Das große Doag-Interview

Oracle-Anwender fordern mehr Einfluss

10.11.2009 von Martin Bayer
Über die aktuellen Entwicklungen bei Oracle und wie die Kunden diese beeinflussen wollen, sprach CW-Redakteur Martin Bayer mit den Verantwortlichen der Deutschen Oracle-Anwendergruppe (Doag) Fried Saacke und Dietmar Neugebauer.

COMPUTERWOCHE: Mit der Übernahme von Sun Microsystems erweitert sich der Oracle-Kosmos erneut - diesmal in Richtung Hardware. Welche Erwartungen haben die Oracle-Anwender an das neue Geschäftsfeld?

NEUGEBAUER: Momentan wartet die Oracle-Community noch ab, was weiter passiert. Zum einen ist der Deal auf europäischer Ebene noch nicht durch, und zum anderen wissen wir auch noch nicht so recht, was eigentlich kommt. Fragen, was Oracle künftig mit der Hardware oder den Open-Source-Produkten vorhat, sind aus unserer Sicht noch nicht beantwortet. Nichtsdestotrotz macht sich die Doag natürlich schon Gedanken, welche Themen mit der Sun-Übernahme auf die Oracle-Kunden zukommen.

Oracle / Bea Systems: 8,5 Milliarden Dollar
In der Liste der größten IT-Übernahmen taucht Oracle gleich zweimal auf. Im Januar 2008 übernahm der Datenbank-Konzern den Middleware-Anbieter Bea Systems für 8,5 Millarden Dollar. <br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/heftarchiv/2008/04/1222214/" target="_blank">Oracle greift für Bea tief in die Tasche</a>
Oracle / Peoplesoft: 10,3 Milliarden Dollar
Nach einer langen Übernahmeschlacht übernahm Oracle im Jahr 2004 den HR-Spezialisten Peoplesoft für 10,3 Millarden Dollar. <br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/nachrichtenarchiv/551768/" target="_blank">Oracle macht Peoplesoft-Übernahme perfekt</a>
Symantec / Veritas: 12,5 Milliarden Dollar
Der Sicherheitsspezialist Symantec kündigte im Jahr 2004 die Übernahme des Speicherspezialisten Veritas an. Im Juni 2005 stimmten die Aktionäre dem Vorhaben zu. Das Volumen belief sich auf 12,5 Milliarden Dollar. <br /><br /><a href="hZttp://www.computerwoche.de/heftarchiv/2005/1/1050060/" target="_blank"> Symantec kauft sich in neue Märkte ein</a>
Hewlett-Packard / Compaq: 23,5 Milliarden Dollar
Hewlett Packard übernahm im Jahr 2001 für 23,5 Milliarden Dollar den Mitbewerber Compaq. <br /><br /><a href=" http://www.computerwoche.de/heftarchiv/2001/42/1071370/" target="_blank">Fiorina und Capellas verteidigen HP-Compaq-Fusion</a>
Worldcom / MCI: 37 Milliarden Dollar
1998 kaufte der US-Telekomgigant Worldcom die Telefongesellschaft MCI für 37 Milliarden Dollar. <br /><br />Die aus der Fusion hervorgegangene MCI Worldcom war die drittgrößte Telefongesellschaft der Welt, bis sie 2002 nach öffentlich gewordenen Bilanzfälschungen und dem dadurch erfolgten Aktiensturz Insolvenz anmelden musste. Firmengründer und CEO Bernard Ebbers wurde wegen Fehlbuchungen von 11 Milliarden Dollar zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Anfang 2006 ging MCI dann in Verizon Communications auf, die heute außerhalb der USA unter dem Namen Verizon Business firmiert.<br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/heftarchiv/1998/30/1092842/" target="_blank">Cable & Wireless dringt in die Phalanx der Internet-Größen ein</a>
Telekom / Voicestream: 39 Milliarden Euro
Mit der Übernahme des US-Carriers Voicestream schuf sich die Deutsche Telekom im Jahr 2001 ein Standbein in den USA. Der Wert der Übernahme belief sich laut Geschäftsbericht auf 39 Milliarden Euro in Aktien und Bargeld. <br /><br /><a href=" http://www.computerwoche.de/nachrichtenarchiv/1861105/" target="_blank"> Ron Sommer verteidigt VoiceStream-Kauf</a>
AT&T / Bell South: Summe unbekannt
2006 übernahm der britische TK-Anbieter AT&T den Konkurrenten Bell South. Die gezahlte Summe wurde nie bekannt, bei zusammen 63 Millionen Kunden bewegt sich das Übernahmevolumen nach Meinung von Experten jedoch im oberen zweistelligen Milliardenbereich. <br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/heftarchiv/2006/10/1208329/" target="_blank">AT&T greift nach Bell South</a>
AOL / Time Warner: 182 Milliarden Dollar
2000 kaufte AOL (America Online) den Medienkonzern Time Warner für satte 182 Milliarden Dollar. Wirklich gebracht hat es nichts. Im Gegenteil: AOL will Time Warner möglichst wieder <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/web/163781/" target="_blank">loswerden</a>.<br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/heftarchiv/2001/3/1062891/" target="_blank">AOL darf den Medienriesen Time Warner übernehmen/</a>
Vodafone / Mannesmann: 190 Milliarden Dollar
Die teuerste Übernahme der IT-Geschichte gab es in Deutschland: 2000 kaufte Vodafone den direkten Konkurrenten Mannesmann für 190 Milliarden Dollar. Im Telekommunikationsmarkt saß das Geld schon immer lockerer als anderswo. <br /><br/> <a href="http://www.computerwoche.de/heftarchiv/1999/46/1090220/" target="_blank">Vodafone rüstet zur feindlichen Übernahme des Mannesmann-Konzerns</a>

SAACKE: Wir werden versuchen, uns mit den zahlreichen Java-User-Groups enger zu vernetzen, die in diesem Umfeld schon viele Jahre aktiv sind. Das Ziel ist, uns mit diesen Usern auszutauschen und zu überlegen, wie wir künftig gemeinsam aktiv werden können. Was wir jetzt schon merken: Es gibt ein großes Interesse auf Anwenderseite, sich hier zusammenzuschließen. Auch um dieser gewaltigen Übernahme etwas wehrhafter gegenüberzustehen - gerade wenn es nicht so laufen sollte, wie man sich das wünscht.

COMPUTERWOCHE: Was wünschen sich die Oracle-Anwender denn?

SAACKE: In den ersten Wochen, nachdem die Übernahme bekannt gegeben worden war, haben wir diskutiert, was Oracle mit diesem Kauf eigentlich bezweckt. Es gab viele Stimmen, die sagten: Die Hardware stößt Oracle doch sowieso wieder ab, um sich ganz auf die Software-Synergien zu konzentrieren. Wie die jüngste Ankündigung der "Database Machine" sowie andere Signale aus der Oracle-Zentrale nahelegen, will sich Oracle an dieser Stelle offenbar doch stärker spezialisieren. Das ist auch unsere Erwartung.

COMPUTERWOCHE: Was heißt das konkret?

SAACKE: Oracle will dort, wo es Sinn gibt, Software und Hardware enger miteinander verbinden, auch um damit ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Das Potenzial dafür ist da: Wenn Hardware und Software besser aufeinander abgestimmt sind, zum Beispiel durch Treiber, die in der Lage sind, die Hardware bis in die Tiefen des Systems auszureizen, lässt sich eine bessere Performance erreichen. Die spannende Frage dabei ist aber: Wie weit bleibt es wirklich offen? Oracle hat dies zumindest angekündigt und versprochen. In der Vergangenheit hat es jedoch durchaus Beispiele dafür gegeben, in denen die Offenheit von Oracle-Produkten gegenüber Systemen anderer Hersteller aus unserer Sicht nicht ausreichend gewesen ist. Es gab Einschränkungen beim Support beziehungsweise unzulängliche Lizenzmodelle. Insofern ist es bei der Sun-Übernahme eine ganz spannende Frage, wie sich Oracle unter diesem Gesichtspunkt aufstellt.

Doag Jahreskongress 2009

Der diesjährige Jahreskongress der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag) findet vom 17. bis 19. November 2009 auf dem Messegelände in Nürnberg statt. Doag-Geschäftsführer Fried Saacke geht davon aus, die avisierten 2000 Besucher zu schaffen. Mit den Ausstellern sei es jedoch etwas schwieriger. Die Anbieter prüften derzeit genau, auf welche Veranstaltungen sie überhaupt noch gehen. Saacke rechnet 2009 mit rund 20 Prozent weniger Ausstellern als noch im vergangenen Jahr. "Aber das ist aus unserer Sicht nicht gravierend - für uns stehen die Inhalte im Mittelpunkt." Der Geschäftsführer verweist auf ein deutlich ausgebautes Programm mit über 340 Vorträgen, 20 Prozent mehr als noch auf der Konferenz 2008. In diesem Jahr werde es 18 parallele Sessions geben, kündigte Saacke an, gegenüber 16 im vergangenen Jahr. Ausgebaut haben die Doag-Verantwortlichen auch ihr Programm rund um die Hochschul-Community: Das Studentenprogramm werde in diesem Jahr auf 60 Teilnehmer verdoppelt. "Die Studenten müssen einen Tag für die Veranstaltung arbeiten, und können dann zwei Tage zuhören", erläutert der Doag-Geschäftsführer. Das Angebot komme gut an und werde von einzelnen Hochschulen zusätzlich gefördert. Beispielsweise können die Studenten einen Reisekostenzuschuss bekommen.

Anwender suchen Lösungen aus einer Hand

COMPUTERWOCHE: Brauchen die Unternehmen wirklich immer leistungsfähigere Systeme?

SAACKE: Das ist aus unserer Sicht momentan eine der kritischen Fragen: Wie gelingt es, die immer weiter wachsenden Informationsmengen und den steigenden Datentransfer performant zu bewältigen? Die Software allein kann das heute nicht mehr leisten. Vor diesem Hintergrund entsteht für uns ein schlüssiges Bild, warum Oracle Sun kaufen will.

COMPUTERWOCHE: Die Database Machine ist ein extrem spezialisiertes und teures System, das nur wenige Anwenderunternehmen wirklich interessieren dürfte. Die breite Masse der Firmen ist heute dagegen darauf bedacht, Standardhardware einzusetzen und damit die Kosten möglichst gering zu halten. Wie passt das zusammen?

SAACKE: Es ist richtig, dass Anwender immer mehr auf Standardkomponenten setzen. Es geht aber auch darum, homogene, aufeinander abgestimmte Lösungen aus einer Hand zu bekommen. Die Unternehmen möchten nicht mehr selbst den Aufwand für die Integration stemmen, sondern diese Verantwortung an die Hersteller abgeben. Wenn das gelingt, geht es weniger um Standards. Diese sind wichtig, wenn es um die Integration in andere Systeme geht. Aber man braucht keinen Standard, um Hardware und Software optimal miteinander zu verknüpfen. Standards sind zwar wichtig, doch das spielt sich auf einer anderen Ebene ab. Für Oracle eröffnet sich damit ein interessantes Geschäftsfeld: Der Hersteller ist nun in der Lage, Software und Hardware aus einer Hand zu liefern. Oracle bietet darüber hinaus Garantie sowie Support für das Gesamtsystem und offeriert damit den Kunden mehr Stabilität, mehr Sicherheit und eine bessere Performance.

COMPUTERWOCHE: Trotzdem dürfte ein System wie die Database Machine nur eine begrenzte Zahl von Kunden interessieren.

SAACKE: Sicher adressieren Systeme wie die Database Machine in erster Linie Großunternehmen, die gigantische Datenmengen bearbeiten müssen. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass Anforderungen aus dem Konzernumfeld nach einigen Jahren auch aus dem Mittelstand laut werden. Letztendlich sind die Bedürfnisse dort ähnlich, wenn auch vielleicht für etwas kleinere Datenmengen.

NEUGEBAUER: Es ist davon auszugehen, dass die Datenmengen, die in den Unternehmen bewältigt werden müssen, noch dramatisch wachsen werden. Das, was wir jetzt mit der Database Machine sehen, ist sicher die Spitze der Entwicklung. Langfristig werden in allen Unternehmen aber immer mehr Informationen in den Datenbanken abgelegt. Hat man dort früher meist nur die Verweise gespeichert, landen nun auch verstärkt die Daten direkt in den Datensilos.

COMPUTERWOCHE: Die erste Version der Database Machine, die auf Hardware von Hewlett-Packard basiert, scheint vom Markt verschwunden. Was haben die Anwender, die dieses System nutzen, nun zu befürchten, wenn sich Oracle künftig auf die Sun-Maschinen konzentriert?

SAACKE: Den Support für die HP-Maschinen wird es weiter geben. Ich gehe zudem davon aus, dass künftig mehr Hardwareplattformen von Oracle unterstützt werden. Die neue Database Machine ist im Standard offener, als es das erste System war. Letztlich gilt auch hier: Die zweite Version einer Maschine ist für den Markt meist relevanter als die erste Version. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Anwender mit der ersten Database Machine sich eher in einem Experimentiermodus bewegt haben. Die Oracle-Strategie in Richtung Sun-Hardware dürfte also weniger die Anwender treffen, als vielmehr HP, das in diese Plattform investiert hat. Aber das müssen die beiden IT-Giganten unter sich ausmachen.

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Kunden wollen keine Marketing-Schlachten

COMPUTERWOCHE: Zwischen den großen Anbietern im weltweiten IT-Geschäft geht es zurzeit nicht gerade zimperlich zu. Kürzlich hat Oracle-Chef Lawrence Ellison mit markigen Worten IBM angegriffen. Wie sehen Sie das Säbelrasseln der IT-Giganten?

SAACKE: Wie bei Oracles Kleinkrieg gegen SAP kommt für die Anwender dabei letztlich nichts Fruchtbares heraus. Es ist ja nicht so, dass Oracle dabei nachhaltig Inhalte liefert. Den Anwendern geht es darum, dass Oracle sein Standing im Markt verbessert und Mehrwert ermöglicht. Die Anwender wünschen sich keine Einzelhersteller, die den Markt dominieren, wie beispielsweise Microsoft, sondern eine Vielzahl von Anbietern - auch damit regulierende Mechanismen greifen. Es ist immer bedrohlich, wenn ein Anbieter zu mächtig wird und einen Markt dominiert. Das hat man zuletzt auch im SAP-Umfeld gesehen. Hier hat der Softwarehersteller seine Marktmacht an einigen Stellen zu Lasten der Kunden ausgespielt, wie beispielsweise kürzlich mit der Umstellung der Supportmodelle. Die Zeche zahlen die kleineren Kunden, die kein so gutes Standing bei der SAP haben wie Konzerne. Der Anbieter nutzt aus, dass die Kunden praktisch kaum eine Wahl haben und mitgehen müssen. Deswegen nutzt es den Kunden wenig, wenn sich die Hersteller irgendwelche Marketing-Schlachten liefern. Wir brauchen nachhaltige Inhalte, anhand derer man sich im Markt orientieren kann. Das ist das Grundproblem: Oracle geht amerikanisch vor und versucht, den Gegner kleinzureden und schlecht zu machen. Die Kunden wollen aber wissen, wo die Stärken liegen und warum sie Oracle-Produkte kaufen sollen. Die Anwender wollen nicht wissen, warum SAP oder IBM schlecht ist.

COMPUTERWOCHE: Wenn sich die Anwender auf einen Anbieter konzentrieren, stecken sie in einer gewissen Abhängigkeit, bekommen aber besser integrierte Pakete. Umgekehrt sind sie mit einer Multi-Vendor-Strategie zwar unabhängiger, haben aber mehr Arbeit mit der Integration der verschiedenen Produkte. Ist das nicht eine Zwickmühle, in der die Unternehmen derzeit stecken?

SAACKE: Nach meiner Beobachtung hat die Unabhängigkeit einen sehr hohen Preis. Die Unternehmen müssen heute einen gigantischen Aufwand treiben, Produkte unterschiedlicher Hersteller zu integrieren und zu orchestrieren. Natürlich birgt es eine gewisse Gefahr, zu Komplettanbietern zu wechseln. Die tragen auf der anderen Seite eine große Verantwortung, das Vertrauen der Kunden nicht zu missbrauchen. Unsere Aufgabe als Anwendervertretung ist, den Finger zu heben, wenn wir glauben, dass es an der einen oder anderen Stelle hakt. Wir müssen darauf achten, dass die Interessen der Anwender gewahrt bleiben. Es kommt gelegentlich vor, dass das Vertrauen der Anwender von den Anbietern missbraucht wird.

COMPUTERWOCHE: Passiert es denn, dass die Anbieter das in sie gesetzte Vertrauen brechen?

SAACKE: Gelegentlich - ein Beispiel ist die fehlende GoB-Zertifizierung (GoB: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung) der E-Business-Suite, die wir dann aber auf Druck der Doag bekommen haben. Das war ein klarer Vertrauensmissbrauch. Die Kunden hatten sich in der Vergangenheit für die Oracle-Software entschieden und waren es gewohnt, dass es in den Versionen 7, 8, 9, 10 und 11 immer diese GoB-Zertifizierung gegeben hat. Natürlich verlässt man sich als Kunde darauf, dass es auch in Release 12 eine entsprechende Zertifizierung geben wird. Wenn der Hersteller dies dann nicht mehr leistet, ist das aus Sicht der Anwender ein Vertrauensbruch. Dann sehen wir uns als Doag in Verantwortung und auch gefordert, die Hand zu heben. Zum Glück gelingt es in vielen Fällen, die Interessen der Anwender durchzusetzen.

Die Doag-Interviews der vergangenen Jahre:

Oracle-Roadmaps mit Unsicherheiten

COMPUTERWOCHE: Oracle hat es in der Vergangenheit teilweise versäumt, klare und verlässliche Informationen bezüglich der eigenen Roadmaps zu kommunizieren. Vielen Anwendern ist deshalb die Planung schwergefallen. Ist das nach wie vor ein Problem, gerade auch hinsichtlich der zahlreichen Übernahmen?

Doag-Geschäftsführer Fried Saacke: "Die Unsicherheiten rund um die Sun-Übernahme führen dazu, dass Anwender Investitionsentscheidungen hinauszögern."

SAACKE: Das ist immer noch eine Krux, die sich mit jeder weiteren Übernahme fortsetzt. Im aktuellen Fall Sun muss man aber Oracle in gewisser Weise in Schutz nehmen, weil die Kartellbehörden mit ihrer Untersuchung die Sache deutlich verzögern. Das führt dazu, dass die Signale von Seiten des Herstellers ausbleiben, was denn nun nach der Übernahme passiert. Solange Sun Sun war, war klar, wo der Weg hinführte. Es gab eine gewisse Transparenz. Das hat für Vertrauen gesorgt. Aktuell herrscht aber Unsicherheit: Was bleibt bestehen? Wird die Open-Source-Strategie fortgeführt wie bisher? Was geschieht mit den Hardwareprodukten? Gibt es künftig günstigere Oracle-Lizenzen für die x86-Architektur von Sun? Diese Unsicherheiten führen dazu, dass die Kunden Investitionsentscheidungen hinauszögern. Wenn das nicht möglich ist, werden zudem auch Alternativen in die Überlegungen einbezogen, die aus heutiger Sicht verlässlicher scheinen.

NEUGEBAUER: Dazu kommt, dass es Oracle bei Sun angesichts der breiten Produktpalette aus Hardware und Software schwerer fallen dürfte, eine Roadmap zu definieren, als beispielsweise nach der Übernahme von Bea. Hier stand der weitere Fahrplan relativ schnell. Dieser wurde schnell kommuniziert, und auch der Bea-Support war zügig in die Oracle-Organisation integriert. Die Kunden wussten bald nach der Übernahme, wie es weitergeht.

SAACKE: Die Bea-Kunden konnten schneller Vertrauen fassen, auch weil sie gesehen haben, wie Oracle bei den anderen Software-Übernahmen zuvor agiert hat. Im Sun-Umfeld wächst dagegen die Unsicherheit. Wichtige Fragen werden nicht beantwortet. Teilweise gehen bei Sun schon viele wichtige Ansprechpartner für die Kunden verloren. Sie sind einfach nicht mehr da, neue werden nicht benannt. Partner und Kunden hängen derzeit in der Luft. Das Sun-Geschäft ist ja im Wesentlichen partnergetrieben. Die Sun-Partner wissen derzeit auch nicht, was sie den Kunden erzählen sollen, weil sie ihrerseits keine verlässlichen Auskünfte bekommen.

COMPUTERWOCHE: Ist die Reaktion der europäischen Kartellbehörden aus Ihrer Sicht nachzuvollziehen?

SAACKE: Ich habe auch kein Verständnis dafür, wie krumm eine Banane sein muss. Aber das ist ein grundsätzliches Problem. Ich glaube, dass die wenigsten Verständnis für so viel Bürokratismus haben. Eine gewisse Kontrolle seitens der Kartellbehörden ist ja durchaus im Sinne der Bürger. Aber dass solche Prozesse dann so lange brauchen, ist einfach peinlich. Wir brauchen schnelle effiziente Entscheidungen. Beide Firmen sind transparent. Man müsste da eigentlich innerhalb weniger Wochen entscheiden können, ob der Deal den Regeln entspricht oder nicht. Es gibt keinen Grund, dass sich die Behörde bis Ende Januar 2010 Zeit lassen muss für ihre Entscheidung.

COMPUTERWOCHE: In welchem Maße schadet der ganze Hickhack Sun und damit letzten Endes auch Oracle?

SAACKE: Egal wie der Spruch der Kartellbehörde ausfällt: Schaden wird es Oracle am wenigsten. Am stärksten leiden die betroffenen Mitarbeiter von Sun und die Kunden. Man kann nur immer wieder darauf dringen, dass solche Entscheidungen schneller getroffen werden. Gerade die IT ist eine sehr schnelllebige Branche. Wenn hier einmal bei einem Hersteller ein Jahr nichts weitergeht, gerät er schnell ins Hintertreffen. Und Lawrence Ellison wird sich sowieso nicht von den Wettbewerbshütern beeindrucken lassen.

COMPUTERWOCHE: Sind Sie denn, von Sun einmal abgesehen, mit der Transparenz zufrieden, die Oracle mit seinen Roadmaps derzeit bietet?

SAACKE: Zufrieden ist immer relativ. Als Anwender wünscht man sich immer mehr Transparenz und weitere Blicke in die Zukunft, was der Hersteller plant. Aber an dieser Stelle stoßen natürlich auch unterschiedliche Interessen aufeinander: Der Hersteller will nicht zu viel versprechen, weil er daran in der Zukunft gemessen wird. Außerdem will man sich als Hersteller auch eine gewisse Bewegungsfreiheit erhalten, um schnell auf sich ändernde Marktgegebenheiten reagieren zu können. Oracle hat die Kunden im Grunde noch nie besonders tief in seine Pläne blicken lassen. Die Roadmaps waren immer ein bisschen oberflächlich. Aber grundsätzlich hat Oracle in der Vergangenheit in aller Regel einen verlässlichen Weg geboten, der in den seltensten Fällen dazu geführt hat, dass wichtige Produkte mit einem Mal nicht mehr verfügbar waren.

NEUGEBAUER: Bei Oracle werden die Entscheidungen auf internationaler Ebene getroffen, also im Rahmen von Emea oder direkt in der US-Zentrale. Hier brauchen wir einen engeren Kontakt mit den maßgeblichen Managern bei Oracle, die diese Entscheidungen fällen. Darüber hinaus stehen wir mit dem deutschen Management in engen Kontakt. Hier können wir beispielsweise Features vorschlagen, die sich Anwender im Rahmen einer Umfrage gewünscht haben. Von der deutschen Oracle-Niederlassung wird das dann an die US-Zentrale weitergeleitet. Insgesamt läuft es bei Oracle immer internationaler ab. Die Doag muss sich darauf natürlich einstellen. Die User-Gruppen sollten sich dementsprechend organisieren und möglichst gebündelt gegenüber dem Hersteller auftreten.

COMPUTERWOCHE: Wie wollen Sie das erreichen?

SAACKE: Es gibt bereits eine internationale Zusammenarbeit der User-Gruppen. Wir arbeiten an dieser Stelle mit anderen aktiven Nutzergruppen zusammen. Das gilt auch für die Applications-User. Für uns ist es wichtig, effizienter in die internationalen Gremien von Oracle hineinzukommen, um dort unsere Anliegen zu positionieren, uns zu vernetzen und unsere eigenen Interessen zu vertreten. Wir sind da auf einem guten Weg. Das merkt man auch daran, dass Oracle auf die Doag zukommt beispielsweise mit der Bitte, die Anwender zu fragen, welche Funktionen in dem nächsten Datenbank-Release integriert werden sollen. Wir wurden als einzige User Group außerhalb der USA dazu eingeladen, am Betatest von 11g R2 teilzunehmen. Das zeigt: Wir werden in der Produktentwicklung von Oracle wahrgenommen. Der Hersteller kommt auf die Doag zu und wünscht sich, dass von unserer Seite jemand dabei ist. Das liegt auch daran, dass unsere Teilnehmer einen konstruktiven Beitrag in diesen Gremien einbringen, der letztendlich auch dem Hersteller weiterhilft. Diese internationale Arbeit wollen wir im kommenden Jahr weiter verstärken.

Anwender wollen mit an den Rädchen drehen

COMPUTERWOCHE: Es scheint ein genereller Trend zu sein, dass die Anwender mehr Einfluss auf die Entwicklungen bei den Softwareherstellern nehmen wollen. Auch die DSAG (Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe) forciert formalisierte Prozesse rund um Eingaben und Feedback, um den Kurs von SAP zu beeinflussen.

SAACKE: Ich habe mich auch darüber gefreut, als ich das gelesen habe. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Die DSAG sitzt wenige Meter vom Topmanagement der SAP entfernt. Das Headquarter von Oracle liegt fast am anderen Ende der Welt, über 9000 Kilometer von uns weg. An die obersten Entscheider von Oracle heranzukommen ist für uns schon allein wegen der räumlichen Distanz wesentlich schwieriger. Natürlich freut es uns, wenn auch die SAP-User erkannt haben, dass sie mehr tun müssen. Wir merken es ja selbst: Wenn wir im Headquarter nicht wahrgenommen werden, können wir an den entscheidenden Rädchen nicht drehen. Am Ende des Tages liegt es aber auch im Interesse des Herstellers, stärker auf seine Kunden zu hören.

COMPUTERWOCHE: Oracle ist ein Konzern, der sehr zentralistisch geführt und gesteuert wird. Macht das die Sache für Sie schwieriger?

SAACKE: Das hat sich erst in den vergangenen zehn Jahren so entwickelt. Zuvor war das lokale Management viel stärker, viel entscheidungsfreudiger und sicher auch Oracle-intern viel stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden.

NEUGEBAUER: Wichtig ist für uns, die Informationen so rüberzubringen, dass sie auch in der Zentrale von Oracle verstanden werden. Zum Beispiel kümmern wir uns derzeit um das Thema Virtualisierung. Gerade hinsichtlich Lizenzierung bietet Oracle an dieser Stelle nur unbefriedigende Lösungen. Hier versuchen wir derzeit, die Informationen zu bündeln und im Management zu platzieren.

SAACKE: Früher hätte das nicht so geklappt: Heute kümmert sich Oracle-Deutschland darum, dass die Doag beim zentralen Management bei Oracle einen Termin bekommt, um ihre Anliegen zu präsentieren. Hier treffen sich die Interessen von Oracle Deutschland und der Doag. Wir verbünden uns und versuchen nicht gegeneinander zu arbeiten.

COMPUTERWOCHE: Virtualisierung stellt derzeit eine wichtige Technik für die Anwender dar, ihre IT-Landschaften effizienter zu betreiben. Warum tun sich die Softwarehersteller so schwer, ihre Lizenzmodelle daran anzupassen?

Doag-Vorsitzender Dietmar Neugebauer: "Sicher ist es legitim, dass ein Anbieter seine eigene Lösung favorisiert. Aber irgendwann muss man auch erkennen, wenn dies nicht funktioniert."

NEUGEBAUER: Oracle wird sich dem Trend nicht verschließen können. Der Hersteller forciert aber momentan seine eigene Virtualisierungslösung, die den Anwendern unter dem Lizenzierungsaspekt keine Probleme bereitet. Hier lässt sich exakt definieren, wie viele CPUs beispielsweise von der Datenbank genutzt werden - entsprechend lässt sich die Lizenzierung planen. Ganz anders stellt sich die Situation mit Virtualisierungslösungen anderer Hersteller dar. Hier behauptet Oracle, man könne nicht unterscheiden, welche Ressourcen die jeweilige Applikation nutzt. Deshalb müssen Anwender aus Oracle-Sicht ihre komplette Infrastruktur für die Oracle-Anwendungen lizenzieren - auch wenn auf Basis der Virtualisierung nur ein Teil davon genutzt wird. Das ist momentan der Stand der Dinge. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass sich diese Position auf Dauer halten lässt. Gerade weil es an dieser Stelle weit verbreitete Lösungen anderer Hersteller gibt wie beispielsweise VMware. Wir versuchen derzeit an dieser Stelle auf Oracle einzuwirken.

COMPUTERWOCHE: Und bewegt sich Oracle?

NEUGEBAUER: Hier muss sich etwas tun. Virtualisierung entwickelt sich zu einem Standard in den IT-Infrastrukturen der Kunden. Daran kommt man in Zukunft nicht mehr vorbei. Wir sprechen von Anwendern, die 50 bis 80 Prozent ihrer IT-Landschaften virtualisiert haben, und die dies eben nicht auf Basis einer Oracle-Lösung getan haben.

COMPUTERWOCHE: Warum sind viele Softwarehersteller an dieser Stelle so unbeweglich? Ist es die Angst, ihre Cashcow zu verlieren?

NEUGEBAUER: Oracle will offenbar die eigene Software im Markt positionieren und sieht nicht, welcher Bedarf eigentlich da ist. Sicher ist es legitim, dass ein Anbieter seine eigene Lösung favorisiert. Aber irgendwann muss man auch erkennen, wenn dies nicht funktioniert.

SAACKE: Das ist eine reine Vertriebsstrategie von Oracle. Anscheinend verspricht sich der Hersteller mit diesem Weg mehr Erfolg. Wir haben aus Anwendersicht natürlich ganz andere Interessen. Oracle hätte bessere Marktchancen, wenn das Unternehmen an dieser Stelle offener wäre. Aus meiner Sicht hätte es Oracle gar nicht nötig, die Anwender in eine bestimmte Richtung zu zwingen. Sie könnten alleine aufgrund ihrer technischen Leistungsfähigkeit genügend Marktanteile gewinnen.

COMPUTERWOCHE: Hätte Oracle denn Chancen in diesem Markt?

SAACKE: Die Kunden wollen keinen Zwang. Sie wollen, dass sie Oracle überzeugt, die eigene Lösung ist besser. Sicher bietet ein neutraler Anbieter wie VMware Vorteile. Es gibt aber auch etliche Bereiche, in denen Oracle punkten kann. Wenn allerdings Zwang mit ins Spiel kommt, hat das immer einen faden Beigeschmack. Dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Die Kunden nehmen es negativ auf, wenn man ihnen das Gefühl gibt, sie werden in eine gewisse Abhängigkeit getrieben. Nichts anderes bedeutet es: Wenn der Kunde Oracle-Produkte einsetzt, bekommt er einen vernünftigen Preis - setzt er VMware ein, muss er mehr zahlen. Das führt speziell hier in Europa zu einem Vertrauensverlust. Im europäischen Markt ist diese Politik kontraproduktiv. Das sieht das Oracle-Management aber aus einem Abstand von 9000 Kilometern zu wenig.

Oracle sollte auf die Marktsituation Rücksicht nehmen

COMPUTERWOCHE: Im Sommer dieses Jahres hat die Doag die Preiserhöhungen seitens Oracles kritisiert. Hat sich der Hersteller in dieser Sache mittlerweile bewegt?

SAACKE: Oracle hat die Lizenzpreise im Schnitt um etwa 20 Prozent angehoben, bei einzelnen Lösungen sogar deutlich darüber. Im Euro-Bereich hat sich diese Maßnahme wegen der ungünstigen Umrechnungskurse noch gravierender ausgewirkt. Für uns war diese Preiserhöhung nicht erklärlich. Ein Hersteller sollte schließlich auch auf die Situation und die Gegebenheiten im Markt eingehen und entsprechend agieren. Aus unserer Sicht ist es unverständlich, dass Oracle angesichts der schwierigen Situation, in der viele Unternehmen derzeit stecken, die Preise derart anhebt. Oracle kompensiert das zwar erfahrungsgemäß unterschiedlich stark durch Rabattierungen. Wir würden uns aber eher darüber freuen, wenn der Hersteller von vornherein eine marktgerechte und marktorientierte Preispolitik verfolgen würde und nicht im Nachhinein gigantische Rabatte gewähren müsste. Davon profitieren in erster Linie die großen Unternehmen, die auch hohe Volumina abnehmen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen haben davon erfahrungsgemäß weniger.

COMPUTERWOCHE: Wie hat Oracle auf Ihre Kritik reagiert?

SAACKE: Es gibt bislang keine Reaktionen von Oracle zu diesen Preiserhöhungen. Das hätte mich auch gewundert. Klar wäre es schön, wenn sich da noch etwas bewegt hätte. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus. Momentan gewährt Oracle lieber höhere Rabatte, als die eigene Preisliste noch einmal zu verändern.

COMPUTERWOCHE: Wie sah denn die Preisentwicklung in den vergangenen Jahren aus?

SAACKE: In den Jahren zuvor gab es für uns praktisch keine Veränderungen. In den USA wurden die Preise im vergangenen Jahr deutlich angehoben, etwa um die zehn Prozent. Doch das schlug durch Währungseffekte nicht nach Deutschland durch, so dass die Preise konstant blieben. Dafür kam es in diesem Jahr doppelt so dick. Es wäre zu wünschen, dass ein Hersteller an dieser Stelle flexibler und sensibler agiert und sich vor allem auch die einzelnen Märkte anschaut. Zudem ist es fraglich, ob es einem Hersteller hilft, wenn die Angaben auf den Preislisten und die in der Realität geforderten und erzielten Preise so weit divergieren. Für die Anwender ist das alles andere als durchsichtig.

COMPUTERWOCHE: Also sind die Preislisten nicht das Papier wert, auf denen sie gedruckt sind?

SAACKE: Im Prinzip machen das alle Softwarehersteller so. Auf der anderen Seite können die Anwenderunternehmen natürlich auch den Erfolgsdruck, unter dem Oracle steht, für sich und die eigene Verhandlungsposition nutzen. Das geht aber nur, wenn man als Kunde langfristig plant und sich auch genügend Zeit lässt, um mit Oracle zu verhandeln.

COMPUTERWOCHE: Wie sollten sich die Anwender konkret verhalten?

SAACKE: Niemals Lizenzen einsetzen, die man nicht besitzt. Eine Zwangsnachlizenzierung ist das teuerste, was einem passieren kann. Zudem zieht das die schlechtestmögliche Verhandlungsposition nach sich. Wenn Anwender ihre Lizenzierungsbasis sauber und transparent führen und dies auch dem Hersteller offenlegen können, gestaltet sich die Verhandlungsposition wesentlich besser. Steigen die Unternehmen zudem frühzeitig in die Verhandlungen ein, lassen sich erhebliche Nachlässe erzielen. Frühzeitig heißt im Idealfall: Der Geduldsfaden sollte im besten Fall bis zum Mai des jeweils kommenden Jahres reichen.

NEUGEBAUER: Hilfreich ist auch, die Alternativen gegenüber Oracle aufzuzeigen. Anwender sollten deutlich machen, dass sie sich als Unternehmen auch Produkte anderer Hersteller ansehen. Legt man sich von vornherein fest und lässt das den Hersteller auch spüren, engt sich der eigene Verhandlungsspielraum natürlich ein.

COMPUTERWOCHE: Trotz des wirtschaftlichen Drucks steigert Oracle seine Gewinne. Irgendetwas scheint der Hersteller also richtig zu machen.

NEUGEBAUER: Oracle konsolidiert wie viele andere Hersteller. Im Grunde betrifft das alle Bereiche im Konzern, von der Entwicklung bis zum Vertrieb. Damit versucht der Hersteller, seine Kosten zu reduzieren. Die Strategie, alles im Konzern zentral zu steuern, rührt unter anderem daher.

SAACKE: Oracle verdient an den Lizenzen nicht die entscheidende Marge. Die Gewinne resultieren hauptsächlich aus dem Support und der Wartung, also den Posten, die sich langfristig kalkulieren und gut optimieren lassen. Dieses Modell schafft im Grunde erst die Basis dafür, bei den Lizenzpreisen Rabatte einräumen zu können. Dazu kommt, dass sich auch im Rahmen der zahlreichen Übernahmen die Kosten drücken lassen. Das war zuletzt ein wichtiger Erfolgsbaustein für Oracle. Auch bei Sun ist im Grunde jetzt schon klar, welche Mitarbeiter auf der Verliererseite stehen: Das sind die Mitarbeiter in der Administration. Leute in der Entwicklung und im Vertrieb werden dagegen weiter gebraucht.

Nicht alle Applikationen sind "unlimited"

COMPUTERWOCHE: Oracle hat versprochen, alle übernommenen Produkte unbegrenzt weiterzuentwickeln und zu unterstützen. Ist aus Ihrer Sicht zu befürchten, dass Oracle dieses Versprechen angesichts des wirtschaftlichen Drucks aufweicht?

SAACKE: Das glaube ich nicht, da Oracle genau an dieser Stelle viel Geld verdient, indem die bestehenden Produkte weiterentwickelt und vermarktet werden. Natürlich lassen sich Produkt- und Release-Zyklen strecken und die Neuerungen ein wenig abspecken, aber ich glaube nicht, dass Oracle diese Einnahmenbasis grundsätzlich untergräbt und die notwendigen Entwicklungen, was beispielsweise gesetzliche Vorgaben betrifft, einstellt. Wir erwarten derzeit auch keine Entlassungen im Entwicklungsbereich bei Oracle. Wenn gespart wird, dann hauptsächlich in der Administration. Bedauerlich ist allerdings, dass teilweise ganze Produkte von dem Applications-Unlimited-Programm ausgeschlossen sind. Das ist zudem nicht immer transparent für die Kunden. In Deutschland betrifft das am stärksten den Bereich der Agile-E-Linie, dem ehemaligen Produkt von Eigner + Partner. Die Firma wurde von Agile übernommen, die dann von Oracle geschluckt wurden. Eigner + Partner haben eine leistungsstarke Product-Lifecycle-Management-Lösung (PLM) hergestellt. Diese Lösung ist in Europa vor allem im Bereich der Automobilzulieferer bei etwa 150 bis 200 Kunden im Einsatz. Diese Software ist von dem Applications Unlimited Programm ausgeklammert. Hier ist im vergangenen Jahr das letzte Release auf den Markt gekommen. Derzeit findet an dieser Stelle nur noch Support statt. Diese Kunden stehen natürlich vor der Entscheidung, was sie zukünftig machen sollen. Oracles PLM-Lösung deckt die Bedürfnisse dieser Klientel nur teilweise ab. Die Eigner + Partner-Lösung war wesentlich leistungsstärker.

COMPUTERWOCHE: Gibt es eine Erklärung von Seiten Oracles, warum diese Lösung nicht weiter unterstützt wird?

SAACKE: Es gibt keine offizielle Erklärung dazu. Allerdings lässt sich darüber spekulieren, dass die in der Lösung integrierte Entwicklungsumgebung der Auslöser dafür war. Durch diese Möglichkeiten haben die Kunden ihre Lösung natürlich stark an ihre individuellen Anforderungen angepasst. Damit sind sehr viele unterschiedliche Varianten dieser Lösung draußen im Einsatz. Es ist sehr schwierig, diese wieder in eine Art Standard zu überführen. Außerdem kann es gut sein, dass, durch die weltweite Oracle-Brille gesehen, 150 oder 200 Kunden zu wenig sind, um das Produkt fortzuführen. Aber Oracle äußert sich nicht offiziell dazu.

COMPUTERWOCHE: Gibt es noch weitere Produkte, die durch Oracles Supportnetz gefallen sind?

SAACKE: Keine wesentlichen Produkte zumindest. Es gibt an dieser Stelle allerdings wenig Transparenz. Oracle hat nicht gesagt, welche Programme herausgefallen sind, sondern bekannt gegeben, welche Anwendungen im Programm enthalten sind. Wir haben bis dato aber von keinem anderen wichtigen Produkt mitbekommen, dass es Probleme gibt.

COMPUTERWOCHE: Was bleibt den Anwendern mit der alten Agile-Lösung nun übrig?

SAACKE: Es hat den Anschein, dass es gerade im PLM-Umfeld aufgrund der komplexen Anforderungen der Anwenderunternehmen relativ wenige Alternativen gibt. Ich gehe davon aus, dass die meisten Anwender der alten Agile-E-Linie versuchen werden, ihre Lösung so weit wie möglich in die Zukunft zu retten. Das funktioniert in der Regel auch zehn bis 15 Jahre problemlos.

Der J.D.-Edwards-Markt in Deutschland ist tot

COMPUTERWOCHE: Wie steht es um andere Altanwendungen wie beispielsweise J.D. Edwards?

SAACKE: Aus unserer Sicht ist J.D. Edwards auf dem deutschen Markt tot. Seit der Übernahme durch Oracle ist nicht erkennbar, dass es eine nachhaltige Entwicklung in Richtung Neukundengeschäft gibt. Die Bestandskunden setzen nach wie vor überwiegend die alte Technik auf Basis der AS/400 ein. Die Initiativen Oracles in diesem Umfeld, die weltweit angeblich auch von Erfolgen gekrönt sind, kommen in Deutschland überhaupt nicht an. Ich sehe auch nicht, dass sich Oracle wirklich bemüht, den J.D. Edwards-Markt zu adressieren. Die Mitarbeiter in diesem Umfeld werden immer weniger. Es ist bedauerlich, dass Oracle in einen Markt, der sich schlecht entwickelt, nicht investiert, sondern sich nur auf die Dinge konzentriert, die sowieso schon gut laufen. Das ist in Deutschland vor allem Siebel. Hier stürzt sich bei Oracle alles darauf, dieses Umfeld noch erfolgreicher zu machen. Auch das J.D. Edwards-Geschäft könnte gut laufen, hat aber keine Sponsoren innerhalb von Oracle. An dieser Stelle hat der Hersteller keinen langen Atem.

COMPUTERWOCHE: Ist Oracle das Risiko zu groß?

SAACKE: Oracle sagt gar nichts dazu. Die Verantwortlichen beschäftigen sich mit dem Thema nicht. Es fällt durch das weltweite Raster einfach durch. Die Strategien werden aus einem weltweiten Blickwinkel entwickelt, aber nicht aus einem lokalen. Das lokale Management ist dann darauf bedacht, kurzfristige Erfolge auf Basis dieser weltweiten Strategie zu erzielen. Das sind reine Umsetzer, die daran gemessen werden, ob sie ihre Quartalsvorgaben schaffen. Sie haben zudem kein eigenes Investitionsbudget, mit dem sie einen eigenen Markt entwickeln könnten.

COMPUTERWOCHE: Und da fallen Produkte wie J.D. Edwards irgendwann einfach hinten runter?

SAACKE: Genau das ist der Fall. Ich glaube, Oracle könnte hierzulande wirklich einen Marktanteil von zehn Prozent im Applications-Bereich schaffen, wenn sich der Konzern endlich einmal ernsthaft engagieren würde. Im Grunde sind Oracles Marktanteile hierzulande eher peinlich. Es gibt genügend unzufriedene SAP-Kunden, die unter der Marktmacht ihres Softwarelieferanten leiden. Hier könnte Oracle doch anknüpfen. Aber Kunden, die sich auf diesen Weg begeben, sind nach wenigen Jahren sauer, weil hinterher wenig passiert und sie letztendlich alleine stehen. Es gibt zu wenige Kunden, und das zieht dann wieder Probleme mit der Lokalisierung nach sich.

Fusion Applications werden nicht der große Wurf

COMPUTERWOCHE: Oracle arbeitet seit Jahren mit Hochdruck an der neuen Linie der Fusion Applications. Hier ist es allerdings in letzter Zeit relativ still geworden. Wie ist Ihr Eindruck?

SAACKE: Das sehen wir relativ unkritisch. Für die Kunden ist wichtig, dass die bestehenden Produkte, die sie im Einsatz haben, weitergepflegt werden. Wenn es irgendwann eine interessante Alternative dazu gibt, dann kann man sich ja überlegen, dorthin zu wechseln. Außerdem ist es auch nicht ganz still um Fusion Applications geworden. Oracle hat den Schwerpunkt nur ein wenig verlegt. Wenn man sich die aktuelle Fusion Middleware ansieht, finden sich dort viele wichtige Funktionen die die technische Basis für die Fusion Applications legen. Man kann hier schon erkennen, in welche Richtung es geht.

COMPUTERWOCHE: Wohin denn?


Die DOAG wollte in einer Umfrage von ihren Mitgliedern wissen, wie sie Oracle-Software einsetzen und welche Chancen sowie Risiken sie dabei sehen.

Oracle-Kunden sind in erster Linie Datenbanknutzer. Unter Middleware verstehen die meisten den Applikations-Server des Herstellers.

Mit Budgetkürzungen dürften nicht nur Oracle-Kunden konfrontiert sein.

Viele Firmen sehen trotz Krise Bedarf an Unternehmenssoftware.

Fachkräfte fehlen nach wie vor. Vor allem Experten, die Technik und Geschäftsprozesse gleichermaßen begreifen und umsetzen können.

An IT-Funktionen mangelt es den Anwendern offenbar nicht. Bekanntlich nutzen viele Firmen (nicht nur Oracle-Nutzer) die Features ihrer Software nur zum Teil.

Die Umsetzung von Business-Plänen verbinden Firmen mit IT-Investitionen. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass in dieser Studie IT-Fachleute befragt wurden.

Mit „Stabilität der Systeme“ meint die DOAG zum Beispiel verlässliche Release- und Produktpolitik.

SAACKE: Es wird sicher nicht der große Wurf einer komplett neuen Software sein. Vielmehr sind Module aus alter und neuer Software geplant, die sich auf Basis der Oracle-Middleware miteinander verknüpfen lassen sollen. Es wird vermutlich so aussehen, dass sich die Anwender zusätzliche Funktionalität kaufen können, ohne jedoch die alten Lösungen ablösen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr dazu etwas hören werden. 2010 soll es dann eine große Roadshow zu den Fusion Applications geben. Das lässt zumindest erahnen, dass nun größere Schritte kommen werden.

COMPUTERWOCHE: Die Diskussion der vergangenen Jahre war meist sehr technikgetrieben. Doch das interessiert die Anwender eigentlich nicht?

SAACKE: Absolut richtig. Wir brauchen stabile Lösungen, möglichst aus einer Hand. Die Anwender können es sich heute nicht mehr leisten, die ganze Integrationsarbeit selbst zu übernehmen. Das wird künftig ein entscheidendes Kaufkriterium sein. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Plattform wie die Fusion Middleware für einen Hersteller sehr hilfreich, die Kunden von den eigenen Lösungen zu überzeugen. Die Tatsache, dass sich Bea in Oracles Produktportfolio durchgesetzt hat, ist zudem ein Beleg dafür, dass Oracle eine klare Strategie verfolgt, sich gezielt verstärkt. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch der Sun-Kauf gut überlegt ist. Ich glaube nicht, dass die Idee zu dem Deal zufällig auf dem Golfplatz entstanden ist.

COMPUTERWOCHE: Welche Chancen werden die Fusion Applications im Markt haben?

SAACKE: Die Fusion Applications werden auf der Basis einer stabilen und breit aufgestellten Technologie erfolgreich sein. Welchen Mehrwert kann man als Hersteller noch auf der reinen Anwendungsseite erzielen? Hier gibt es im Grunde schon alles, was der Markt brauchen könnte. Die Integrationsproblematik ist das Entscheidende in diesem Umfeld. Wenn ich als Anwender mein SAP Financials und mein Siebel-basierendes CRM-System auf einer gemeinsamen Technikplattform nutzen kann und der Hersteller garantiert mir, dass das problemlos funktioniert, dann spare ich mir als Kunde den ganzen Integrationsaufwand.

COMPUTERWOCHE: Wie offen und standardisiert sind diese Integrationsplattformen wirklich?

SAACKE: Wenn die Anwendungen zertifiziert sind, dürfte es keine Probleme geben. Der Anbieter der Plattform ist dann gefordert. Ein Beispiel: Anwender betrieben früher ihre E-Business-Suite von Oracle. Wenn daran ein SAP-System gekoppelt werden sollte, dann gab es eine Schnittstellenbeschreibung, wie die Daten in und aus dem System zu bekommen sind. Ob das allerdings funktioniert, hat Oracle nicht garantiert. Das ist heute anders, wenn ich ein SAP-Release einsetze, das von Oracle für die Fusion-Middleware zertifiziert ist. Für die Kunden ist das ein deutlicher Mehrwert.

COMPUTERWOCHE: Entfällt damit auch das aufwändige Testing bei jedem Release-Wechsel?

SAACKE: Das Testen wird auch in Zukunft erforderlich sein. Kaum ein Kunde setzt SAP oder Oracle im Standard ein. Die Komplexität bleibt, aber die Unterstützung durch die Hersteller reicht weiter. Trotzdem wird man als Anwender seine Lösungen auch in Zukunft weiter testen müssen. Kein Unternehmen kann es sich schließlich leisten, dass die Produktion stillsteht, nur weil die IT mal schnell blauäugig ein Softwaremodul ausgetauscht hat. Aber die Initiativen der Anbieter stellen aus meiner Sicht eine Hilfe dar, wodurch die Komplexität in einem gewissen Grad beherrschbar bleibt.

Support geht zu wenig auf nationale Aspekte ein

COMPUTERWOCHE: In der Vergangenheit gab es oft Kritik am Oracle-Support. Hat sich das mittlerweile gebessert?

NEUGEBAUER: Mit dem Support gibt es derzeit kaum Probleme. Wir haben ein Kompetenzcenter eingerichtet, an das sich Anwender in Support-Fragen wenden können. Hier gibt es aber aktuell nur wenige Anfragen. Spannend wird es, wenn Oracle seine Online-Support-Plattform umstellt. Hier ist man auf Seiten der Anwender etwas skeptisch, ob auch alle Anforderungen wie beispielsweise in Sachen Sicherheit erfüllt werden. Da herrscht momentan eine gewisse Unsicherheit.

SAACKE: Es geht zum Beispiel um die Flash-Player-Technik in der Support-Plattform. Es gibt Unternehmen, die diese Technik intern noch nicht freigegeben haben und die jetzt dazu gezwungen werden, dies zu tun, wenn sie online auf die Support-Plattformen zugreifen wollen.

COMPUTERWOCHE: Bei vielen Unternehmen gärt die Unzufriedenheit über Support- und Wartungskonditionen. Das hat beispielsweise der Aufstand der SAP-Kunden im vergangenen Jahr gezeigt.

SAACKE: Im Vergleich zur Kritik der SAP-User-Group ist unsere Kritik anders gelagert. Oracle hatte seine Support-Leistungen im Standard verbessert. Durch die Zentralisierung fiel jedoch die Leistung, die beim Kunden ankam, teilweise schlechter aus. Das war in der Vergangenheit unser Hauptkritikpunkt in Sachen Oracle-Support. Früher war das Support-Zentrum in Deutschland, heute ruft der Kunde an und erwischt irgendjemanden irgendwo auf dem Globus. Früher kannten die Anwender ihre Ansprechpartner bei Oracle. Diese gefühlte gute Beziehung ist dadurch weggebrochen, dass der Support weitgehend zentralisiert und anonymisiert wurde. Dadurch kam schlechtere Leistung bei den Kunden an - zumindest teilweise. Hier haben wir deutlich gemacht, dass sich das ändern muss.

COMPUTERWOCHE: Hat sich schon etwas verbessert?

SAACKE: Geblieben ist sicher, dass der internationale Support zu wenig auf nationale Aspekte eingehen kann. In Summe haben sich die Kunden an diese Dinge gewöhnt. Die Unternehmen haben sich auch weiterentwickelt und ihre eigenen Prozesse an den Oracle-Support angepasst. Die Kritik der SAP-Anwender war anders gelagert, eher auf der kaufmännischen Ebene: Für die gleiche Leistung sollen sie mehr Geld bezahlen.

COMPUTERWOCHE: Wobei die SAP-Kunden auch flexiblere Wartungsmodelle fordern. Würden Sie sich dem anschließen?

SAACKE: Das ist auch bei Oracle vereinheitlicht. Früher gab es verschiedene Optionen, heute nicht mehr. Ich habe aber auch nicht das Gefühl, dass sich die Oracle-Kunden an dieser Stelle mehr Flexibilität wünschen. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Preis-Leistungs-Gefühl ausgewogen ist. Es ist in den seltensten Fällen so, dass ein Kunde nur Updates benötigt. Außerdem: Wenn ich für ein System A Support einkaufe und für System B nicht, nutze ich im Endeffekt den Support ja doch für beide Systeme.

COMPUTERWOCHE: Aber es gab doch das Problem, dass ein Kunde ein altes Oracle-System aus der Wartung nehmen wollte, dies aber von Seiten Oracles nicht durfte - es sei denn er nimmt alle Oracle-Systeme aus der Wartung.

SAACKE: Das war ein anderes Problem. Es gibt Kunden, die alte Oracle-Systeme beispielsweise für Archivzwecke betreiben. Wenn ich als Anwender im Archiv alte Datenbanken in Version 6 oder 7 einsetze, Oracle aber für diese Systeme bereits jeglichen Support eingestellt hat und die Anwender auch keine Bugfixes oder Ähnliches mehr bekommen, dann fragen sich diese Anwender natürlich, warum sollen sie für so ein System Support bezahlen. Oracle hatte an dieser Stelle keine Ausnahme gemacht und diese Altsysteme mit in den Support eingerechnet. Mittlerweile hat die Doag mit dem Support-Verantwortlichen auf Emea-Ebene ein Agreement erreicht, dass Oracle in diesen Fällen auf individueller Ebene flexible Lösungen anbietet. Seitdem ist uns auch kein Fall mehr zugetragen worden, dass Oracle dies nicht umgesetzt hätte. Oracle hat zwar nicht die Geschäftsbedingungen geändert, räumt den Kunden aber Einzelvereinbarungen ein, nach denen dann solche Altsysteme aus den Supportvereinbarungen herausgenommen werden dürfen. Das war ein Erfolg, an dem wir ein Jahr gearbeitet haben.

COMPUTERWOCHE: Für eine bessere Supportqualität hatten Sie die Oracle-Anwender in der Vergangenheit aufgefordert, die Tools, die dafür zur Verfügung stehen, auch stärker zu nutzen. Ist das mittlerweile der Fall?

SAACKE: Dabei ging es hauptsächlich um die präventiven Analyse-Tools, die Oracle anbietet, beispielsweise um Health-Checks der Datenbank oder Werkzeuge, die die gesamte Konfigurationsumgebung der Datenbank auslesen. Hier haben wir die Anwender dazu motiviert, diese Tools auch zu nutzen. Dabei gab es jedoch unterschiedliche Positionen: Auf der einen Seite sollte der Oracle-Support aus Sicht der Kunden individueller auf die individuellen Gegebenheiten eingehen. Andererseits haben gerade deutsche Unternehmen Bedenken wegen Fragen der Sicherheit angemeldet. Allerdings ist es ja nicht so, dass Firmendaten nach außen gegeben werden, man meldet lediglich die Konfigurationsparameter der Datenbank. Zudem gibt es auch eine Offline-Version, so dass die Daten nicht unkontrolliert das Unternehmen verlassen und bei Oracle eingespielt werden.

NEUGEBAUER: Hier wird sich mit der neuen Version der Support-Plattform auch noch einiges ändern. Eine der wichtigen Änderungen ist, dass Oracle beispielsweise dedizierte Diagnose-Directories geschaffen hat. Diese Daten lassen sich zusammenpacken und als Anhang zum Service-Request an Oracle schicken.

SAACKE: Es handelt sich letztendlich um eine Verbesserung, die Oracle auf die Forderungen der Kunden hin weltweit bereitgestellt hat. Dann muss man als Anwender fairerweise auch diese Tools nutzen. Sonst dürfen wir uns nicht beschweren. Es gibt keinen Grund, diese Werkzeuge aus Sicherheitsbedenken nicht zu nutzen.

Oracle muss sich mehr an den Hochschulen engagieren

COMPUTERWOCHE: Sie haben im vergangenen Jahr auf der Doag-Konferenz eine Hochschulinitiative gestartet. Wie entwickeln sich diese Aktivitäten?

SAACKE: Wir sehen an dieser Stelle einen stark wachsenden Bedarf. Mittlerweile gibt es an sechs Hochschulen Regionalgruppen. Außerdem werden wir das Studentenprogramm in diesem Jahr auf dem Kongress auf 60 Studenten verdoppeln können. Das Motto heißt wieder "Arbeit für Bildung". Die Studenten müssen einen Tag mitarbeiten und können dann zwei Tage die Konferenz besuchen. Das kommt gut an und wird auch von einzelnen Hochschulen zusätzlich gefördert, beispielsweise mit Reisekostenzuschüssen für die Studenten.

COMPUTERWOCHE: Unterstützt Oracle diese Initiativen?

SAACKE: Oracle engagiert sich in diesem Umfeld zu wenig. Wir sehen nach wie vor, dass Oracle zu wenig dafür tut, dass genügend Fachkräfte am Markt vorhanden sind - insbesondere im Applications-Umfeld. Ohne Fachkräfte können Hersteller auch keine Produkte verkaufen. Es gibt kein großes E-Business-Suite- oder Siebel-Projekt, in dem nicht die Berater aus ganz Europa zusammengetrommelt werden müssen. Das hebt die Preise und die Projektrisiken - und verunsichert letztlich auch die Kunden. Das ist aus unserer Sicht eine dramatische Entwicklung und wir verstehen nicht, dass Oracle an dieser Stelle nicht etwas mehr Engagement zeigt. Es gilt, das Übel an der Wurzel zu packen und schon die Studenten an den Hochschulen dazu zu motivieren, sich mit Oracle-Produkten zu beschäftigen. Die sollen schließlich nicht von der Hochschule abgehen und nur nach SAP schreien. Das ist natürlich im Applikationsumfeld extrem. Bei den Datenbanken sieht das ganz anders aus. Aber auch bei der Middleware müsste deutlich mehr passieren.

COMPUTERWOCHE: Andere Anbieter wie SAP und IBM sind im Hochschulumfeld wesentlich aktiver.

SAACKE: Das stimmt, andere Anbieter tun wesentlich mehr. Dazu kommt, dass die von Oracle geforderten Zertifizierungen für die Studenten zu schwer zu erreichen sind. Man kann an den Universitäten derzeit nur einen Oracle Certified Associate ablegen. Das ist aber im Grunde ein Low-Level-Einstieg, der vom Markt wenig akzeptiert ist. Demgegenüber ist der Oracle Certified Professional studienbegleitend nicht zu erreichen, weil die finanziellen Hürden für die Studenten zu hoch liegen.