SAP effizienter machen

Operative Cockpits beschleunigen Abläufe

07.09.2012 von Siegbert Kern und Mark Zimmermann
Mitarbeiter brauchen die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dabei helfen können operative Cockpits im SAP-System, wie folgende Beispiele zeigen.

Es geht nicht nur um die großen Entscheidungen, die den Kurs eines Unternehmens auf lange Sicht festlegen. Tagtäglich müssen die einzelnen Mitarbeiter in ihren Fachbereichen viele Einzelentscheidungen treffen, die letztlich über Erfolg und Misserfolg einer Firma bestimmen. Der Händler muss seine Warenströme disponieren, der Lagerleiter seine Bestände möglichst effizient planen und der Vertriebsmitarbeiter seine Kunden im Blick behalten.

Die Anforderungen an die Unternehmen hinsichtlich Kundenservice, Lieferfähigkeit und Kundenzufriedenheit steigen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen daher stetig ihre Geschäftsprozesse verbessern, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig und wirtschaftlich handeln zu können. Im strategischen und administrativen beziehungsweise taktischen Bereich gibt es eine Reihe von Ansätzen und Lösungen, um den Entscheidern alle für eine Entscheidung relevanten Informationen kompakt, übersichtlich und zeitnah zur Verfügung zu stellen. Die allgemein als Management-Cockpit bekannten Werkzeuge dienen dem Zweck, Entscheidungen schneller und passgenauer zu treffen. Die Bandbreite der entsprechenden Lösungen beginnt bei einfachen Auswertungen (Reports) und reicht über Management-Informationssysteme bis zu komplexen Business-Intelligence-Systemen.

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Im operativen Bereich konzentrierten sich die Unternehmen zuletzt stärker darauf, Prozesse zu automatisieren. Jedoch nimmt die Verantwortung der Mitarbeiter zu, die in diese operativen Prozesse involviert sind. An diesen Stellen müssen täglich Entscheidungen getroffen werden, die zwar nicht die Tragweite von strategischen und taktischen Entscheidungen haben, aber direkten Einfluss auf die Zufriedenheit von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern sowie auf die Wirtschaftlichkeit der operativen Prozesse haben. Durch die stärkere Aufgabenkonzentration und zunehmende Verantwortung ist es auch im operativen Bereich notwendig, den Beschäftigten Hilfsmittel an die Hand zu geben, um besser und schneller die richtigen Entscheidungen und Maßnahmen treffen und einleiten zu können.

Ein organisatorisches Mittel ist es, den Mitarbeitern mit überwiegend operativen Aufgaben im Sinne eines 360-Grad-Rundumblicks alle für ihre Arbeit relevanten Informationen und Funktionen übersichtlich und kompakt zur Verfügung zu stellen.

Dies bietet sich in zahlreichen Funktionsbereichen an, beispielsweise im Kundenservice, in der Disposition, im Einkauf, in der Produktion und im Lager. Ziel ist dabei, dass die Mitarbeiter wesentliche Informationen für eine Entscheidung beispielsweise über den Kunden, über einen Vorgang oder eine Situation nicht übersehen, und unmittelbar nachdem sie eine Entscheidung getroffen haben, die richtigen Folgeschritte einleiten können.

Die Anforderungen dazu sind von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Betriebliche Standardsoftware bietet aufgrund der individuellen Gegebenheiten oft keine maßgeschneiderte Lösung für die speziellen Anforderungen der Unternehmen, damit diese ihre Organisation und Arbeitsweise flexibel den Marktgegebenheiten anpassen können. Die Mehrzahl der erforderlichen Funktionen und Daten zu einem Vorgang oder zu einer Aufgabe sind zwar in vielen Informationssystemen vorhanden, aber häufig auf verschiedene Oberflächen beziehungsweise Masken verteilt. Viele Aufgaben erfordern situationsbedingt und je nach Unternehmen unterschiedliche Folgeschritte. Die in Standardsoftware verteilten Funktionen lassen sich jedoch selten vom Anwender direkt aus einer kompakten Darstellung heraus und in der benötigten Kombination anstoßen. Vielfach ist es auch nicht möglich, fehlende Funktionalität Release-fest in eine bestehende grafische Oberfläche zu integrieren.

Lösungsansatz: Operative Cockpits

Um in bestehender Standardsoftware die genannten Anforderungen unternehmensspezifisch und wirtschaftlich umzusetzen, eignen sich operative Cockpits. Der Fachbereich Informatik der Fachhochschule Gelsenkirchen hat gemeinsam mit der IOT Institut für Organisations- und Technikgestaltung GmbH Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten von operativen Cockpits untersucht, insbesondere im Hinblick auf das SAP-ECC-System. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden im Folgenden vorgestellt.

  1. Operative Cockpits stellen prozessrelevante Daten einer operativen Aufgabe oder eines Teilprozesses übersichtlich in einem Anwendungsdialog dar und unterstützen eine benutzer- und gruppenorientierte Gestaltung der Oberfläche.

  2. In einem operativen Cockpit sind alle benötigten Anwendungstransaktionen zusammengefasst, um die Navigation zu vereinfachen und die Einleitung von Folgeschritten zu beschleunigen.

  3. Im Hinblick auf SAP bieten operative Cockpits für Anwender einen zentralen Einstieg in das SAP-System.

  4. Die Einsatzbereiche von operativen Cockpits erstrecken sich von operativen Planungsaufgaben über Steuerungsaufgaben bis zu ausführenden Tätigkeiten.

  5. Für die operative Planung ist es wichtig, die zur kurzfristigen Planung notwendigen zentralen Daten und Funktionen bereit zu stellen sowie definierte Zwischen- und Endstände speichern und jederzeit bearbeiten zu können, zum Beispiel für eine laufende Prognose mit anschließender Disposition.

  6. Für Steuerungsaufgaben ist ein schneller und gezielter Überblick über Zustände und Status von Objekten einzeln und im Kontext erforderlich wie beispielsweise Lagerzustände und Auftragsstatus. Gleichzeitig müssen alle Funktionen für die direkte Prozessbeeinflussung in einem operativen Cockpit bereitgestellt werden.

  7. Um ausführende Tätigkeiten zu beschleunigen, müssen alle für die Tätigkeit relevanten Informationen kompakt und übersichtlich dargestellt werden.

  8. In den meisten Fällen erfordern ausführende Aufgaben auch eine Datenerfassung. Diese muss im Zusammenspiel mit der Informationsdarstellung so komfortabel ausgestaltet sein, dass noch fehlende Daten schnell und fehlerfrei erfasst werden können, zum Beispiel beim telefonischen Kundenkontakt.

Folgende drei Beispiele veranschaulichen, wie sich operative Cockpits in der Praxis einsetzen lassen.

Prognose-Cockpit zur operativen Planung und Disposition

Das Prognose-Cockpit wurde entwickelt, um der Disposition eines Versandhändlers die Möglichkeit zu geben, Prognosedaten aus Vergangenheitsdaten und laufenden Ist-Daten zu gewinnen. Die Standardfunktionalitäten von SAP reichen für die Anforderungen jedoch nicht aus, um

Prognose-Cockpit
Foto: Siegbert Kern/FH Gelsenkirchen

Die mit dem Prognose-Cockpit ermittelten und überarbeiteten Daten bilden die Grundlage für eine automatisierte Nettobedarfsrechnung. Auf Basis von Auswahlkriterien und Prognosefaktoren werden in der Hauptanzeige des Prognose-Cockpits die Artikel mit Ihren Lieferanten und den prognostizierten Werten angezeigt. Durch Markierung einer Zeile werden in der zweiten Anzeigetabelle die Prognosedetails zu einem Artikel dargestellt. In einer dritten Tabelle lassen sich ergänzende Daten zur Prognose auflisten. In den Toolbars sind Funktionen hinterlegt, die es Anwendern ermöglichen, die Prognosedaten manuell zu ändern und das erzielte Ergebnis abzuspeichern.

Mithilfe des Prognose-Cockpits ist es möglich, den SAP-Standard Release-fest um zusätzliche Funktionalität zu ergänzen und diese in den Standardgeschäftsprozess des SAP-Systems zur Disposition und Bestellung zu integrieren. Durch die flexible Positionierung von tabellarischen Anzeigen und Eingaben sowie funktionale Buttons ist eine übersichtlichere und schnellere Bearbeitung durch den Nutzer möglich.

Leitstands-Cockpit zur Lagersteuerung

Das Lagerleitstands-Cockpit dient den Mitarbeitern eines Distributionslagers, die Auslieferungen zu bearbeiten und den Nachschub zu steuern. Das Cockpit erlaubt den Anwendern, hierzu Auslager-, Kommissionier- und Nachschubaufträgen zu simulieren. Zusätzlich können Anwender die Simulationsdaten manipulieren und Lageraufträge teilweise oder komplett freigeben. Eine solche Simulation und Möglichkeiten zur Teil- und Komplettfreigabe sind im SAP-Standard derzeit nicht möglich.

Leitstand-Cockpit
Foto: Siegbert Kern/FH Gelsenkirchen

Nach Auswahl der zu bearbeitenden Auslieferungen wird für diese eine Simulation erstellt und die Ergebnisse im viergeteilten Hauptdialog des Cockpits angezeigt. Im ersten Bereich sind die erwarteten Auslager-, Kommissionier- und Nachschubaufträge mit ihrem Bearbeitungsstatus und der Verteilung auf die verschiedenen Lagerbereiche dargestellt. Im zweiten Bereich zeigt das Cockpit Informationen zum Bearbeitungs- und Freigabestatus der Simulation an, während der dritte Bereich relevante Informationen zu den Auslieferungen und die Ergebnisse der Bestandsprüfungen umfasst. Der vierte Bereich schließlich beinhaltet das Ausführungsprotokoll der Simulation.

Die Toolbars des Lagerleitstands-Cockpits umfassen beispielsweise Funktionen, um Lageraufträge freizugeben und Kommissionierarten wie papiergestützt oder papierlos festzulegen. Die Hotspots dienen der Navigation in verwandte Dialoge, wie zum Beispiel der Anzeige von Details zum Lagerauftrag und der Artikelbestände zur Auslieferung. Das Leitstands-Cockpit ergänzt den SAP-Standard um Funktionen zur Simulation von Lageraufträgen mit Freigabefunktionen. Damit wird die Darstellung von Was-wäre-wenn-Szenarien auf Basis der aktuellen Situation im Lager möglich sowie eine konkrete Lastvorschau für die Steuerung der Auslastung des Personals und der automatischen Förderanlagen. Die kompakte Darstellung macht die Mitarbeiter auf notwendigen Handlungsbedarf aufmerksam beispielsweise bei Überlastung und die direkte Verknüpfung mit Funktionen erlaubt die zeitnahe Einleitung von Folgeschritten zum Beispiel die Änderung der Versandart.

Kunden-Cockpit für ausführende Tätigkeiten

Das Kunden-Cockpit unterstützt Mitarbeiter eines Versandhandelsunternehmens beim telefonischen Kundenkontakt. In einem zentralen Dialog stellt das Tool wichtige Daten zur Geschäftsbeziehung mit dem Kunden dar. Damit werden die Anwender in die Lage versetzt, schneller Auskünfte zu geben. Gleichzeitig bietet das Kunden-Cockpit einen zentralen Einstieg in die Pflege der Kundenstammdaten und die Bearbeitung der Kundenaufträge.

Kunden-Cockpit
Foto: Siegbert Kern/FH Gelsenkirchen

Nach Auswahl des Kunden über die Kundennummer oder andere Angaben wie Name und Adresse lassen sich im Hauptdialog des Cockpits diverse Informationen zum Kunden anzeigen wie zum Beispiel die Kundenstammdaten, Notizen und assoziierte Kundenaufträge mit dem jeweiligen Status. Die Toolbars erlauben Anwendern, direkt in die Stammdatenpflege einzusteigen und verzweigen in die entsprechenden Standard-Transaktionen des SAP-Systems. Ebenso ist die Navigation in die Transaktion zur Auftragserfassung möglich sowie die Anzeige weiterer Details wie beispielsweise des Kundenstammblatts.

Das Kunden-Cockpit bündelt diverse für die Kommunikation mit dem Kunden relevante Informationen. Dies gewährleistet einen schnellen Überblick über die Geschäftsbeziehung und verbessert die Auskunftsfähigkeit der Mitarbeiter im Kundenservice. Zudem beschleunigt der zentrale Einstiegsdialog die Navigation im SAP-System und erleichtert auch ungeübten Mitarbeitern einen schnellen Zugang zum System.

Framework erleichtert Implementierung

Auf Basis der in SAP ECC 6.0 vorhandenen Techniken wurde ein objektorientiertes Entwicklungs-Framework geschaffen, das es erlaubt, operative Cockpits schnell und kostengünstig zu entwickeln. Ein solches Cockpit mit wenigen fachlichen Funktionalitäten lässt sich damit schon in wenigen Personentagen entwickeln. Die Benutzer können diese selbst konfigurieren beispielsweise in der Form der Informationsdarstellung, der Navigation sowie der zu nutzenden Funktionen.

Das Entwicklungs-Framework bietet neben einem universellen Rahmenablauf für Dialoganwendungen und Standarddiensten wie zum Beispiel Objektsperren und Mehrbenutzerunterstützung auch Funktionen für die benutzer- und gruppenspezifische Oberflächengestaltung über einfaches Customizing. Bereits entwickelte Cockpits sind in Form von Add-Ons zum SAP-Standard realisiert und lassen sich über ein umfangreiches Customizing für die jeweilige Anwendung konfigurieren. Die Cockpits sind zudem vollständig in die SAP GUI integriert und nutzen die SAP-Standardfunktionen und das SAP-Datenmodell.

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Konfigurierbare Hotspots und Toolbars sorgen für die direkte Verknüpfung von Daten und Funktionen. Diese Hotspots ähneln in ihrer Funktion den bekannten Hyperlinks und beschleunigen die Navigation, wobei das verknüpfende Objekt und das Navigationsziel konfigurierbar sind. Toolbars sind ebenfalls konfigurierbar: Die auszuführenden Funktionen lassen sich als Plug-Ins zum Cockpit realisieren. Individuelle Menüleisten erlauben eine schnelle Navigation in den SAP-Systemen. Ihre Inhalte (Transaktionen) und Strukturen (Menüaufbau) sind flexibel einstellbar.

Fazit: Operative Cockpits vereinfachen und beschleunigen Prozesse

Die Erfahrungen aus verschiedenen Projekten in den Bereichen Kundenauftragsverwaltung, Prognose und Disposition, Produktion und Lagerverwaltung haben gezeigt, dass sich mit operativen Cockpits die Prozesse vereinfachen und beschleunigen lassen. Folgende Nutzenpotenziale bieten sich den Anwenderunternehmen:

Die Forschungsarbeiten und der Einsatz von operativen Cockpits zeigen, dass sich damit Aufgaben schneller und gezielter ausführen lassen. Die Anpassungsfähigkeit von operativen Cockpits im Hinblick auf die Darstellung, die Übersichtlichkeit und die Navigation durch Customizing erlauben es den Fachbereichen, ohne Unterstützung der IT auszukommen. Allerdings handelt es sich bei dieser Art der Darstellung und des Dialogs immer um individuelle Lösungen, die jedoch Release-feste Erweiterungen des SAP ECC 6.0 darstellen. Durch das vorhandene Entwicklungs-Framework sind die Aufwände zur Entwicklung eines operativen Cockpits wesentlich geringer als beispielsweise bei der klassischen SAP-Dynpro Entwicklung. Operative Cockpits stellen also einen Lösungsansatz dar, um auf die gestiegenen Anforderungen nach Informationsdichte und Schnelligkeit im Tagesgeschäft zu reagieren. Mit der Möglichkeit, für komplexere Aufgaben alle entscheidungsrelevanten Informationen kompakt darzustellen und daraus direkt Folgeaktivitäten zu starten, können die Anwender Abläufe beschleunigen. Es ist zu erwarten, dass sich in Zukunft noch mehr Aufgabenkomplexe beim Einsatz von SAP ECC 6.0 mit operativen Cockpits effizienter gestalten lassen.