CW-Analyse Bewerbung

Note "mangelhaft" für IT-Firmen

08.05.2008 von Svenja Hofert
Die COMPUTERWOCHE hat die Online-Bewerbungsformulare von zehn bekannten IT-Unternehmen getestet. Die Ergebnisse fallen alles andere als schmeichelhaft aus.

Milliardenverluste durch Fachkräftemangel beklagte neulich das Institut für Berufs- und Arbeitsmarktforschung (IAB) in Nürnberg - und fast alle Medien schließen sich der "Jagd nach Ingenieuren" und Fachkräften aus der IT an. Doch was tun die Arbeitgeber?

Die logische Konsequenz für das E-Recruiting läge darin, schon früh nach dem begabten Nachwuchs zu suchen und schnell auf interessante Bewerbungen zu reagieren. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Unser Test bei zehn namhaften Unternehmen der IT-Branche zeigt: Bewerbungen werden langsam, unflexibel und unprofessionell bearbeitet. Eine ausgesprochen positive Ausnahme macht unter den zehn Testunternehmen allein der IT-Dienstleister CSC Deutschland, ehemals CSC Ploenzke, der 91.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt.

Sechs Monate bis zur Einladung

Einen eher gegenteiligen Eindruck hinterlässt die IDS Scheer AG bei den Bewerbern. Der Redaktion liegen allein drei Fälle vor, in denen Bewerber erst fünf bis sechs Monate nach dem Ausfüllen des Online-Fragebogens kontaktiert wurden. Unsere Testbewerberin ärgerte sich schon beim Ausfüllen: Neben dem Gehaltswunsch wurde auch nach einem Foto gefragt - in einer globalen Arbeitswelt eine seltsam deutsche Anforderung.

Als die Einladung nach Monaten eintraf, waren übrigens alle Bewerber längst bei einem anderen Arbeitgeber untergekommen. Umso irritierter zeigten sie sich angesichts der Vorstellung von IDS Scheer: "Die wollten doch tatsächlich, dass ich in der nächsten Woche zum Interview komme. Kein Wort der Entschuldigung für die lange Bearbeitungsdauer!", berichtet eine Bewerberin. Ein halbes Jahr lang hatte es keinen Hinweis auf die noch laufende Bearbeitung gegeben.

Hintergrund für die langen Wartezeiten ist der hohe Anspruch der Arbeitgeber, die sich mit der Suche nach der möglichst vollkommenen Arbeitskraft lieber Zeit lassen, als selbst in die Ausbildung zu investieren. Dabei liegt die Ursache für die langsame Bearbeitung entgegen mancher Vermutung oft nicht in der Personalabteilung. "Meist geben die Personaler die Bewerbungen an die Fachabteilungen weiter. Die rühren sich vielleicht bei Spitzenprofilen, lassen die zweite Riege aber liegen", beobachtet Udo Völke, Geschäftsführer von TMP Communication & Services, einem Personaldienstleister aus Wiesbaden. Es könnte ja sein, dass sich doch jemand findet, der besser geeignet ist. In diesen Zeiten mutet das an wie das Warten auf ein Wunder: "Man muss auch bereit sein, Mitarbeiter aufzubauen und hochzuziehen", so Völke. Er verweist auf den englischen Arbeitsmarkt: "Dort beenden die Recruiter das Bewerbungsverfahren, wenn beispielsweise zehn Zuschriften eingegangen sind. Man wartet nicht Monate, ob sich doch jemand findet, der noch besser passt."

Zu wenig Automatisierung

Udo Völke: Die Firmen sind oft nicht bereit, Mitarbeiter aufzubauen und lassen die Stelle lieber unbesetzt.

Laut Völke ist auch das elektronische Bewerbungsverfahren in Deutschland noch nicht ausgereift. Anstatt sich um knappe Experten zu bemühen und ihnen im Bewerbungsprozess entgegenzukommen, werde zu viel von ihnen verlangt. Mehr als zehn Minuten seien die Topbewerber selten bereit, in ihre Wechselaktivitäten zu investieren. In unserem Test dauerte es beispielsweise bei SAP und AOL deutlich länger, den Bewerbungsfragebogen auszufüllen. Dennoch lässt sich bei den IT-Unternehmen der Trend zum kurzen Formular, das sich im ersten Schritt auf die Anfrage der wesentlichen Informationen beschränkt, deutlich ablesen. Angenehm überschaubar ist etwa das Formular von Microsoft. Allerdings werden oft nicht die wesentlichen Informationen abgefragt, sondern Überflüssiges wie der Familienstand (AOL, CSC). Effektiver wäre es, sich auf das für die jeweilige Position Relevante zu beschränken.

Übertragungsfehler en masse

Der Glaube, dass die IT-Branche sehr professionell mit ihrem E-Recruiting umgeht, weil sie doch im Besitz des technischen Know-hows ist, wurde durch den Test gründlich zerstört. Die Testbewerbung beim weltweit tätigen IT-Dienstleister Atos Origin schlug an verschiedenen Tagen, von diversen PCs aus abgeschickt, insgesamt sechsmal fehl. Das Formular unserer Testbewerberin wurde nicht übertragen. Bei AOL scheiterte die Übertragung ebenfalls zweimal. Es gab weder einen Fehlerbericht noch eine Übertragungsbestätigung. Auch die anderen Anbieter geizten mit dem wichtigen Hinweis, dass das Formular korrekt übertragen worden sei. Dies ist nicht nur bei unserem Test ein weit verbreitetes Problem: "Bosch hat meine komplette Bewerbung ins Nirwana versenkt. Dahinter steckten für mich über zwei Stunden harte Arbeit beim Ausfüllen. Nach Aussage des Unternehmens wurden durch einen Systemfehler die Attachments gelöscht und ließen sich nicht wieder rekonstruieren", so ein Bewerber.

Fehler werden nicht bemerkt

Ebenfalls ein Fauxpas: Fehler in der Bewerbung, die immer auch technische Ursachen haben können, führen nicht etwa dazu, dass sich die Fach- oder Personalverantwortlichen freundlich melden, sondern häufig zum Ignorieren der kompletten Bewerbung. So bewarb sich eine Testperson, ohne ihren Lebenslauf hochzuladen. Unglaublich, wenn man sich die Erfahrungen der Kandidatin betrachtet - einer jener gesuchten Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht: Diplominformatikerin, 28 Jahre, Schwerpunkt Security, einschlägige nebenberufliche Erfahrung in der SAP-Anwendergruppe DSAG, Super-Examensnote. Bei einigen Unternehmen gab es, vermutlich aufgrund des fehlenden Dokuments, keine Eingangsbestätigung - nicht nach 48 Stunden und auch nicht nach einer Woche. Einzig Microsoft- und Siemens-Formulare sind so eingestellt, dass sie sich nur abschicken lassen, wenn auch der Lebenslauf "up" ist, andernfalls erhält der Bewerber einen Hinweis.

Probleme bereiten auch immer wieder die unterschiedlichen Browser bei den Benutzern. So berichten Firefox-Anwender über besonders viele Probleme mit Formularbewerbungen.

Online-Formular - das wäre wünschenswert

  • Ausfülldauer weniger als zehn Minuten;

  • nur für die Stelle relevante Angaben nötig;

  • Möglichkeit, zentrale Daten über XML-Schnittstellen hochzuladen;

  • kein Gemisch aus mehreren Sprachen;

  • Reaktion bei erfolgreichem Versand des Formulars;

  • Eingangsbestätigung mit Information über Bearbeitungsdauer;

  • Abwicklung in nicht mehr als zwei Wochen;

  • individuelle Herangehensweise (persönliche Mails oder telefonische Kontakte);

  • Texte, denen man anmerkt, dass sie von einem Menschen geschrieben worden sind.

Lieber keinen Fortschritt!

Zudem bleiben technische Möglichkeiten oft ungenutzt. Lebensläufe der Kandidaten via XML-Schnittstelle in ein Online-Formular zu übertragen ist eigentlich kein Problem. Die Praxis sieht indes anders aus. Das IT-Portal Resoom hat mit "meinwebprofil" schon vor drei Jahren eine XML-Schnittstelle eingebaut, die es erlaubt, IT-Profile einfach per Klick in Online-Bewerbungsformulare zu übertragen. Doch die Firmen weigern sich vielfach, dies zu nutzen. "GFT Resource hat mir erklärt, man werde die Profile, die automatisiert von Anbietern wie MeinWebProfil.de übermittelt werden, überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nehmen", schreibt ein Bewerber. "Man muss es den Fachkräften so einfach wie möglich machen, sich zu bewerben", so TMP-Mann Völke. Denn bei den Bewerbern hat sich das schlechte Image der Internet-Bewerbung längst verfestigt: "In meinen Seminaren geht ein Raunen durch die Reihen, wenn ich die Online-Bewerbung anspreche", so Armin Trost, Professor für Human Resource Management an der Fachhochschule Furtwangen. "Fast alle haben negative Erfahrungen damit gemacht."

Online-Bewerbung: So schlagen sich SAP, Microsoft und Co.