Entwicklungen auf Mikroprozessorbasis bedrohen Minicomputer:

Offene Systeme führen ein längeres Leben

03.12.1982

"Bei kleineren Systemen übernehmen mikroprozessorgesteuerte Produkte mehr und mehr Aufgaben, die bislang Groß- und Minicomputern vorbehalten waren", meint Vaemond H. Crane, Vice President und General Manager der Systems Group bei Intel. Durch offene Systeme will das Unternehmen Crane zufolge dieser Entwicklung gerecht werden.

Crane belegt seine Prognose eines steigenden Mikrosystemen Marktanteils von mit Untersuchungen der IDC sowie Business Week.

Der Mikro-Boom resultiere nicht zuletzt daraus, daß "bei Mikros von Anfang an ein Zwang zur Standardisierung bestand".

"Denn", erläutert Crane, "im Bereich der von Haus aus recht billigen Mikros schlagen die Kosten für die Software eines Systems ganz erheblich zu Buche. Ein Anwender wird also, wenn er später auf einen leistungsfähigeren Prozessor umsteigen muß, jenen bevorzugen, der seine alte Softwareinvestition nicht wertlos macht."

Neben der Standardisierung der Software- sowie der Hardware-Schnittstellen, die für die Mikro-Welt so charakteristisch ist, rückt jetzt aber noch ein weiterer Aspekt immer weiter nach vorn. Die Frage nämlich, ob Rechnersysteme als geschlossene oder als offene Systeme in die Welt gesetzt werden. "Man muß sich diesen Unterschied ganz klar machen", mahnt Crane: "Geschlossene Systeme zeigen dem Benutzer fast nichts über ihre Entstehung und ihre voraussichtliche Ausbaufähigkeit.

Offene Systeme hingegen sind in ihren wichtigsten Eigenschaften und Verbindungen für den Benutzer transparent. Sie sind alles andere als der herkömmliche, undurchschaubare 'Schwarze Kasten", den wir von Minis und Mainframes her kennen."

"Viele Anwender," fährt Crane fort, "haben in letzter Zeit diesem Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Systemen verstärkt Rechnung getragen. Sie lernten, darauf zu achten, wieweit der Systemhersteller noch Wachstumspotential offenhält; wieweit er also Zukunftstrends bei Halbleiterspeichern, Mikroprozessorarchitekturen und anderen wichtigen systemmerkmalen von vornherein eine Chance gibt." Denn mit geschlossenen Systemen, die seinerzeit unter manchmal falschen Trendvorausschätzungen entstanden waren, habe es für Anwender schon mancherlei Probleme gegeben.

Wann ist der VLSI überholt?

In einem Rückblick erinnerte Crane an die Schnellebigkeit in der Halbleiterwelt: hatten Chips mit 1000 bis 10000 Transistoren noch etwa sieben Jahre lang (bis 1977) das Feld beherrscht, so lebten Chips mit 10000 bis 100000 Transitoren nur noch etwa vier bis fünf Jahre, nämlich bis knapp in unsere Tage. Heute peilen wir unter dem Zeichen "VLSI" bis zu 500000 Transistoren pro Chip an, und schon jetzt fragen wir uns, wie lange VLSI wohl überhaupt noch aktuell bleiben wird. Das technologische Tempo erzwingt schon fast das Konzept der offenen Systeme."

Dieses Konzept gehe im Grunde auf Arbeiten aus den späten 70er Jahren zurück, meint Crane, so etwa auf die Entwicklung standardisierter Betriebssysteme (UNIX) und moderner Sprachen wie ADA oder C, auf die Implementierung standardisierter Schaltkreis-Entwurfstechniken und auf Konzepte eines standardisierten Systemaufbaus auf der Basis funktionsspezifischer Baugruppen mit genormten (Bus-) Schnittstellen.

Das Intel-Multibus sieht Crane als ein Beispiel für das Konzept der offenen Systeme, da seine genaue Spezifikationen seinerzeit erstmals vom Hersteller veröffentlicht worden seien. Heute gebe es für diesen Bus allein mehr als 1000 Produkte von über 100 Unternehmen.

Ethernet und UNIX?

Zusammen mit DEC und XEROX propagiert Intel Ethernet als standardisierte Verbindung für Komponenten lokaler Netze, was auch ein Schritt in Richtung offene Systeme ist: Jeder kann sich mit seinem Produkt einkuppeln, lautet das Ziel. "Wenn jetzt noch UNIX beziehungsweise XENIX zu einem Standard-Betriebssystem werden sollte", sagt Crane, "dann hätten die Halbleiterhersteller für die Entwicklung neuer Prozessoren klare Vorgaben und die Anwender für ihre Softwaremannschaft endlich die Voraussetzungen für kostengünstige Programmentwicklungen. Denn die Softwareentwickler brauchten sich dann nicht mehr um eventuelle Änderungen der Mikroprozessor-Architektur Sorgen zu machen".

Im Rahmen des Konzepts der offenen Systeme lohnen sich auch größere Investitionen in die Hard- und Software-Schnittstellen zwischen den einzelnen Systembausteinen (seien es Platinen oder abgeschlossene Funktionseinheiten wie etwa ein Transaktion Processor oder ein Datenbank-Managementsystem). Denn dadurch bleibt ja die Auswärtskompatibilität wichtiger Systemteile gewährleistet. Das ist im Grunde nicht anders, als wenn ein Autohersteller mit Hilfe entsprechender "Schnittstellen" dafür sorgt, daß die gleichen Motor- und Getriebeeinheiten in einer ganzen Palette von unterschiedlich aussehenden Modellen verwendet werden können.

Doch auch die Softwareentwicklung profitiert laut Crane von offenen Systemen, denn "so können sich die SW-Entwickler primär auf die Bedürfnisse des Anwenders und auf die Einsatzbedingungen, unter denen seine Produkte arbeiten sollen, konzentrieren. Das offene System erspart es ihnen, sich eingehend mit Hardwarefragen auseinandersetzen zu müssen."

Außerdem sollen offene Systeme dank größerer Wettbewerbsfähigkeit nach immer neuen Ausbauschüben, auch einen längeren Lebenszyklus haben als ein herkömmliches System des geschlossenen Typs.