Neue Offensive gegen SAP

Oracle bringt Fusion Applications in Stellung

13.05.2011 von Martin Bayer
Nach jahrelangen Verzögerungen scheint Oracle mit seiner neuen Applications-Familie in die Gänge zu kommen.
Oracle hebt ab.

Oracle bringt sich mit ersten Modulen seiner neuen Applications-Linie "Fusion" in Stellung, um dem Erzrivalen SAP im Anwendungsgeschäft die Stirn bieten zu können. Im Rahmen einer Konferenz der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag) zum Thema Business Solutions Anfang Mai in Berlin verriet Oracle erstmals in Deutschland Details zu seiner neuen Anwendungsgeneration "Fusion Applications".

Der Auftritt der neuen Produktlinie vollzieht sich auffallend unspektakulär durch die Hintertür - ungewohnt für den Softwarekonzern aus dem kalifornischen Redwood Shores. Vielleicht liegt dies daran, dass sich Oracle mit Fusion deutlich verspätet hat. Nach den ersten großen Akquisitionen wie beispielsweise von Peoplesoft hatten die Oracle-Verantwortlichen ihr Fusion-Projekt bereits 2005 gestartet und damals noch vollmundig davon gesprochen, den ERP Markt schon 2008 mit einer komplett neue Applikations-Suite aufrollen zu wollen. Doch daraus wurde nichts. In der Folge musste der Softwarehersteller seine Zeitpläne immer weiter nach hinten verschieben.

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Neue Stufe in der Software-Evolution

Doch nun scheint es endlich soweit zu sein. Nachdem Oracle-Chef Lawrence Ellison zur Open-World-Konferenz im Herbst vergangenen Jahres die Verfügbarkeit der Fusion Applications für das erste Quartal 2011 angekündigt hatte, wird der Konzern nun auch in Deutschland konkreter. Mark Woollen, Vice President für den Bereich Social CRM Products von Oracle, sprach in Berlin von einer Evolution im Anwendungsgeschäft, die nun eine neue Stufe erreicht habe. Etwa alle zehn Jahre vollziehe sich ein Paradigmenwechsel. Ein solcher vollziehe sich derzeit rund um Themen wie Software as a Service (SaaS) und Cloud Computing. Dieser Entwicklung tragen auch Oracles Fusion Applications Rechnung, berichtete Woollen. Mit ein und derselben Codebasis lasse sich die neue Produktlinie sowohl auf herkömmliche Weise On-Premise wie auch On-Demand nutzen.

Fusion 1.0 setzt sich aus rund 100 Modulen für die sieben folgenden Bereiche zusammen:

Oracle habe jedoch nicht einfach verschiedene Funktionen aus den in den zurückliegenden Jahren zugekauften Produkten neu paketiert, betont Woollen. Vielmehr basiere Fusion auf einer Standard-Java-Architektur inklusive eines neuen Datenmodells. Grundlage der neuen Anwendungslinie bildet die gleichnamige Middleware. Zudem seien in das gesamte Paket von Haus aus verschiedene Business-Intelligence-Funktionen eingebettet. Den Kunden verspricht der Oracle-Manager geringere Aufwände für Implementierung, Upgrade und Betrieb von Fusion sowie eine verbesserte Produktivität.

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Viel Aufwand für bessere User Experience

Einen Schwerpunkt in der Fusion-Entwicklung habe die User-Experience gebildet, erläutert Woollens Kollege Jeremy Ashley, der diesen Bereich bei Oracle verantwortet. Dabei sei es nicht nur darum gegangen, ein schickes User Interface zu entwerfen. "Das allein macht eine Software aber nicht wirklich besser", sagt der Oracle-Manager. Im Vorfeld der Entwicklung und der eigentlichen Softwareprogrammierung sei es vor allem darum gegangen, die Produktivität der Nutzer zu verbessern. Diese bräuchten die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Beim Design der Software habe deshalb der Softwareanwender im Vordergrund gestanden. Auf Basis von Beobachtungen des Nutzerverhaltens seien in Fusion rund 100 verschiedene Rollen definiert worden. Insgesamt hätten diese Vorarbeiten zwei Jahre in Anspruch genommen, bevor auch nur eine Zeile Code geschrieben worden sei, beteuert Ashley.

Offensichtlich hat sich dieser Aufwand gelohnt. Debra Lilley, Oracle Alliance Director bei Fujitsu und Chairman der UK Oracle User Group (UKOUG) zeigte sich begeistert von der Art und Weise, wie Nutzer mit Fusion arbeiten könnten. Anwender müssten nicht zwischen verschiedenen Programmen wechseln, um ihren Workflow abzuarbeiten, sondern könnten dies in einer integrierten Anwendungsumgebung erledigen. "Diese User Experience macht den Unterschied", lautet ihr Fazit. "Das ist das Kronjuwel von Fusion."

Dieser Glanz kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass der Weg hin zu Fusion noch weit ist. Lilley verweist darauf, dass Unternehmen für Fusion Knowhow in Sachen Oracle-Middleware aufbauen müssten, um von den Vorteilen der neuen Anwendungsarchitektur zu profitieren. Außerdem gelte es, die bestehenden Landschaften zuvor aufzuräumen. Das Customizing müsste überdacht, die Datenbestände aufgeräumt werden. Die Firmen sollten sich jedoch auf den Weg machen, rät die Oracle-Anwenderin. Es sei keine gute Option auf einem alten Release-Stand zu verharren.

Bildergalerie: Oracle VM VirtualBox.
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Anwender fordern Einsatz von Oracle

Frank Schönthaler, Leiter des Bereichs Business Solutions bei der Doag, fordert von Oracle mehr Einsatz für die Fusion-Familie.

"Es gibt jedoch keinen Grund zur Panik", sagt Frank Schönthaler, Leiter der Business Solutions Community bei der Doag. Schließlich habe Oracle zugesichert, seine bestehenden Produktfamilien im Rahmen des Applications Unlimited Programms weiter zu pflegen und zu entwickeln. Um das Fusion-Geschäft in Schwung zu bringen sei jedoch der Softwarehersteller gefordert - speziell hierzulande. Es sei zu einfach, sich darauf zurückzuziehen, dass Deutschland sowieso fest in SAP-Hand sei. Immer mehr Anwender würden gerade auch vor dem Hintergrund Cloud Computing ihre Business-Softeware-Landschaften auf den Prüfstand stellen.

"Der Umstieg auf Fusion bedeutet den Umstieg auf ein neues Produkt", erinnert aber Doag-Geschäftsführer Fried Saacke. Angesichts der damit verbundenen Komplexität, die durch den Modul-Ansatz von Fusion noch verstärkt wird, sei entsprechendes Beratungs-Knowhow im Markt erforderlich. Doch davon gibt es aus Sicht von Saacke noch viel zu wenig. Hier sei Oracle gefordert, Vertrauen zu schaffen und Befürchtungen zu zerstreuen, die Kunden würden mit einem Bauchladen unterschiedlichster Softwarefunktionen überschwemmt. Aus wie vielen Modulen sich die Fusion-Familie einmal zusammensetzen wird, ist für die Doag-Vertreter derzeit noch nicht abzusehen.

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Fried Saacke, Geschäftsführer der Doag: "Der Umstieg auf Fusion bedeutet den Umstieg auf ein neues Produkt."

Den Umstieg auf Fusion sollten Anwenderunternehmen sorgfältig vorbereiten, empfehlen die Doag-Vertreter. Über einen Wartungsvertrag einfach einzelne Funktionen auf Fusion zu hieven, sei nicht anzuraten. Vielmehr sollten die Unternehmen prüfen, in welchen Bereichen die neuen Oracle-Applikatonen einen Mehrwert bieten. Was es kosten wird, zusätzliche Funktionen einzukaufen ist derzeit noch nicht bekannt. Details zu Preisen und Lizenzierung hat Oracle bis dato noch nicht bekannt gegeben. Finanzielle Anreize des Softwareherstellers für Unternehmen, auf Fusion umzusteigen, seien kaum zu erwarten, heißt es von Seiten der Doag. Oracle sei schließlich nicht bekannt dafür, auf die Geldbeutel seiner Kunden besondere Rücksicht zu nehmen.

Applications unlimited oder doch limited?

Neben der Entwicklung neuer Fusion-Modulen will Oracle auch künftig die bestehenden Anwendungslinien weiter pflegen und entwickeln. Im Rahmen des Applications Unlimited Programms hatten die Oracle-Verantwortlichen ihren Kunden in den vergangenen Jahren wiederholt versprochen, die zugekauften Softwareprodukte auf unbegrenzte Zeit zu unterstützen. Dies diente in erster Linie dazu, möglichst keine Verunsicherung innerhalb der Peoplesoft-, J.D.Edwards- und Siebel-Klientel aufkommen zu lassen und die Kunden bei der Stange zu halten.

Allerdings waren im vergangenen Jahr erstmals leise Zwischentöne aus der obersten Führungsriege Oracles zu vernehmen, dass der unbegrenzte Support doch irgendwann ein Ende finden könnte. Oracle-Boss Lawrence Ellison rutschte anlässlich der Open-World-Konferenz im Herbst vergangenen Jahres heraus, dass das Programm mindestens noch zehn Jahre weiterlaufe. Das ist zwar eine lange Zeit, aber letztendlich doch eine limitierte.

Woollen ging auf derlei Spekulationen nicht ein und verwies stattdessen auf die Entwicklungsaktivitäten der vergangenen Jahre und die weiteren Pläne, die bereits in den Schubladen der Entwickler lägen. So seien im laufenden Jahr beispielsweise neue Versionen beziehungsweise Erweiterungen der E-Business-Suite und CRM-on-Demand sowie der Peoplesoft- und Siebel-Anwendungen zu erwarten. Ein Schwerpunkt sei dabei unter anderem eine bessere Anpassung der Software an lokale Anforderungen einzelner Länder.

Kunden honorierten die Entwicklungsanstrengungen Oracles, sagte Woollen. Demzufolge setzten 93 Prozent aller E-Business-Suite-Anwender einer der beiden aktuellsten Release-Stände ein. Im Peoplesoft- und Siebel-Umfeld seien es immerhin noch rund zwei Drittel. Nur die J.D.Edwards-Kunden halten offenbar den alten Release-Ständen noch die Treue. Lediglich ein gutes Viertel der Anwender gibt einer neueren Version den Vorzug.

DOAG Business Solutions

Die Doag-Verantwortlichen werten ihre diesjährige Applications-Konferenz, die vom 3. bis 5. Mai in Berlin stattfand, als Erfolg. Mit über 400 Teilnehmern habe sich die Besucherzahl gegenüber der Vorjahresveranstaltung mehr als verdoppelt. Insgesamt gab es an den drei Konferenztagen über 100 Vorträge und Sessions. Die Anwendervertretung verteilt ihre Schwerpunkte auf unterschiedliche Veranstaltungen. Im Rahmen der großen Jahreskonferenz stehen Themen rund um Infrastrukturtechniken wie die Datenbank und Middleware im Mittelpunkt. Auf der Konferenz Business Solutions erhalten Besucher Einblicke in aktuelle Entwicklungen rund um die Applikationsstrategie Oracles. Allerdings lassen sich die Themen, wie auch die Veranstaltung in der Hauptstadt gezeigt hat, nicht strikt voneinander trennen. So spielt beispielsweise die Middleware als grundlegende Plattform auch eine wichtige Rolle im Applications-Umfeld.