Quelloffene Ergänzungen

Open-Source-Tools für ERP

09.06.2010 von Daniela Hoffmann
Finger weg von Open-Source-Programmen in betriebswirtschaftlichen Kernprozessen, warnen Experten. Viele Ergänzungs-Tools für ERP-Standardsysteme sind dagegen empfehlenswert.
Quelle: R.Klebsattel/Fotolia
Foto: R. Klebsattel/Fotolia

Auf quelloffene, betriebswirtschaftliche Standardsoftware, die reif genug für den Unternehmenseinsatz ist, müssen Anwender nach Einschätzung des Marktforschungsinstituts Gartner noch bis 2012 warten. Doch in den Randbereichen der ERP-Landschaft ist die Open-Source-Szene sehr aktiv und mit ihren Lösungen weit fortgeschritten. Für Business Intelligence (BI), Reporting, Business Process Management (BPM), Content-Management und Portale tut sich ein breites Spektrum an Alternativen auf. Dienstleister und Softwarehersteller ergänzen das eigene Produktportfolio aus Effizienzgründen teilweise selbst um entsprechende Tools - und bieten dafür Support.

Open-Source-Tools für das Reporting

"Das Reporting ist in vielen Unternehmen eine Baustelle", sagt Reimund Pölka, Leiter Produkt-Management des ERP-Anbieters AP AG aus Karlsruhe. Meist gebe es für das Berichtswesen im Umfeld Web-basierender ERP-Systeme verschiedene Formate wie RTF und HTML sowie unterschiedliche Tools (etwa Microsofts Reporting Services). Ziel des Herstellers war es, das Reporting für seine Kunden zu konsolidieren und ihnen zugleich die Möglichkeit einzuräumen, Auswertungen selbst zu gestalten. Beim Einsatz unterschiedlicher Technologien sei hier jedoch der Schulungsaufwand zu hoch, warnt Pölka. Nach einer Marktevaluierung unter 13 Report-Systemen - darunter kommerzielle Produkte für bis zu 10.000 Euro - entschied sich AP für Jasper Reports. Das kommerzielle ERP-System "AP Plus" wird heute ab Werk mit der quelloffenen Professional-Variante von Jasper Reports ausgestattet. Die Kosten für die Kunden steigen dadurch um 1000 Euro, weil der kostenpflichtigen Version zusätzlichen Features hinzugefügt wurden. Zu den Funktionen zählen etwa Abo-Möglichkeiten wiederkehrender Reports, Ad-hoc-Analysen sowie die zentrale Änderung von Styles.

Quelloffene Business Intelligence

Fred Schuhardt, Senior Projektmanager IT bei Compass: Der Support war uns sehr wichtig.
Foto: Compass

Der Catering-Dienstleister Compass Group Deutschland wollte eine transparente Darstellung der Kennzahlen. "Uns ging es darum, die Daten für das gesamte Management an rund 800 Standorten standardisiert aufzubereiten", beschreibt Fred Schuhardt, Senior Projektmanager IT bei der Compass Group Deutschland GmbH, das Vorhaben. In der Finanzbuchhaltung, im Controlling und in der Materialwirtschaft setzt das Unternehmen mit rund 19.000 Mitarbeitern SAP ein. Bei den Recherchen stieß Schuhardt auf die "Palo BI Suite" von Jedox, eine Open-Source-Web-Applikation für das Performance-Management und für Olap-basierende Planung, Analyse und Reporting.

Die Implementierung hat fünf Beratertage gekostet. Weitere 25 Tage interner Arbeit waren erforderlich, um die eigenen Reports anzupassen. Im aktuellen Produktivbetrieb greifen rund hundert User gleichzeitig auf das Excel-basierende Tool zu, etwa 1.200 Mitarbeiter sind insgesamt registriert. Sie pflegen Kommentare und Daten in das System ein und sehen sich ihre Kennzahlen wie Umsatz, Ergebnis, Lieferanten-Compliance und Ergebnisse von Audits an. Der Datenaustausch mit SAP erfolgt einmal monatlich. "Uns war der Supportaspekt sehr wichtig. Ohne Dienstleister hätten wir uns nicht für eine Applikation entschieden, die über 1.000 Mitarbeiter nutzen", sagt Fred Schuhardt.

Godelef Kühl, Vorstandsvorsitzender des ERP-Anbieters Godesys: Kommerzielle BI-Funktionen kosten - das bremst die Investitionslaune im Mittelstand.
Foto: Godesys

Insbesondere für mittelständische Anwender sind die geringen Investitionskosten ein wichtiges Argument, daher gilt quelloffene Software als Alternative: "Kommerzielle BI-Funktionen kosten pro ERP-Arbeitsplatz rund 2000 Euro - das bremst die Investitionslaune im Mittelstand", konstatiert Godelef Kühl, Vorstandsvorsitzender des ERP-Anbieters Godesys AG. Doch Erweiterungen sind oft erforderlich, denn die vorhandenen Reporting-Funktionen haben Defizite, wenn komfortable Darstellung und schnelle Zugriffe gefragt sind. Wichtig sind vor allem vorverdichtete Daten, die Prozessentscheidern in Fachabteilungen einen schnellen Überblick über Zahlen wie aktuelle Serviceumsätze und Kommissionierungsquoten geben. Godesys hat die eigenen ERP-Lösungen dazu um quelloffene BI-Funktionen erweitert. Die Wahl fiel auf Jasper Reports. In der darunterliegenden Architektur tun Mondrian als Olap-Engine und jBoss als Applikations-Server ihren Dienst. Zudem bietet Godesys Palo als Planungswerkzeug an.

Business Process Management (BPM) mit Open Source

Auch in der Prozessgestaltung gibt es Angebote aus der Open-Source-Community. "Viele Anwenderunternehmen haben ein ERP-System im Einsatz und wollen ihre Flexibilität und Agilität verbessern. Sie möchten ihre Prozesse auch ohne teure Consultants verändern können", stellt Daniel Lell fest, IT-Consultant BPM bei der Nürnberger Ancud IT-Beratung GmbH. Das Nürnberger Softwarehaus hat mit der Open-Source-Anwendung Intalio sowie der quelloffenen SOA-Plattform Sopera gute Erfahrungen gemacht. Auf Basis der beiden Programme hat Ancud in der Versicherungs- und Airline-Branche Lösungen für ein Web-Service-basierendes Business-Process-Management (BPM) implementiert. Prozesse werden heute häufig mit Hilfe von Web-Services überarbeitet. Das Anpassen bestehender ERP-Komponenten ist meistens zu aufwendig, insbesondere bei großen, länderübergreifenden Installationen. "Abläufe unterscheiden sich je Abteilung. Deshalb entstehen bei Upgrades hohe Kosten", berichtet Lell. Der elegantere Weg ist daher, die erforderlichen Daten dem ERP-System zu entnehmen, sie in den Web-Service-basierenden Prozess einzuspeisen, um sie anschließend in andere Anwendungen zu integrieren. In einem solchen Umfeld können Lell zufolge auch Fachmitarbeiter mit hoher Prozesskenntnis die Abläufe entwerfen und bearbeiten. Intalio nutzt dazu die Spezifikationssprache Business Process Management Modeling Notation (BPMN).

Open-Source-Trends 2009
Open Source wird kommerzieller
Schon in der Vergangenheit haben immer mehr Unternehmen versucht, mit quelloffener Software Geld zu machen. Die Idee dahinter ist simpel: Man stellt die Software kostenlos zur Verfügung und lässt sich für den Support bezahlen. Diese Entwicklung werde sich zwar fortsetzen, so Urlocker. Doch <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/c/CIO.html">CIOs</a> und CTOs gingen das Thema pragmatisch an. Sie bezahlten nicht einfach für den Support, nur weil Anbieter dies verlangten. Für sie zähle der Mehrwert, den Open-Source-Tools für ihr Unternehmen bringen können. Dienstleister seien deshalb gefordert, neue Ideen zu entwickeln, was direkt zum nächsten Trend führt.
Mehr Experimente mit Geschäftsmodellen
Während <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/r/Red-Hat.html">Red Hat</a> mit seinem auf Unternehmen zugeschnitten Subskriptionsmodell erfolgreich agiert, gibt es in der Open-Source-Szene eine große Vielfalt weiterer Geschäftsmodelle. Anbieter wie Alfresco, Pentaho, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/s/SugarCRM.html">SugarCRM</a> oder <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1860994/">MySQL</a> haben jeweils eigene Strategien entwickelt. MySQL beispielsweise offeriert den Core Server als reines Open-Source-System, zusätzliche Funktionen sind hingegen nur über eine Abomodell nutzbar. Andere Player, darunter Pentaho oder SugarCRM, statten ihre Enteprise-Produken auch mit Closed-Source-Features aus. Im laufenden Jahr werden die Open-Source-Spezialisten verstärkt mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren, um herauszufinden, wie sie Benutzer in zahlende Kunden verwandeln können.
Open Source wird Mainstream
Den bedeutendsten Trend für das Jahr 2009 sieht Urlocker darin, dass sich Open-Source-Software immer mehr zum normalen Bestandteil der grundlegenden IT-Strukturen von Unternehmen entwickelt (siehe auch: <a href="http://www.computerwoche.de/knowledge_center/open_source/1849336/">Die Zukunft von Open Source</a>). Dies gelte vor allem für Betriebssysteme (<a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/l/Linux.html">Linux</a> und Co.), Middleware und Datenbanken. Kaum ein Startup-Unternehmen verwende heute noch proprietäre Software. Und immer mehr Firmen sähen in Open-Source-Software einen Weg, <a href="http://www.computerwoche.de/schwerpunkt/i/IT-Kosten.html">IT-Kosten</a> zu kontrollieren. Warum nicht auf Open Source setzen, wenn Google, Alcatel, Nokia oder Associated Press damit zufrieden sind? Gerade in Krisenzeiten ergebe es Sinn, Open-Source-Alternativen ernsthaft zu prüfen.

Quelloffene Workflow-Engines

Screenshot jBPM, Quelle: Red Hat
Foto: Red Hat

Markus Maier, Senior Project Manager beim Waiblinger Open-Source-Dienstleister Comundus, befasst sich mit Projekten, die Open-Source-Komponenten mit bestehenden Systemen verbinden. Das quelloffene Business-Process-Management System jBPM kann etwa international organisierte Redaktionsprozesse, Urlaubsanträge oder das Bestellwesen gestalten und steuern. "jBPM ist ein relativ weit verbreitetes System, das sich zum Beispiel gut für die Informationsverteilung eignet. Ziel ist es unter anderem, Daten nicht redundant in ERP- oder Produktdatensystemen zu speichern", erläutert Maier. Die Informationen können aus unterschiedlichen Systemen stammen. Die Daten für Vertriebsauswertungen kann die CRM-Anwendung, betriebswirtschaftliche Kennzahlen kann das ERP-System bereitstellen. Die Workflow-Engine sorgt dafür, dass die Daten abgeholt und weiterverarbeitet werden. Die Verknüpfung unterschiedlicher Informationsquellen erfolgt über ein Portal wie Liferay.

Web 2.0 als Add-on

Auch der auf den Betrieb von SAP-Lösungen spezialisierte IT-Dienstleister Itelligence greift auf Open-Source-Ergänzungen zurück. "Dort, wo es noch keine leistungsfähigen Herstellerlösungen gibt, schauen wir uns durchaus schon mal nach einer Open-Source-Alternative um", betont Karl-Josef Arenz, Leitung Application Integration Center bei Itelligence. Dazu gehören für ihn Web-2.0-Anwendungen wie Blogs, News-Reader und Wikis. Für quelloffene Lösungen wie das Weblog-System WordPress bieten die Bielefelder bei Bedarf die Integration ins SAP-Portal mit Single-Sign-on an. Ansonsten geht Arenz davon aus, dass Unternehmen für den Produktivbetrieb lieber auf die Release- und Betriebssicherheit kommerzieller Software setzen.