Ohrfeigen für Oracle, Streicheleinheiten für SAP

19.10.2006
Die Analysten von PAC sehen SAP nach den jüngsten Quartalszahlen im ERP-Markt weit vor Oracle. Sie werfen den Amerikanern Augenwischerei vor.

Mit ihren heute veröffentlichten Zahlen zum Lizenzumsatz im dritten Quartal 2006 hat die SAP AG nach Meinung des Beratungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC) dem Rivalen Oracle gezeigt, wo der Hammer hängt. Die Lizenzeinkünfte der Walldorfer legten um 17 Prozent auf 691 Millionen Euro zu (siehe: SAPs Softwaregeschäft wächst zweistellig). Christian Glas, Senior Consultant bei PAC, hält die kürzlich von Oracle veröffentlichten Zahlen für irreführend.

Mit Oracles Behauptungen nicht einverstanden: Christian Glas, PAC

Der SAP-Rivale hatte im Applikationsgeschäft ein Lizenzwachstum von 80 Prozent in seinem ersten Quartal 2007 verkündet, das am 31. August endete. Doch diese Zahlen enthalten auch das Siebel-Geschäft. Die Übernahme des CRM-Anbieters hatte Oracle im Januar dieses Jahres abgeschlossen. Wenn man Oracles jüngst veröffentlichten Zahlen mit der Summe der entsprechenden Vorjahresquartale von Oracle und Siebel vergleiche, habe der aggressive Konkurrent der Walldorfer eigentlich einen fünfprozentigen Rückgang im Lizenzgeschäft zu beklagen, erklärt Glas.

Stagnation bei Oracle

Auch wenn das dritte Quartal Siebels nicht hundertprozentig mit dem ersten Quartal von Oracle vergleichbar sei, sei der Konzern im Anwendungsgeschäft "wider allen Anscheins zumindest nicht gewachsen". Glas fügt hinzu: "Oracle mag ja, wie angegeben, organisch gewachsen sein, jedoch würde das bedeuten, dass die übernommenen Firmen schwer eingebrochen sind."

Ein Blick auf das vorletzte Quartal schmeichelt Oracle schon eher, meint der Analyst. Das vierte Quartal des letzten Geschäftsjahres sei gut gelaufen. "Neben einem guten organischen Wachstum von Oracle - auch aufgrund eines sehr schwachen Vorjahresquartals - ist ein weiterer Grund für das gute Abschneiden, dass das vierte Quartal bei den meisten Software-Anbietern das traditionell stärkste ist," gibt der PAC-Analyst zu Bedenken. "Neuzugang Siebel, der sich eigentlich in seinem zweiten Quartal befand, sprang auf diesen Zug auf und profitierte von dem Jahresend-Bonus."

Laut PAC hat SAP seit Jahren besser abgeschnitten als das Trio Oracle-Peoplesoft-Siebel. Im 3. Quartal 2004 hätten die Walldorfer anderthalb-, 2005 zweieinhalb- und im gerade abgelaufenen Quartal sogar dreimal so hohe Lizenzumsätze erzielt wie der US-Rivale. PAC rechnet auch in Zukunft damit, dass die SAP Marktanteile dazu gewinnen wird. Das deutsche Softwarehaus strahle "wesentlich mehr Stabilität und Stärke aus als Oracle", zumal es organisch gewachsen und nicht durch Zukäufe vergrößert worden sei.

Der PAC-Consultant fügt hinzu: "Bei der Übernahme von Unternehmen wächst die Unsicherheit der Kunden darüber, was mit ihren Lösungen passiert." Sowohl Peoplesoft als auch Siebel hätten darunter stark gelitten. Weiteres Vertrauen schaffe, dass SAP ihre Versprechen bezüglich ihrer Enterprise SOA Roadmap inklusive des dazugehörigen Zeitplans eingehalten habe. MySAP ERP 2005 laufe schon komplett auf der neuen Architektur. Oracle werde Project Fusion dagegen wohl erst 2008 beenden. Außerdem könne Oracle mit dem Branchen-Know-how der SAP und der extremen vertikalen Tiefe des Walldorfer Angebots nicht mithalten. Rühmliche Ausnahme bildet der Handelssektor, wo Oracle dank des Retek-Zukaufs sehr gut aufgestellt sei.

In Deutschland hat sich laut PAC nichts geändert: Die SAP liegt klar vorne, während Oracle auf einem Niveau mit den vielen lokalen ERP-Anbietern rangiert, inzwischen auch klar hinter Infor Global Solutions. Nach Einschätzung von PAC wird sich daran in absehbarer Zeit auch nichts ändern. In Zukunft sollte die SAP ihren Vorsprung weltweit noch vergrößern können. Laut Christian Glas wird das Unternehmen vor allem im Mittelstand wachsen, während bei Oracle über dieses Marktsegment seit einiger Zeit wenig zu hören sei. (hv)