openSUSE 12.1 bringt viele Neuerungen und Änderungen mit sich. Es beinhaltet nicht nur aktuelle Versionen der Desktop-Umgebungen GNOME und KDE, sondern auch die Möglichkeit einer eigenen Cloud. Damit wollen die Entwickler Anwendern helfen, Daten wieder unter die eigene Kontrolle zu bringen, statt diese in die Hände von Anbietern wie Dropbox zu legen.
Um Ihnen so einen genauen Einblick wie möglich zu geben, teilt sich dieser Artikel in drei Teile. Zunächst werfen wir einen Blick auf allgemeine Änderungen und Neuerungen. Danach stellen wir die enthaltenen Software-Pakete vor. Die Alternativen-Desktop-Umgebungen Xfce und LXDE sind zwar weiterhin an Bord, allerdings haben diese keine großen Funktions- oder Versions-Updates seit der letzten openSUSE-Ausgabe erhalten. Kleinere Verbesserungen haben die Entwicklern jedoch umgesetzt.
Nach einer Abstinenz von vier Ausgaben ist sogar KDE 3 wieder eine Option. Diese Desktop-Umgebung ist aber nicht auf der DVD enthalten, sondern lässt sich über das offizielle Repository nachinstallieren.
Neuerungen und ein Blick unter die Haube
openSuSE 12.1 setzt auf das Farbmanagement-System Oyranos. Dieses Projekt wurde ins Leben gerufen, weil ICC-Profile in der Regel unter einer proprietären Lizenz stehen. In den letzten Jahren haben Farbexperten präzise Profile mit einer freien Lizenz erstellt. Darunter befinden sich Implementierungen von sRGB und AdobeRGB. Diese Farb-Profile sind im Datensatz icc-profiles-opennic.
Eine weitere Neuerung ist das Werkzeug Snapper. Mit dieser grafischen Anwendung können Sie die Schnappschuss-Funktionalität des Dateisystems Btrfs anzapfen. Sie haben die Möglichkeit, ältere Versionen von Dateien anzusehen und wieder herzustellen. Die Entwickler haben Snapper ebenfalls in den Paket-Manager zypper integriert. Damit haben Sie eine Art Zeitmaschine für das System. Frühere Konfigurationen und Systemaktualisierungen lassen sich zurücksetzen. Voraussetzung ist natürlich, dass Sie das noch experimentelle Dateisystem Btrfs einsetzen möchten.
Ebenso liefert openSUSE 12.1 als erste große Linux-Distribution Googles Programmiersprache Go aus. Diese gilt als einfach zu benutzen und soll Programmierern helfen, Programme für Multi-Core und vernetzte Rechner zu schreiben. Ebenso wurde das Init-System systemd eingeführt. Dieses entstand in enger Zusammenarbeit mit den Fedora-Machern und beschleunigt unter anderem den Start-Prozess. Ebenso bringt es bessere Sicherheit und Kontrolle.
openSUSE 12.1 kommt mit GCC 4.6.2 und link-time-optimization. Dies wirkt sich positiv auf die allgemeine Geschwindigkeit der Software aus.
Standard-Software der Distribution
Als Browser der Wahl dient Mozillas Firefox 7. In den Repositories stehen als Alternativen der auf WebKit basierte Browser Chromium 17 und Opera 11.52 zur Verfügung. Die weniger bekannten Browser Rekonq 0.8 und Epiphany aus GNOME 3.2 sind ebenfalls abrufbereit.
Auf Server-Seite haben die Entwickler WebYaST deutlich verbessert. Dieses Tool erlaubt es Administratoren, openSUSE via Webbrowser zu verwalten. Für WebYaST gibt es neue Module und die Geschwindigkeit hat sich laut eigener Aussage deutlich gesteigert. Ebenfalls neu ist das Horde-4-Framwork. Dieses stellt eine ganze Reihe an Applikationen zur Verfügung. Darunter befindet sich auch ein moderner Webmail-Client.
In Sachen Bürosoftware setzen die Entwickler auf LibreOffice 3.4.3. Den OpenOffice.org-Abkömmling braucht man eigentlich nicht weiter vorzustellen. Er ist mittlerweile ein echter Star im Open-Source-Bereich. Ebenso an Bord ist Scribus 1.4 RC. Hierbei handelt es sich um ein freies Desktop-Publishing-Tool mit einer benutzerfreundlichen Oberfläche. Es handelt sich zwar um einen Release-Kandidaten, dennoch sind in dieser Ausgabe viele Stabilitäts-Probleme gegenüber der in openSUSE 11.4 enthaltenen Version bereinigt.
openSUSE 12.1 bringt KDE Plasma Desktop 4.7 als Standard-Umgebung mit sich. Wie bereits erwähnt steht Ihnen mittels KolorManager und Oyranos ein Werkzeug für das Farbmanagement zur Verfügung. Eine weitere Neuerung ist, dass KPackageKit Apper ersetzt. So gehen Installation und Entfernen von Applikationen leichter von der Hand.
Das neue Tablet-Projekt der KDE-Gemeinschaft, Plasma Active, ist kein fest integrierter Teil von openSUSE 12.1. Tablet-Anwender können es jedoch bei Bedarf nachrüsten. In künftigen Versionen soll Plasma Active jedoch zum Inventar gehören.
Gwenview, der KDE-Bildbetrachter, kann nun zwei oder mehr Bilder vergleichen. Okular hat die Funktion erhalten, ein Verzeichnis als Comic-Buch anzuzeigen.
openSUSE, die Cloud und Virtualisierung
Im Jahre 2011 benutzen die meisten Anwender in irgendeiner Form einen Cloud-Dienst. Sei es Daten auf Dropbox zu haben oder Freunde auf Facebook zu verwalten. Aus Sicherheits- und Privatsphären-Sicht sind diese Dienste jedoch anfällig. Die openSUSE-Entwickler wollen mit ownCloud die Daten zurück unter die Kontrolle der Anwender bringen. Um das Ganze für den Anwender attraktiv zu machen, gibt es die Mirall-Desktop-Integration.
ownCloud hat im Prinzip zwei Nachteile. Es ist nicht wirklich einfach zu installieren. Dies gilt im Speziellen auf dem Webspace von Providern. Ebenso stellt es keine Möglichkeit zur Verfügung, Daten offline auf den Rechnern vorzuhalten. Ihre Daten sind also nur verfügbar, wenn Sie auch online sind.
Diese Probleme schafft Mirall aus der Welt. Es legt einen lokalen Ordner an, von dem aus die Daten in die eigene Cloud gespiegelt werden. Anwender sollten stets im Hinterkopf behalten, dass das lokale Verzeichnis der Master ist. Änderungen, die in der Cloud vorgenommen werden, würde Mirall beim nächsten Synchronisieren überschreiben. Um dies zu vermeiden, deaktiviert Mirall in so einem Fall den Express-Upload-Ordner und sie haben die Chance, die Dateien zunächst von der ownCloud auf das lokale Verzeichnis zu holen. Eine Verwendung der Software Mirall von mehr als einem Gerät ist also mit einem Risiko des Datenverlusts behaftet. Hier ist definitiv noch Platz für Verbesserung, um die Daten wie mit Dropbox zu synchronisieren.
Außerdem bietet das Tool die Möglichkeit, ownCloud auf einen Webspace zu installieren, der via FTP erreichbar ist. Und die meisten Provider stellen diese Funktion zur Verfügung. Beachten Sie, dass bei einer Einrichtung der ownCloud auf dem lokalen Server ein Webserver und PHP mit entsprechenden Modulen vorhanden sein muss. Hier könnte openSUSE warnen. Es installiert die ownCloud via Mirall scheinbar vollständig und meldet das Fehlen eines Webservers, wie zum Beispiel Apache 2 nicht. Wollen Sie von außen darauf zugreifen, müssen Sie außerdem in der Firewall entsprechende Rechte zuweisen.
Durch den neuen Kernel 3.1 lässt sich openSUSE nun direkt in der Amazon EC2 Cloud betreiben. Im Virtualisierungs- und Cloud-Softwarelager finden Administratoren die neuesten Versionen von Eucalyptus, OpenNebula und OpenStack. Ebenso sind Xen 4.1, KVM und VirtualBox mit im Spiel. Diese lassen sich mit aktuellen Ausgaben von virt-manager und open-vm-tools verwalten.
Sicherheits-Funktionen
openSUSE 12.1 enthält den aktuellen Release-Kandidaten von AppArmor 2.7. Damit können Systemadministratoren auf einfache Weise ihre Server absichern. Ursprünglich von SUSE entwickelt ist AppArmor nun Teil des Linux-Kernel und in openSUSE stehen die Userspace-Komponenten zur Verfügung. Gegenüber AppArmor 2.5 bringt die neue Version Vorteile bei der Geschwindigkeit, eine Melde-Funktion für den Desktop und automatische Profil-Updates für Samba-Freigaben.
Neu in openSUSE ist Das Shorewall-Konfigurations-Werkzeug 4.4.24. Diese Applikation bietet eine Schnittstelle, um Netfilter einzustellen. Beim Start liest Shorewall zum Beispiel die iptables und andere Sicherheits-Mechanismen aus. Damit können Sie dann einfacher eine Firewall, einen Router oder ein Gateway aufsetzen.
Der Paket-manager zypper ist intelligenter, beziehungsweise vorsichtiger geworden. Die Aktualisierung eines Kernel ist immer mit einem Risiko behaftet und kann Probleme verursachen. In Vorgängerversionen hat zypper den alten Kernel entfernt, sobald ein neuer installiert wurde. Per Standard ist diese Funktion aber deaktiviert. Dieses Verhalten soll mit openSUSE 12.2 geändert werden. Sie können es aber manuell aktivieren. Dem Paket-Manager kann man sogar mitteilen, wie viele ältere Kernel-Ausgaben er behalten soll, oder welche Version er nicht entfernen soll.
Weitere Software-Pakete
Als GNOME dient Version 3.2. Mit der neuen Funktion Online-Konten können Sie sich zum Beispiel mit Ihrem Google-Konto verlinken. Die Dokumente aus Google Docs würden dann im neuen Dokumenten-Browser angezeigt werden.
Eine Contacts-Applikation arbeitet mit Evolution und Empathy im Hintergrund zusammen. Somit steht Ihnen ein gemeinsames Adressbuch für den ganzen Desktop zu Verfügung.
Als Musik-Player dienen je nach Desktop-Umgebung AmaroK 2.4.3 und Clementine 0.7.3 unter KDE und Banshee 2.2. in GNOME. Ersteres bringt zum Beispiel dynamische Abspiel-Listen und Zugriff auf Internet-Dienste inklusive Gpodder.net mit sich. Banshee wurde mit zahlreichen neuen Erweiterungen bestückt. Dazu gehört unter anderem ein Detektor für doppelte Dateien.
DigiKam 2.2 bringt lang erwartet Funktionen wie Gesichtserkennung und XMP-Metadaten. Ebenso gibt es viele Verbesserungen beim Identifizieren und Markieren von Bilddateien. Als alternative Bildverwaltung stehen Anwendern Shotwell 0.11.5 und F-Spot 0.8.2-14 zur Verfügung. In Sachen Bildbearbeitung ist können Nutzer auf GIMP 2.6.11 zurückgreifen.
Für Video-Bearbeitung dient OpenShot 1.4. Diese Software bietet unter anderem Funktionen wie 3D-Animationen und Unterstützung für HD-Videos. Mit Audacity können Sie Audio-Dateien bearbeiten.
Tumbleweed und Sprachen
Tumbleweed ist ein so genanntes "Rolling Repository" und Anwender brauchen theoretisch nie neu installieren. Sie bekommen die Updates automatisch. Das Software-Lager enthält bereits so ziemlich alle Pakete aus openSUSE 12.1. Wer Tumbleweed einsetzen und immer auf dem aktuellken Stand sein möchte, findet in openSUSEs Wiki weitere Informationen dazu.
openSUSE 12.1 ist derzeit in vielen Sprachen erhältlich. 30 davon gelten als 90 Prozent komplett übersetzt. An weiteren 66 wird derzeit gearbeitet.
Fazit
Man kann es eigentlich nicht oft genug wiederholen, dass die größte Stärke von openSUSE in YaST liegt. Dieser globale Systemverwalter ist wirklich so einfach und übersichtlich, dass sich auch Anfänger darin schnell zurecht finden.
Die eigene Cloud und Mirall sind eine tolle Idee, hatten aber im Test noch ein paar Ecken und Kanten. Aber jeder fängt einmal irgendwo an und somit geben wir der Distribution noch eine Version Gnadenfrist, um die gröbsten Schnitzer auszubessern. Das System sollte schon warnen, wenn man mit Mirall eine ownCloud anlegt und kein Webserver oder PHP installiert ist, oder es sollte diese Dienste selbst nachrüsten. Wenn man sich schon mit einfacher Handhabung brüstet, sollte man dem Anwender solche Frustmomente und Suchmaschinen-Ungemach ersparen.
Ansonsten sind sowohl die KDE- als auch die GNOME-Variante gewohnt schön, übersichtlich und Anwender-freundlich umgesetzt. Man merkt eben, dass openSUSE schon lange im Geschäft ist. Die Brücke zwischen Server- und Desktop-Einsatz ist gelungen. Auch Anfänger können zum Beispiel recht schnell einen Samba-Server realisieren und müssen dafür keine Kommandozeilen-Orgien in Kauf nehmen. Die Entwickler haben sich alles in allem ein Lob verdient.
Auf welchen Desktop-Manager Sie setzen, ist reine Geschmacksache. Der Kern ist gleich, auch wenn die enthaltenen Software-Pakete variieren. Ein DVD-Abbild sowie installierbare Live-CDs in den Geschmacksrichungen GNOME und KDE finden Sie auf opensuse.org. (ph)