt "ERP 6.0" ist zurzeit nicht geplant.

Da die meisten Oxea-Anwender bereits bei Celanese in einer ähnlichen Rolle tätig waren, waren Anpassungen bei den Berechtigungen überschaubar. Mit der Systemkopie konnten auch die User-Berechtigungen übernommen werden.

Monatlicher IT-Bedarf für 600 Mitarbeiter

Über das Rechenzentrum in Dortmund deckt Oxea den IT-Bedarf über ein monatliches Fixum für Leistung und Anwenderzahl ab, wird aber die Skalierungsoption nutzen, sobald zusätzliche Ressourcen erforderlich sind. "Für uns als neu gegründetes Unternehmen ist ein flexibles Bezugsmodell wichtig", betont Juan Soto. "Wir minimieren damit das Investitionsrisiko und können die IT-Ressourcen und -Kosten kurzfristig der Geschäftsentwicklung anpassen."

Als interner Service Provider der Fachabteilungen sehen wir ein wichtiges Betätigungsfeld in Re-Engineering-Projekten, so Gerd Schellhase, Manager Infrastructure Information Technology bei Oxea.
Foto: Oxea

Derzeit ist die Kapazität auf rund 200 Parallelzugriffe und ein Datenvolumen von zirka 800 GB ausgelegt. Insgesamt haben 600 Mitarbeiter in Europa, den USA und Asien Zugang zum SAP-System. Fast das komplette Geschäft ist darin abgebildet - von Beschaffung über Produktion und Vertrieb bis zum Finanzwesen. Auswerte- und Steuerungsaufgaben übernimmt eine SAP-basierende Business-Intelligence-Lösung. HP hat mit SAP SRM (Supplier Relationship Management) ein IT-gestütztes Zulieferersystem implementiert. Die Netweaver-Komponente Process Integration (vormals Exchange Infrastructure) bildet künfig das zentrale Integrationssystem innerhalb der Oxea-IT. Damit wurde unter anderem die Anbindung an Lieferantenportale und -kataloge realisiert.

"Oxea setzt auf ein Mischmodell aus eigenen und externen IT-Services. Gegenüber einem rein internen Betrieb kalkulieren wir 30 Prozent Kosteneinsparung. Dazu trägt wesentlich bei, dass wir SAP in die Dortmunder HP ERP Factory ausgelagert haben", so IT-Chef Soto.

In einem separaten Projekt übernahm HP zudem die komplette Gehaltsabrechnung im Business Process Outsourcing (BPO). Die kumulierten Kosten werden ebenfalls über eine automatisierte Schnittstelle an R/3 übergeben.

Interne IT passt SAP-Prozesse an

Parallel zur Dortmunder SAP-Instanz nahm das hausinterne Rechenzentrum konkrete Formen an. Zu dessen Kernkompetenz zählt die Weiterentwicklung des SAP-Systems. Dafür hat Oxea ein austariertes Organisationsmodell etabliert. Als Teil des IT-Teams decken drei "Business Systems Manager" die Bereiche Finanzwesen, Logistik/Einkauf/Vertrieb und Supply Chain/Manufacturing ab. Diese SAP-Experten verantworten die Umsetzung der Geschäftsprozesse. Weil sie ursprünglich aus den jeweiligen Fachbereichen kommen, sprechen sie dieselbe Sprache wie die Key User. Letztere fungieren wiederum als Ansprechpartner der Anwender und kommunizieren SAP-Änderungen in das Unternehmen. Damit erübrigen sich Schulungen, die laut Soto "in einem lebendigen SAP-System wie dem unseren sowieso nicht praktikabel wären". Trotz der stetigen Harmonisierung von Geschäft und IT orientiert sich das SAP-System von Oxea nahe am Standard.

Man scheut Abhängigkeiten von IT-Partnern, die die Anpassungen vornehmen. Dass die Komplexität trotzdem groß ist und deshalb die Verantwortung für die SAP-Software auf mehreren Schultern ruht, liegt in den über 20 angebundenen Anwendungen begründet. Sie stellen meist Einzelfunktionen für die Produktion bereit.

Künftig wird das interne IT-Team Prozesse optimieren und Altanwendungen bei Bedarf durch Standardsoftware ersetzen. "Als interner Service-Provider der Fachabteilungen sehen wir ein wichtiges Betätigungsfeld in Re-Engineering-Projekten", erklärt Gerd Schellhase, Manager Infrastructure Information Technology bei Oxea. (fn)

Über Oxea

Das Industrieunternehmen bietet weltweit ein Produktportfolio über die gesamte Oxo-Wertschöpfungskette hinweg. Hierzu zählen verschiedene Lösemittel, Polyole, Carbonsäuren, Alkylamine und Olefinderivate. Diese werden beispielsweise in hochwertigen Beschichtungen, Schmierstoffen, kosmetischen und pharmazeutischen Produkten, Aroma- und Duftstoffen, Druckfarben sowie Kunststoffen verwendet. Jährlich setzt das Unternehmen rund 1,2 Milliarden Euro um und beschäftigt an den Produktionsstandorten in Deutschland (Oberhausen und Marl) und den USA (Bay City und Bishop) rund 1.300 Mitarbeiter.

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