Outsourcing will gut vorbereitet sein

15.09.2004 von Joachim Hackmann
Eine Vielzahl von Anwendern plagen Probleme mit laufenden Outsourcing-Projekten. Die Gründe dafür sind vielfach mangelnde Vorbereitung und dürftige Kontrollmöglichkeiten. Eine Schlüsselrolle in gut funktionierenden Auslagerungsprojekten nehmen die internen Mitarbeiter ein.
Die von der Meta Group befragten Anwender erwarten durch das Outsourcing Defizite im betrieblichen Know-how. Ein gut vorbereiteter Vertrag wirkt möglichen Gefahren entgegen.

Fehlende Organisationsstrukturen, ungenaue Zielvorgaben und falsche Kalkulationen machen so manchem Outsourcing-Projekt den Garaus. Einer Studie der Meta Group unter 150 Führungskräften aus Europa brachte Erschreckendes zutage. 80 Prozent der Unternehmen, die Dienste wie Anwendungsentwicklung und -wartung bereits von einem externen Provider beziehen, haben Probleme. "Kein Wunder", mag sich Jörg Busch, Senior Manager bei Pricewaterhouse Coopers (PWC) bei der Lektüre der Studie gedacht haben. Die im Auftrag von Compuware erstellte Umfrage zeigt nämlich auch, dass 60 Prozent der Unternehmen strategische wichtige Bereiche auslagern, aber 80 Prozent der Befragten keine Management-Techniken, keinen Rechtsschutz und keine Maßnahmen etabliert haben, mit denen die Einhaltung von Spezifikationen sichergestellt wird. Für PWC-Manager Busch ist dies unverständlich: "Obwohl Kontrolle und Management des Outsourcers die einzige Kompetenz ist, die nach dem Outsourcing im Haus bleibt,

haben die Unternehmen nicht in das Management und die Kontrolle des Partners investiert", sagte er im Rahmen einer vom hessischen Wirtschaftsministerium veranstalteten Outsourcing-Konferenz.

Die Versäumnisse vieler Unternehmen beginnen seiner Erfahrung zufolge schon bei den Vorbereitungen zu einem Auslagerungs-Deal. Eine ausformulierte Strategie ist selten vorhanden, die Entscheidungsfindung folgt meistens einzig und allein der Vorgabe, das IT-Budget zu reduzieren. Das ist umso erstaunlicher, als die tatsächlichen IT-Kosten des aktuellen Betriebs kaum bekannt sind und die angepeilten Ersparnisse einer echten Prüfung nicht standhalten. "Man berücksichtigt in der Regel nur das, was der Outsourcer vorrechnet", berichtet Busch.

Eine fundierte Kostenbetrachtung sieht anders aus. Ihr sollten nicht allein die in dem eigenen Betrieb und Unternehmen versteckten Kosten zugrunde liegen, sondern auch die Anlaufkosten für das Outsourcing-Projekt, die Aufwendungen für die Veränderungsprozesse im Hause, die erhöhten Preise für künftige Erweiterungs- und Änderungswünsche gegenüber dem Outsourcer sowie natürlich die laufenden Zahlungen an den externen Dienstleister. Unwägbarkeiten gibt es auch danach noch zuhauf: "Sie bekommen in der Regel einen guten und günstigen ersten Vertrag. Doch wie sieht der zweite darauf folgende aus?" fragt Rainer Schmidt, Professor der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Aalen. "Auch der Service-Provider weiß um die Kosten eines Anbieterwechsels."

Bestandsaufnahme unbedingt notwendig

Nüchtern und unvoreingenommen sollten die Anwenderunternehmen sich dem Outsourcing-Thema nähern und allen Entscheidungen eine Bestandsaufnahme vorausgehen lassen. Dazu zählt neben der Kostenbetrachtung nach dem Total-Cost-of-Ownership- (TCO-)Verfahren oder vergleichbaren Modellen möglicherweise auch ein Benchmark-Projekt und die Dokumentation der aktuellen Prozesse. Bei letzterem helfen Best-Practice-Ansätze wie die IT Infrastructure Library (Itil) sowie das vor allem von indischen Anbietern genutzte Capability Maturity Model (CMM) des Software Engineering Institute (SEI).

Vor allem CMM dürfte den hiesigen IT-Abteilungen die Augen öffnen, denn gut aufgestellte interne Provider erreichen einen CMM-Level zwischen zwei und drei. Indische Anbieter weisen in der Regel ein CMM-Zertifikat der Stufe vier, meistens sogar fünf auf. "Sie lassen in ihrer Outsouring-Entscheidung demnach einen kaum oder wenig optimierten internen Dienstleister gegen einen effektiven und professionellen, externen Spezialisten antreten", schimpft Schmidt.

Zur Analyse der aktuellen Prozesse ist die Hilfe der Mitarbeiter erforderlich. "Sie sind die einzigen, die Prozesse des Unternehmens kennen und wissen, wer die eigentlichen Entscheider in den Unternehmen sind", berichtet Christoph Schulz, Geschäftsführer des Franz Künstler e.V. Verein für Arbeitnehmerbildung in Berlin. Deren Mitarbeit ist jedoch kaum möglich, wenn das Outsourcing-Projekt auf einen verdeckten Stellenabbau zielt. "Arbeitsplatzverlust lässt sich heute nicht mehr ausschließen", weiß auch der Geschäftsführer des gewerkschaftsnahen Vereins. "Das darf aber nicht das Ziel des Outsourcings sein."

In jedem Fall ändert sich aber das Anforderungsprofil der Mitarbeiter. Den nach dem Outsourcing-Projekt im Haus verbleibenden Spezialisten schrieb beispielsweise Hermann-Josef Lamberti, COO der Deutschen Bank, eine mentale Transformation ins Pflichtenheft: "Sie müssen sich vom Handwerker zum Architekten entwickeln. Intern sind Projekt-Manager gefragt." Den zum externen Anbieter wechselnden Arbeitnehmer zeigen sich ebenfalls neue Karrierepfade auf. Um sie erfolgreich beschreiten zu können, ist eine serviceorientierte Mentalität erforderlich. "Qualifikation eröffnet den Mitarbeitern neue Perspektiven", berichtet Schulz. "Die Kosten müssen jedoch in die Berechnungen des Outsourcing-Projekts Eingang finden."

Fotos: Photodisc

Selbst bei reibungslosem Betriebsübergang beginnt mit dem Wechsel des Arbeitnehmers zum Outsourcer seine Loyalität dem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber zu schwinden. Er ist nun dem Geschäftsziel des externen Dienstleisters verpflichtet, und das heißt Gewinnmaximierung. Es gibt keine Freundschaftsdienste unter ehemaligen Kollegen mehr, darüber müssen sich die auslagernden Unternehmen im Klaren sein. Je mehr Dienste, Qualitätsanforderungen und Prozesse im Vorfeld eines Auslagerungsprojektes vereinbart werden, desto weniger Zusatzservices müssen später in Anspruch genommen werden, denn die lassen sich die Dienstleister gerne und gut bezahlen. "Verlangen Sie vom Outsourcer klare Zusagen über Neuerungen und Release-Wechsel. Diese Services sind in den Standardangeboten meistens nicht enthalten", warnt PWC-Manager Busch.

Obwohl auch nach dem Outsourcing zumindest eine Zeitlang die alten Systeme von bekannten Mitabeitern betrieben werden, bleibt nach dem Betriebsübergang kaum etwas, wie es war. Vormals informelle Vereinbarungen weichen offiziellen Aufträgen. Dafür sorgen die Outsourcer sehr schnell, indem sie die übernommenen Mitarbeiter in ihre bewährten internen Delivery-Prozesse einbinden. Zu Problemen auf Anwenderseite kommt es immer dann, wenn sie diese Neuerungen organisatorisch nicht aufgreifen. Nur gut ausgebildetes Personal, das den Wert der IT für die Geschäftsprozesse kennt, das die Anforderungen der Fachabteilungen in ein Pflichtenheft für den Outsourcer übersetzen kann und das den externen Partner kontrollieren und steuern kann, ist ein Garant für ein funktionierendes Auslagerungsprojekt.