"Die Republikaner liegen zurück in Technik und Innovation", beschreibt David Perlmutter, Professor an der William Allen White School of Journalism & Mass Communications der Universität von Kansas, die Lage. Insbesondere unter der Jugend Amerikas gilt der jugendliche Demokrat als "cool", weil er und sein Wahlkampfteam die digitale Klaviatur (Web 2.0) beherrschen. Für Perlmutter ist Obama deshalb "der perfekte Internet-Kandidat". Das könnte ihm den notwendigen Vorsprung für den Gewinn der Wahlen im November sichern.
Die politische Blogosphäre
Die traditionelle Wahlkampfwerbung im Fernsehen zielt auf einen passiven Zuschauer, der das Gesehene bewertet. Politische Aktivitäten im Internet holen den Wähler aber in das Geschehen hinein. So kann er in Online-Shops Parteidevotionalien erstehen oder sich in Chat-Rooms austauschen. "Die Erreichbarkeit der Wähler hat sich durch das Internet drastisch gesteigert", beobachtet Perlmutter, der insbesondere die politische Blogosphäre in seinem Buch "Blogwars: The new political Battleground" beschreibt.
Das Internet macht es den Menschen einfacher, sich zu engagieren und aktiv zu werden. Informationen können - auch über große Distanzen - hinweg vermittelt und geteilt, Gedanken mit Gleichgesinnten ausgetauscht werden. Die Wähler verlassen die Politikisolation, ein Umstand, der auch die in den USA traditionell geringe Wahlbeteiligung verbessern könnte.
Das Netz verändert aber auch die Beziehungen zwischen Politiker und Wähler, es entsteht mehr Nähe. Erfolgreiche Massenkommunikation, das hat die Vergangenheit gezeigt, besteht darin, die Leute persönlich zu erreichen und Kontakt zu schaffen. "Das Internet kann finanzielles und soziales Kapital einsammeln", fasst Tobias Moorstedt seine Erfahrungen zusammen, die er bei den Vorwahlen in den USA gesammelt und in einem Buch beschrieben hat ("Jeffersons Erben - Wie die digitalen Medien die Politik verändern").
Croudsourcing für Obama
Wie gut das bei Obama funktioniert beweist das sogenannte "Crowdsourcing". Die Wortschöpfung aus Menschenmenge (crowd) und Outsourcing meint, dass Bürger für ihren Kandidaten arbeiten, beispielsweise Spenden sammeln. Beobachter gehen davon aus, dass 80 Prozent von Obamas Wahlkampfspenden von rund 30 Millionen Dollar im Monat per Internet eingesammelt werden. Früher veranstalteten die Kandidaten Dinners für die Reichen einer Stadt oder Region und hofften auf großzügige Spenden einer Handvoll Leute. Heute werden auch die amerikanische Mittel- und Unterschicht über das Web angesprochen und um Geldbeträge gebeten.
Eine besondere Rolle bei den neuen politischen Aktivitäten kommt den Bloggern zu, die eine neue Kaste von Einflussnehmern bilden. Das musste schon Bill Clinton erfahren, über dessen Affaire mit Monica Lewinsky der "Drudge-Report", ein Blog des konservativen Matthew Drudge, berichtete. Zuvor waren die Informationen dem US-Magazin "Newsweek" angeboten worden, das die Nachrichten aber nicht veröffentlichte. Nach Ansicht von Medienspezialist Perlmutter sorgen insbesondere die militärischen Blogs ("Milblogs") in den USA derzeit für relative Ruhe über die vielen gefallenen Soldaten im Irak. Ohne das Ventil der freien Meinungsäußerung im Internet würde es viel mehr Proteste geben, glaubt Perlmutter.
Blogs versus traditionelle Medien
Da heute sowohl Politiker als auch Journalisten und politische Hilfskräfte über eigene Blogs verfügen, dienen die digitalen Gedanken auch den traditionellen Medien als Quelle und Anregung. Oft werden bekannte Blogger auch von Politikern angeheuert. Man schätzt, das Barack Obama über 100.000 registrierte Blogs verbuchen kann, die ihm nahe stehen.
Doch es gibt auch Nachteile dieser Entwicklung. Die politischen Blogs sind oft von rauher Herzlichkeit, der politische Gegner wird nicht selten diffamiert oder sogar mit Hasstiraden belegt. Zudem erhalten die Parteien immer detailliertere Informationen über die Bürger, da oft vertrauliche Daten gesammelt werden. Es besteht so die Gefahr, dass der einzelne Wähler viele für ihn maßgeschneiderte Werbung zugespielt bekommt.
Autor Moorstedt hat dieses Risiko erkannt, gibt aber nicht der Technik die Schuld: "Die Website ist nur die Hülle" für die Inhalte sei der Mensch verantwortlich. Für ihn steht aber fest, dass das Internet die politische Arbeit verändern wird. "Eine Medienrevolution ist immer auch eine politische Revolution", glaubt Moorstedt. Radio und Fernsehen hätten in der Vergangenheit zu neuen politischen Verhaltensweisen geführt und das gelte auch für das Internet. Der US-Wahlkampf ist die Hexenküche, in der alles ausprobiert wird. Deutschland wird folgen, ist sich Moorstedt sicher.
Zahlen: Die US-Wahlen 2008 im Web
Das private Forschungsinstitut Pew Internet & American Life Project hat die Internetnutzung in den USA im Wahljahr 2008 untersucht
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Danach hatten bis Juni 2008 rund 46 Prozent aller US-Bürger das Internet, E-Mail oder SMS-Techniken dafür benutzt, Wahlnachrichten zu erhalten oder ihre Ansichten mit anderen auszutauschen.
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35 Prozent der Bürger sahen sich ein Online-Video an, das mit den Wahlkampagnen zu tun hat, und zehn Prozent nutzten soziale Netzwerke für ihr politisches Engagement.
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*Bis zum Stichtag hatte fast jeder zehnte Internet-User einem Kandidaten online Geld gespendet.
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39 Prozent der US-Bürger, die einen Zugriff auf Online-Medien haben, haben sich Dokumente mit politischem Inhalt und Wahlkampfveranstaltungen angesehen.
Zeitreise durch die Wahlwerbung
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Den ersten Wahlspot im US-amerikanischen Fernsehen zeigten die Demokraten 1952 mit dem 60-Sekunden-Spot "Ike for president", der Dwight D. Eisenhower ins Amt bringen sollte.
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Bemerkenswert war die Auswirkung des ersten Wahlduells 1960 zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy. Da Richard Nixon schlecht rasiert im TV-Studio antrat, hatte er die Debatte nach Meinung der Fernsehzuschauer verloren. Die Radiohörer hingegen sahen ihn vorne liegen.
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1964 sorgte Lyndon B. Johnson mit dem "Daisy"-Wahlspot für so große Proteste, dass er nur einmal gesendet wurde.
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2007 wurden erstmals auf CNN in den Vorwahlen Fragen aus dem Internet zur Debatte zugelassen.
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Heute ist Youtube voll mit privaten Wahlspots, die für den einen oder den anderen Kandidaten werben, beispielsweise das Obama-Girl.
Ersetzen Blogs Nachrichtenagenturen?
Jennifer Skala, Redakteurin des politischen Blogs "Hotline On Call" , runzelt die Stirn, als ihr europäische Journalisten die Frage stellen, was denn der Unterschied zwischen einem Blog und einer Online-News sei. Ein Blog ist nach ihrer Definition "ein konstanter Informationsfluss, der auch Kommentare, Bilder und Videos enthalten kann". Die Sprache sei, etwa im Vergleich zu Online-News, aber viel informeller; man dürfe im Blog-Beitrag auch Stimmung machen. Wichtig sei vor allem die Geschwindigkeit, mit der veröffentlicht wird. "Der Neuigkeitenzyklus hat sich erhöht: Alles läuft viel schneller."
Deutsche Blogs funktionieren demgegenüber viel behäbiger: Zuerst kommt die Nachricht, die dann im Blog kommentiert wird. Information und Kommentar bleiben hierzulande meist noch getrennt.
Die Blogger in den USA, so scheint es, sind ständig auf der Jagd nach dem Scoop, dem Ereignis, über das sie als erste berichten können. Dabei durchforsten die Mitarbeiter traditioneller Medien, also von Zeitung, Radio und TV, oftmals die bekanntesten Weblogs und holen sich dort die aktuellsten Meldungen und Gerüchte. Die Blogger übernehmen damit die Aufgabe, die traditionell die Nachrichtenagenturen übernommen haben: die schnelle Übermittlung von Neuigkeiten. Da aber Meinungen und Gerüchte mit der Nachricht verwoben werden, besteht die Gefahr, dass die Blogger ein für den Leser undurchschaubares Neuigkeitenpaket schnüren - das erinnert an die Finanzpakete, die US-Banken aus guten und schlechten Immobilienkrediten schneiderten und die selbst Finanzprofis nicht mehr durchblickten.
So bleibt die Frage der Verantwortung für die News noch außen vor, wird aber zunehmend gestellt. Erst kürzlich wurde vom "iReport", der von CNN betrieben wird, die Falschmeldung gestreut, Apple-Chef Steven Jobs sei mit Verdacht auf Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, worauf der Kurs der Apple-Aktie massiv an Wert verlor. Ob die Meldung eine gezielte Fehlinformation war, wird derzeit von der US-Börsenaufsicht untersucht.
Andererseits können Blogs auch das Gegenteil bewirken und Falschmeldungen traditioneller Medien als solche identifizieren, weil oft mehrere Personen einen Vorfall beobachten und in ihren Blogs ihre Sicht der Dinge darstellen können. Jennifer Skala beantwortet die Frage nach der Verantwortung für die Inhalte mit der Pressefreiheit: "Wir haben das verfassungsmäßige Recht zu bloggen."