Microsofts Umbau zur Cloud-Company läuft auf Hochtouren. Laut den jüngsten Umsatzzahlen stieg der Jahresumsatz bei den kommerziellen Cloud-Produkten (Office 365, Azure und CRM Online) auf 6,3 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer Steigerung um 106 Prozent gegenüber den Vorjahreszahlen. Und auf der Ignite-Konferenz prognostizierte CEO Satya Nadella für 2018 einen Cloud-Jahresumsatz von 20 Milliarden Dollar.
Diesen Expansionsdrang bekommen auch die Kunden zu spüren. Der Vertrieb arbeitet derzeit mit Hochtouren daran, Microsoft-Anwendern das Cloud-Paket schmackhaft zu machen. Und dabei kommt als Köder interessantereise keine spezielle Cloud-Offerte, sondern das klassische, lokale Office-Paket zum Einsatz. Wer Office Professional Plus als Bestandteil etlicher Office 365 Pläne erwirbt, bekommt es deutlich günstiger als über die klassische Lizenzierung im Rahmen eines Enterprise Agreements.
Doch wer auf den Preis alleine schaut, kann auch Überraschungen erleben - denn günstige Office-365-Offerten bedeuten in der Gesamtbetrachtung nicht automatisch niedrigere Kosten für das Unternehmen. Um sicherzugehen, dass auch unterm Strich beim Umstieg auf Cloud-Applikationen ein Return on Investment erzielt wird, sollten alle relevanten - harten wie weichen - Faktoren in die Berechnung mit einbezogen werden. Beginnen wir mit den Grundüberlegungen zur Entscheidungsfindung und wie Kunden am besten mit Microsoft verhandeln.
Zum Einstieg: E-Mail-Outsourcing und ältere Verträge
Die Cloud ist beileibe nicht so neu, wie viele Denken - selbst nicht für den Softwareplatzhirsch Microsoft. Vor rund zehn Jahren starteten die Redmonder beispielsweise mit dem Angebot eines gehosteten Exchange-Servers, um die wachsende Nachfrage nach E-Mail-Outsourcing zu bedienen. Schließlich gilt E-Mail schon länger als Commodity, und immer weniger Unternehmen wollen dafür eine kostspielige interne Infrastruktur betreiben.
Obwohl Office 365 deutlich mehr als nur Exchange Online beinhaltet, so lohnt es sich durchaus, lediglich mit den E-Mail-Servern in die Cloud umzuziehen. Ein solcher Vergleich rentiert sich übrigens oft auch bei alten Verträgen mit Microsoft. Erfahrungsgemäß sind hier Preisvorteile von bis zu 50 Prozent erreichbar.
Alte Server updaten - oder in die Cloud migrieren?
Microsoft liefert in einem Rhythmus von rund drei Jahren neue Versionen seiner Serverprodukte. Aus Kundensicht besteht nur selten ein dringender Bedarf, wegen neuer Funktionen schnell auf eine neue Version zu migrieren. Das spiegelt auch ein Blick auf aktuelle Kundenumgebungen wieder. Umfragen im SharePoint-Umfeld beispielsweise zeigen, dass die Version 2010 derzeit immer noch dominiert und auch SharePoint 2007 noch stark vertreten ist. Spätestens wenn Microsoft jedoch den Stopp von Sicherheitsupdates ankündigt, ist es an der Zeit, sich mit der Migration auf die nächste oder die gerade aktuelle Version zu befassen.
Da solche Updates von Inhouse-Servern üblicherweise einiges an Kosten verursachen, ist das ein guter Anlass, um alternativ einen Umstieg auf Office 365 ins Auge zu fassen. Damit steigt man auf die aktuellste Version der Microsoft Serverpalette um - und wird ab diesem Zeitpunkt immer auf den neuesten Stand sein.
Office 365 "reingedrückt" bekommen - was nun?
Im Microsoft-Vertrieb hat der Verkauf von Cloud-Services derzeit oberste Priorität. Entsprechend intensiv versucht man, Firmenkunden aus den klassischen Lizenzverträgen in die neuen Cloud-Modelle zu locken. Um dabei auch jene zu gewinnen, die - wie in Deutschland sehr häufig - skeptisch gegenüber der Cloud sind, hat der Anbieter das Office 365-Portfolio breit aufgefächert. Mit dem Plan Office 365 Business beispielsweise erhalten Unternehmen die bekannte Office-Suite anstelle des Lizenzvertrags zu einem monatlichen Fixpreis pro Nutzer.
Viele Anwender haben sich inzwischen für einen Office-365-Einsatz entschieden, ohne sich über alle Konsequenzen im Klaren zu sein. Wie schnell das geht, zeigt das Beispiel des Enterprise Agreements (ab 250 PCs). Hier ist Office 365 aktuell als flexible, nicht verpflichtende Zusatzoption enthalten. Vorteilhaft für Kunden ist, dass sie damit über einen bestimmten Zeitraum Teile ihrer Benutzer auf Office 365 migrieren können, während der Rest noch mit den klassischen Lizenzen arbeitet. Viele übersehen dabei aber, dass sich mit diesem Schritt ihre gesamten vertraglichen Rahmenbedingungen ändern. Deshalb gilt es, diese genau zu beachten - besser vor, als nach der Unterzeichnung
Mit Office 365 wird Lizenzierung endlich einfach…oder auch nicht
Microsofts Lizenzmodell ist berüchtigt, nicht umsonst tummeln sich Heerschaaren von Lizenzberatern in den Anwenderunternehmen. Das Thema sollte nicht auf die leicht Schulter genommen werden, denn es birgt einige Risiken: So schwebt über vielen Unternehmen das Damoklesschwert der Unterlizensierung, was hohe Nachzahlungen nach sich ziehen kann. Oder man überweist schlicht zu viel Geld nach Redmond für die eingesetzte Software. Berichten zufolge soll Microsoft in jüngster Zeit den Druck auf die Kunden verstärken und deutlich mehr Lizenzierungsaudits mit strengeren Prüfungen durchführen.
Als Ausweg aus dem Lizenzierungs-Chaos preist Microsoft Office 365 an. Firmen zahlen damit nur noch einen Preis pro Mitarbeiter pro Monat - aus der Sicht der Einkaufsabteilungen in den Unternehmen wird die IT-Beschaffung damit so einfach und transparent wie nie.
Doch die Realität sieht anders aus. Anstelle von mehr Einfachheit droht vielen Kunden eine noch höhere Komplexität. Primäre Ursache dafür ist Microsofts Versprechen, aus jeder bestehenden Lizenz-Konstellation in irgendeiner Form auf Office 365 migrieren zu können. Im Ergebnis bleibt bei solche Kunden dann die bisherige Lizenzkomplexität weiter bestehen, hin zu kommen die Konditionen der Office 365 Verträge.
Für IT-Entscheider, die sich nur an ein paar Tagen im Jahr mit Lizenzierungsfragen beschäftigen, bleibt es also weiterhin kompliziert. Sie dürften ohne externe Hilfe nicht in der Lage sein, zu verstehen, was sie zu entscheiden haben. Dennoch ist anzumerken, dass der Wechsel zu einer reinen Office 365-Umgebung die Chance bietet, dem Lizenzwirrwarr zu entkommen und ein für alle Mal die gesamte Software im Unternehmen "compliant" zu halten.
Richtig verhandeln, Rabatte realistisch bewerten
Auch beim Thema Preisverhandlungen gilt, dass es die Komplexität des Microsoft-Angebots schwer macht, den jeweils besten Preis zu ermitteln. Wenn der Verkäufer beispielsweise 30 Prozent Rabatt auf ein bestimmtes Office-365-Paket anbietet, klingt so etwas zunächst nach einem Schnäppchen. Allerdings nur, wenn der Kunde im Bilde darüber ist, ob er das angebotene Paket auch wirklich benötigt und was genau er dafür erhält. Hätte er nämlich für den halben Preis ein Paket erhalten, das seine tatsächlichen Bedürfnisse vollständig abdeckt, entpuppt sich ein vermeintliches Schnäppchen schnell als viel zu teure Lösung. Auch hier hilft in der Regel die Unterstützung durch einen neutralen Experten weiter.
Doch es gibt auch noch Verhandlungstricks, die für jeden gleich gelten und einfach umzusetzen sind. Das entscheidende Stichwort heißt "Geschäftsjahresende", welches bei Microsoft jedes Jahr Ende Juni ansteht. In diesem Zeitraum steht der Vertrieb erfahrungsgemäß unter Druck, noch schnell vorgegebene Umsatzziele zu erreichen. Für die Kunden bedeutet das, dass sie in dieser Phase sehr gute Chancen haben, Rabatte herauszuschlagen.
Wann lohnt sich ein Umstieg?
Die Frage, ob sich am Ende ein Umstieg auf Office 365 lohnt, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Ein Beispiel: Die Firma Mustermann hat 2000 Benutzer, verfügt über Office 2010, Active Directory, Exchange Server 2010, SharePoint Server 2010, eine Zentrale und drei weitere Standorte sowie ein laufendes Enterprise Agreement mit Microsoft.
Der Kostenvergleich über vier Jahre hinweg ergibt hier eine mögliche Einsparung von 507.000 Euro. Neben der reinen Kostenbetrachtung sollte auch immer die technischen Anforderungen sowie die Machbarkeit bei derlei Systemmigrationen berücksichtigt werden. (mje)