Kolumne

"Nichts geht mehr strategisch"

07.02.2003
Christoph Witte Chefredakteur CW

Das waren noch Zeiten, als Informationstechnik für Fortschrittlichkeit und Modernität stand. Bei diesem Stellenwert kam die Frage nach Betriebskosten, Wertbeitrag oder Return on Investment einer Gotteslästerung gleich. Und jeder IT-Chef war gut beraten, sich Zweiflern gegenüber genauso konsequent zu zeigen wie kirchliche Inquisitoren angesichts von Ketzerei. Ihm standen zwar im Umgang mit Ungläubigen nicht die gleichen Mittel zu Gebote wie Mutter Kirche, aber der nebulöse Hinweis auf die strategische Bedeutung eines IT-Projektes reichte meistens aus, um den Kritiker als Ewiggestrigen oder gar als Maschinenstürmer zu geißeln.

Das ist heute ganz anders: "Strategische Spielwiesen gibt es nicht mehr", bemerkte kürzlich der IT-Chef eines Großunternehmens in einer Diskussion mit CW-Redakteuren. "Jedes Projekt muss sich rechnen, sonst wird es nicht gemacht."

In allen anderen Bereichen eines Unternehmens gehörte die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens schon immer zum ganz normalen Geschäftsgebaren. In der IT dagegen scheint sich die Einsicht in die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens erst in den letzten Jahren durchgesetzt zu haben. Beileibe nicht deshalb, weil IT-Manager weniger schlau wären als andere oder das Geldausgeben erfunden hätten. Es wurde einfach von den Kunden der IT nicht verlangt. Sie wollten ihre Anforderungen erfüllt sehen, und im Gegenzug belastete sie die IT-Abteilung mit den Kosten oder einer höheren Umlage. Ein einfaches wie sinnvolles Verfahren, weil sich die im Erfolgsfalle gestiegene Effizienz in den Prozessen der Kunden niederschlug und sie davon durch höhere Umsätze und/oder niedrigere Kosten profitierten. Das heißt, die Messlatte für den Erfolg einer IT-Investition wurde eigentlich immer außerhalb der IT-Abteilung angelegt.

Jetzt, wo das Geld knapp ist, soll die IT nachweisen, dass sich die Investitionen beispielsweise in ein Kunden-Management-System lohnen. Genau besehen, ist das sehr viel verlangt. Die IT kann zwar belegen, dass sie die entsprechenden Systeme günstig einkauft, effizient implementiert und betreibt, aber dass sie vom Marketing oder Vertrieb auch richtig eingesetzt werden, kann sie nur bedingt beeinflussen.

Jetzt soll hier keineswegs der Schwarze Peter hin und her geschoben, sondern nur noch einmal darauf hingewiesen werden, dass bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von IT-Projekten auch immer die durch sie unterstützte Prozesskette untersucht werden muss. Wenn auch das Risiko zu scheitern durch eine breitere Analyse im Vorfeld nicht viel kleiner wird, lassen sich so die Ursachen für Fehler aber genauer und auch fairer fassen.

Ein anderer Weg wäre es, die IT-Abteilung stärker für den Einsatz von IT und für die Prozessdefinition in den Fachabteilungen verantwortlich zu machen. Nur in diesem Fall könnte sie auch für die fehlende Wirtschaftlichkeit eines Projektes allein belangt werden.