Outsourcing: Jetzt neu verhandeln!

24.08.2006 von Bernd  Schäfer
Worauf Sie achten müssen, um bessere Bedingungen aushandeln zu können.

Mit zunehmender Häufigkeit handeln Unternehmen ihre Outsourcing-Vereinbarungen vor dem Ende der Laufzeit neu aus. Auch Verlängerungen und Neuausschreibungen von bestehenden Verträgen haben in den letzten Jahren zugenommen.

Hier lesen Sie...

  • warum immer mehr Outsourcing-Verträge neu verhandelt oder neu ausgeschrieben werden;

  • worauf Sie achten müssen, um bessere Bedingungen aushandeln zu können.

Auch in Europa versuchen viele Firmen ihre auslaufenden Verträge neu auszuhandeln oder ganz neu auszuschreiben. In diesem Jahr wurden bislang 14 größere Deals im Gesamtwert von 3,76 Milliarden Dollar umstrukturiert. Davon profitieren vor allem die großen Anbieter.

2005 entfiel fast ein Viertel der weltweit vergebenen Deals mit einem Vertragswert von mehr als 40 Millionen Euro auf so genannte Umstrukturierungen. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es sogar über 40 Prozent.

Viele Deals laufen jetzt aus

Vor dem Hintergrund, dass viele Auslagerungsabkommen seit fünf Jahren oder länger laufen, erreichen sie derzeit einen natürlichen Erneuerungspunkt. Das Beratungshaus TPI schätzt, dass in diesem und im nächsten Jahr weltweit 325 Abschlüsse mit einem ursprünglichen Gesamtwert von 76 Milliarden Euro auslaufen werden. Das entspräche mehr als einem Fünftel aller derzeit aktiven Outsourcing-Verträge.

Hinzu kommt, dass immer mehr Verträge noch während ihrer Laufzeit umstrukturiert werden. Nach Erfahrungen von TPI äußern die Kunden großer Outsourcing-Abkommen diese Absicht häufig bereits 18 bis 36 Monate nach Unterzeichnung des ursprünglichen Vertrags, um schneller auf betriebsinterne oder marktbezogene Veränderungen reagieren zu können und vor allem ihre Kosten zu senken: Laut TPI erhoffen sich die Unternehmen bei gleichen Bedingungen Einsparungen von durchschnittlich zehn bis 15 Prozent. Auch neue Services, Techniken und Anbieter heizen den Wettbewerb an und machen es den Anwendern schwer, die typische Vertragslaufzeit von sieben Jahren abzuwarten.

Für die steigende Zahl an Umstrukturierungen gibt es laut TPI drei zentrale Beweggründe: Erstens hält der Trend zum Multi-Sourcing an. Vor allem erfahrene Kunden vergeben nur noch Teilbereiche an die jeweils besten Provider, um deren Spezialisierungen gezielt zu nutzen und gleichzeitig die Kosten zu senken: Die Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern führt dazu, dass diese um die gleichen Dienste konkurrieren und sich gegenseitig unterbieten. Der Kunde profitiert davon in Form von niedrigeren Preisen und besseren Serviceangeboten.

Deals sind nicht mehr zeitgemäß

Hinzu kommt, dass immer mehr Anwender die Deals in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr für zeitgemäß halten. Die meisten vor Jahren geschlossenen Verträge sehen eine wenig ganzheitliche Service-Bereitstellung vor; auch Kreativität und Innovationen wurden selten schriftlich vereinbart. Heute verlangen die Kunden von ihren Providern aber eine Unterstützung ihrer strategischen Ziele und versuchen, entsprechende Klauseln auszuhandeln. Und drittens heizt die zunehmende Nutzung des Offshoring den Trend zu Nachverhandlungen an. So erkennen inzwischen auch kleinere Firmen, dass der globale Dienstleistungsmarkt nicht allein multinationalen Konzernen vorbehalten ist.

Bislang wurden die meisten Umstrukturierungen mit dem bisherigen Anbieter ausgehandelt. Laut TPI wechselten 2005 nicht einmal 15 Prozent der Kunden ihren Provider. Angesichts des Multi-Sourcing-Trends wird sich das jedoch ändern, meinen die Experten. Ob der bisherige Anbieter im Falle einer Umstrukturierung den Auftrag ganz oder teilweise behält, werde zunehmend davon abhängen, ob sein Angebot konkurrenzfähig ist. Vor diesem Hintergrund steigt der Wettbewerbsdruck, was sich wiederum positiv auf die Verhandlungsposition der Anwender auswirkt.

Bei umfassenden Änderungen in Bezug auf Preis, Konditionen und Leistungsumfang besteht allerdings die Gefahr, dass der Anwender keinen spürbaren Nutzen aus den Verhandlungen zieht. Der Grund dafür liegt häufig in mangelnder Ursachenforschung: Verläuft ein Vorhaben nicht zur Zufriedenheit des Kunden, wird die Schuld meist auf den Anbieter geschoben. Laut TPI sind jedoch rund ein Drittel der schwerwiegenden Probleme auf unausgereifte Strategien des Anwenders zurückzuführen. Weitere 15 Prozent beruhen auf ungünstigen oder unzureichenden Vertragsbedingungen.

Mehr als die Hälfte der Probleme gehen auf eine schlechte Beziehung zwischen den Vertragsparteien zurück. Aber auch hier liegt der Fehler nicht selten beim Kunden. So meinen viele Firmen, der bestehende Vertrag gebe ihnen zu wenig Kontrolle. Tatsächlich sind jedoch alle nötigen Hebel vorhanden - sie werden nur nicht richtig eingesetzt. Der Wechsel des Dienstleisters bringt in solchen Fällen nichts - im Gegenteil: Er verschärft eher noch die Schwächen im Beziehungs-Management.

Für Transparenz sorgen

Auch wenn sich der Anwender über die Ursachen seiner Unzufriedenheit im Klaren ist, sind Neuverhandlungen mit Schwierigkeiten verbunden. Oft fehlt der nötige Überblick: Wenn sich die Daten zum Großteil in den Händen des derzeitigen Vertragspartners befinden, lässt sich kaum ein realistisches Bild von den tatsächlich erbrachten Services und den Kosten gewinnen. Vor allem in der Endphase eines umfassenden Outsourcing-Abkommens kann der Kunde schwer beurteilen, ob er einen fairen Marktpreis zahlt.

Um erfolgreiche Neuverhandlungen zu führen, bedarf es nach Ansicht der TPI-Berater einer sorgfältigen Planung auf Basis einer umfassenden Sourcing-Strategie, die wiederum auf der Gesamtstrategie des Anwender aufsetzen sollte. Nur dann lässt sich eine Umstrukturierung nutzen, um bessere Bedingungen auszuhandeln und den Grundstein für eine dauerhafte Zusammenarbeit zu legen. Im Idealfall wird die Neuverhandlung von einem dedizierten Projektteam geleitet, das sich der Unterstützung auf höchster Ebene sicher sein kann.

Wichtige Tipps

  • Nehmen Sie eine Umstrukturierung im Rahmen der Gesamtstrategie vor.

  • Beginnen Sie die Verhandlungen mit klaren und realistischen Zielvorgaben.

  • Nehmen Sie die Umstrukturierung ernst: Ein Leitungsgremium, Unterstützung auf höchster Ebene und dediziertes Projektteam sind Grundvoraussetzungen.

  • Verhandeln Sie nicht blind - informieren Sie sich über gängige Preise und Konditionen.

  • Erstellen Sie ein genaues Bild des Ist- und Sollzustands in Bezug auf Services und Kosten.

  • Betrachten Sie die Umstrukturierung als Prozessphase, nicht als isoliertes Projekt: Wo stehen Sie jetzt, wo wollen Sie hin?

  • Überschätzen Sie sich nicht: Wenn einfache Prozesse schon jetzt eine Belastung sind, können komplexere Abläufe das Unternehmen schnell überfordern.

Zwei Jahre im Voraus beginnen

Wenn die geschäftlichen Einflussfaktoren und Ziele feststehen, lässt sich der Plan für die Umstrukturierung sinnvoll entwickeln. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, die Planung mindestens zwei Jahre im Voraus zu beginnen. Da der Anbieter kaum freiwillig bereit sein wird, Zugeständnisse bei Gewinnspannen oder Konditionen zu machen, läuft der Kunde sonst Gefahr, seine Entscheidungsfreiheit einzuschränken und seine Verhandlungsposition zu schwächen.

Zudem sollte der Anwender konkrete und realistische Handlungsalternativen haben und bereit sein, diese bei Bedarf auch umzusetzen. Wichtig ist dabei, dass er sich umfassend darüber informiert, wie die Vereinbarungen mit seinem Provider im Vergleich zur Marktsituation abschneiden - nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf Service-Levels, Haftungsumfang und Vertragsbedingungen.

Auch eine Neuausschreibung hat ihre Tücken. Hier gilt es zunächst zu klären, ob der derzeitige Vertragspartner mitbieten darf. Wenn ja, könnten die anderen Interessenten den Verdacht hegen, dass der Kunde ihre Angebote lediglich benutzen will, um den Preis des momentanen Anbieters zu drücken. In manchen Fällen setzen die Bieter ihre Preise auch selbst niedrig an, um ihn auszubooten. Auf der anderen Seite ist der gegenwärtige Vertragspartner gegenüber den anderen im Vorteil, weil er mit dem Service vertraut ist. Aus diesen Gründen kommt es darauf an, dass der Kunde die Interessenten davon überzeugen kann, dass die Ausschreibung fair ist und alle Anbieter die gleichen Voraussetzungen haben.