Von Cloud zur Open Infrastructure

OpenStack sieht die erste Mission als erfüllt an

30.11.2018 von Ludger Schmitz
Das ursprüngliche Ziel, eine Plattform für offene Clouds herzustellen, scheint erreicht zu sein. Die OpenStack Foundation beginnt eine neue Phase.

Auf ihrem Herbst-Summit Mitte November in Berlin hat die OpenStack Foundation (OSF) die Kurskorrektur vollzogen, die sich bereits seit Anfang dieses Jahres angedeutet hatte. Dabei geht es um eine tief greifende Veränderung ihrer Ziele und ihres organisatorischen Aufbaus. Die Plattform will über das Cloud Computing hinausgreifen und sich Projekten zuwenden, die jenseits ihres ursprünglichen Anliegens fallen - das Ganze zielt auf offene Infrastrukturen.

Rund 2700 Teilnehmer besuchten den OpenStack Summit Mitte November 2018 in Berlin.
Foto: Ludger Schmitz

Die Grundlage dieser Neuaufstellung sollen nach Darstellung der Leitung der Foundation Anforderungen der Anwender und eine gefestigte starke Position der OSF sein. So meldete sie für den Summit in Berlin 2700 Besucher, erwartet worden waren 2500. Ein Viertel der Gäste kam aus Deutschland, was auf eine weitere positive Entwicklung in einem der für OpenStack wichtigsten Ländermärkte hoffen lässt. Außerdem war auffallend viel Russisch zu hören, ein Signal für einen viel versprechenden Markt.

Das Selbstbewusstsein der OSF gründet sich vor allem auf die immer weiter wachsende Community: 100.000 Entwickler aus 187 Ländern sowie 675 Mitgliedsorganisationen zählt die OpenStack Foundation momentan. In den zurückliegenden 12 Monaten brachte es die Community auf 70.000 Commits. Das aktuelle OpenStack-Release "Rocky" - die Entwicklungszeit betrug ein halbes Jahr - erfuhr im Durchschnitt 182 Changes pro Tag. Damit sieht sich die Foundation neben dem Linux-Kernel und dem Google-Browser Chromium an der Spitze der dynamischsten Open-Source-Entwicklungen weltweit.

Auf der Anwenderseite erlebt "OpenStack Ironic" - eine Art Hardware-Hypervisor, der Bare Metal ähnlich flexibel bereitstellen soll wie virtuelle Maschinen - einen anhaltenden Aufschwung. Das Tool wird mittlerweile in 24 Prozent der OpenStack-Umgebungen genutzt, vor zwei Jahren waren es noch neun Prozent. Nach einer aktuellen Umfrage der Foundation interessiert sich jeder zweite OpenStack-Anwender für Bare Metal. Nur Container liegen noch höher im Kurs, nämlich bei 70 Prozent.

IT-Industrie puscht OpenStack

Die Anwenderbefragung offenbart auch Hinweise auf Entwicklungstrends rund um OpenStack. Demzufolge bleibt die IT-Industrie weiterhin der wichtigste Anwender, allerdings ist deren Anteil um sieben Punkte auf 44 Prozent gesunken. Auf dem zweiten Platz stehen nicht mehr die Telco-Konzerne, sondern Forschungseinrichtungen. Besonders das Finanzwesen sowie Regierungs- und Militärorganisationen habe deutlich zugelegt. Im Durchschnitt betreiben die OpenStack-Anwender 58 Prozent ihrer Infrastruktur auf der offenen Plattform.

Europa hat mit 26 Prozent der Anwender Nordamerika hinter sich gelassen. Der größte Boom ist aber in Asien inklusive Russland (48 Prozent) zu beobachten, genauer gesagt vor allem in Japan, Korea und insbesondere in China. Mehr als die Hälfte der Anwender hat eine Unternehmensgröße von 100 bis 10.000 Mitarbeitern, aber immerhin fast ein Viertel sind kleiner. Ihre Motive, OpenStack zu nutzen, sind ziemlich gleichauf operative Effizienz (führend mit 94 Prozent), schnellere Innovation, Vermeidung eines Vendor Lock-in, Standardisierung und Kosteneinsparungen.

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Der Schwerpunkt der OpenStack-Anwendungen liegt in der Private Cloud. Rund drei Viertel der OpenStack-Nutzer setzen auf diesen Infrastrukturtyp. Public Clouds liegen bei elf Prozent; hierzu könnte man Off-premise Private Clouds addieren, die seit Jahren bei einem Anteil von etwa acht Prozent liegen, und beispielsweise von der Deutschen Telekom in der "Open Telekom Cloud" angeboten werden.

Die meistgenutzten OpenStack-Software-Anbieter sind Huawei (mit Abstand führend), EasyStack, RedHat und Canonical. Huawei liegt außerdem an zweiter Stelle bei den Hardwaregrundlagen für OpenStack-Umgebungen. Hier führt Dell EMC; HPE steht auf Platz Drei. Bekanntermaßen basiert die Open Telekom Cloud weitgehend auf Hardware und OpenStack-Infrastruktur-Software von Huawei.

Vier wichtige Kernprojekte rund um OpenStack

Die Foundation hob in Berlin vier Projekte neben der aktuellen Version Rocky als wichtigste Errungenschaften dieses Jahres hervor: An erster Stelle sind "Kata Containers" und "Zuul" zu nennen.

Derzeit sind vor allem Telecoms die Treiber zweier Projekte, die für Edge Computing und das Internet of Things interessant sind:

Das Besondere an diesen vier Projekten sind zwei Eigenarten: Erstens liegen sie alle nicht mehr im bisherigen OpenStack-Rahmen von Cloud Computing, sondern gehen darüber hinaus. OpenStack ist als Plattform nicht zwingend erforderlich. Der zweite Aspekt solcher Projekte betrifft die Aufstellung der OpenStack Foundation. Endgültig vorbei ist die Zeit des "Big Tent" für die um den Kern "DefCore" assoziierten Projekte. Der OSF-Verwaltungsrat beschloss in Berlin, dass es zwar bei dem OpenStack-Produktkern bleibt, alle anderen Projekte sich aber unabhängiger von der OSF-Leitung weiterentwickeln sollen.

Foundation organisiert die Projekt-Stati neu

Künftig gibt es "Pilot Projects", die für 18 Monate organisatorische und technische Unterstützung bekommen können, allerdings nicht unbedingt IT-technische Ressourcen der OSF (zum Beispiel für Hosting) verwenden müssen. Wenn Projekte nach den OSF-Prinzipien bei Quellcode, Design, Community und Entwicklung offen arbeiten, eine OSI-anerkannte Open-Source-Lizenz nehmen und als relevant erachtet werden, kann die Leitung der OSF sie zu Pilotprojekten erheben. Die vier jüngeren Projekte Kata Containers, Zuul, Airship und StarlingX besitzen diesen Status bereits. Alle weiteren bestehenden Projekte aus dem einstigen Big Tent sind "Confirmed Projects".

Mit den vier neuen Projekten und der neuen Organisationsstruktur bekommt die OpenStack Foundation endgültig ein neues Erscheinungsbild, das sich bereits vor einem halben Jahr in Vancouver abzeichnete. Die Summits tragen künftig den Untertitel "Open Infrastructure". Jonathan Bryce, President der OpenStack Foundation, machte es noch einmal deutlich: "Unsere Ziele ab 2019 sind nicht mehr nur Private und Public Clouds, sondern weiter gehend Open Infrastructure. Das heißt Container, CI/CD, Internet of Things und Edge Computing."

Bis die neuen Ziele auf Anwenderebene richtig durchdringen, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern. Zwar sind einige große Anwenderunternehmen an der Entwicklung der neuen Projekte stark beteiligt, aber ein großer Teil der Anwender nutzt OpenStack über OSF-Partner. Bei diesen konzentrieren sich die Neuerungen in den Angeboten noch auf Cloud-Umgebungen.

Telekom baut weiter an ihrer Open Cloud

Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Telekom/T-Systems. Sie präsentierte für ihre Open Telekom Cloud (OTC) vor allem Neuerungen, die Anwender seit geraumer Zeit gefordert haben: mehr Sicherheit und einfacheres Management von Clouds. So gibt es künftig Verschlüsselung für den Workspace Service und die Mongo DB. Backup und Recovery erfordern keine manuellen Arbeiten mehr, um Redundanzen zu schaffen. Datensätze beziehungsweise ganze Umgebungen lassen sich per Storage Desaster Recovery Service einfacher über mehrere Verfügbarkeitszonen spiegeln. Independent Quota Management ermöglicht es, die Ressourcen je Tenant oder Projekt nach Regeln zu beschränken und bestimmte Ressourcen gezielt zu limitieren. Ein Health Service Dashboard zeigt per Website mit wenigen Klicks auf, wo es hakt, wenn ein Cloud-Service hängt.

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Darüber hinaus verwies OTC-Vice-President Andreas Falkner in Berlin mehrfach auf "Telekom-Erfahrungen als Netzbetreiber". Daraus lässt sich darauf schließen, dass die Telcos wohl die Ersten sein dürften, die der OpenStack Foundation auf ihrem Weg in Richtung Internet of Things und Edge Computing folgen werden.