Corporate Social Responsibility (CSR)

Nicht nur zur Weihnachtszeit

19.12.2012 von Ingrid  Weidner
Heute versehen viele Firmen ihr soziales und gesellschaftliches Engagement mit dem Label Corporate Social Responsibility (CSR). Doch um als Unternehmen davon zu profitieren braucht es mehr, als nur Schecks zu überreichen.

"Wer Gutes tun will, muss es verschwenderisch tun", wusste schon Martin Luther. Großzügigkeit klingt ziemlich altmodisch und in den Ohren von manchem Manager befremdlich, vor allem wenn das eigene Credo lautet "Geiz ist geil" und "Alles meins". Doch es zeichnet sich ein neuer Trend ab: Im Unternehmensbarometer 2012 der deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist zu lesen, dass die Bereitschaft von Firmen hierzulande überdurchschnittlich hoch ist, sich gesellschaftlich und sozial zu engagieren. Für größere Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeiter gehört es ganz selbstverständlich dazu, doch auch immer mehr mittelständische und kleinere Betriebe denken darüber nach und werden aktiv.

Uwe Rotermund von Noventum lebt sein soziales Engagement aktiv vor.
Foto: Privat

"Seit unserer Unternehmensgründung ist es ein strategisches Thema für uns", sagt der IT-Manager Uwe Rotermund, der heute rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn er über die rund 20 Projekte seines Unternehmens spricht, wird schnell klar, wie wichtig dem Geschäftsführer von Noventum aus Münster dieses Engagement ist. Sport, Umwelt, Kultur, Jugend, Ausbildung, Unterstützung von Schwachen und Hilfsbedürftigen sowie Verbandsarbeit in der Region nennt der IT-Manager als Handlungsfelder für das soziale und gesellschaftliche Engagement seiner Mitarbeiter. Mit ihrem Know-how halfen beispielsweise Noventum-Marketing-Experten für den Münsteraner Freilandzoo Spenden für ein neues Elefantenhaus zu sammeln, Noventum fördert auch exotische Sportarten wie Trampolin-Springen oder bringt türkische und deutsche Kinder in einem Musikprojekt zusammen.

"Skateboards statt Kalaschnikows"

Etwas aus dem Rahmen fällt dagegen das Projekt "Skatistan" am fernen Hindukusch, das Rotermund ebenfalls unterstützt. Mit dem in Münster lebenden Unternehmer Titus Dittmann, den Insider nur "Skateboard-Papst" nennen, weil er diesen Trend aus den USA nach Deutschland brachte, ist Rotermund seit vielen Jahren befreundet. Als Dittmann 2008 die Idee hatte, Kindern und Jugendlichen im kriegszerstörten Afghanistan mit Skateboards und Halfpipes eine Alternative zu Kriegsspielen zu bieten, war Rotermund als Sponsor dabei. Noventum fördert auch die inzwischen gegründete Dittmann-Stiftung "Skate Aid", die auch in anderen Kriegs- und Krisengebieten Kindern Skateboards und damit neue Ideen bringt. Die jedes Jahr in Münster stattfindende Spendengala organisiert Noventum.

Neben langfristigen, von der Geschäftsleitung ausgesuchten und mit einem festen Budget versehenen Projekten, können die Mitarbeiter eigene Ideen mit eigenem Budget einbringen. Manche sponsern mit dem Geld ein neues Ruderboot für einen Sportverein, Trikots für ein Fußballteam oder neue Wandfarbe für ein Kulturzentrum. "Es gibt nur eine Bedingung", ergänzt der Firmenchef: "Jeder Mitarbeiter schreibt anschließend einen Bericht für das Intranet. Diese interne Öffentlichkeitsarbeit soll andere Kollegen ermutigen, sich ebenfalls zu engagieren."

Gerade in der Weihnachtszeit klopft bei vielen Managern das schlechte Gewissen an die Tür, und mancher Firmenchef hat besonders viele Fototermine, bei denen er Schecks überreicht. Das ist nichts schlechtes, denn auch monetäres Engagement zählt. Doch wer sich Corporate Social Responsiblity (CSR) auf die Fahnen schreibt, muss mehr tun, als einmal im Jahr das Scheckbuch zu zücken.

"Natürlich reduziert sich der Gewinn des Unternehmens durch das Engagement", gibt Noventum-Chef Rotermund zu. Doch in einen anonymen Topf einzuzahlen oder nur einen Scheck zu überreichen, war keine Option für den IT-Manager. Dagegen schätzt er andere Effekte, etwa dass er und seine Mitarbeiter stolz auf das Unternehmen sind und gerne für Noventum arbeiten. Außerdem erhöhe sich die Wirkung der eigenen Marke. Der IT-Dienstleister investiert jährlich einen fünfstelligen Betrag für CSR-Projekte. "Trotzdem ist Platz für Mitarbeiter-Boni", freut sich Rotermund.

Der englische Begriff Corporate Social Responsibility umfasst mehr als soziales und gesellschaftliches Engagement. Unternehmen, die gemäß CSR agieren, wirtschaften vorausschauend, behandeln ihre Beschäftigten fair und übernehmen Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. "CSR umfasst die gesamte Wertschöpfungskette - von der Beleuchtung in den Fabriken, den Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit und eben auch soziales und gesellschaftliches Engagement", erläutert Carsten Fuchs, Geschäftsführer der Agentur Gute Botschafter in Haltern am See.

Der Tag der Hilfsbereitschaft: Wilhelm Seibel (Seibel Designpartner), Sabine Röhler (CJD Frechen), Frank Gockel (Gute Botschafter) machen den Garten einer älteren Dame winterfest.
Foto: Privat

"Viele Unternehmen machen sich Gedanken dazu, andere haben schon eine lange Tradition im Helfen", weiß Fuchs. Dass gute Ideen manchmal auch kritisch bei denen ankommen, denen eigentlich geholfen werden soll, erlebte der Agenturchef beim "Tag der Hilfsbereitschaft" selbst. Er und seine rund 30 Mitarbeiter wollten den Bürgern von Haltern am See, einer Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern in der Nähe von Köln, einen Arbeitstag schenken. Obwohl die Idee in der Lokalpresse angekündigt wurde, gab es 2008, als das Projekt an den Start ging, auch skeptische Stimmen. "Viele konnten sich nicht vorstellen, dass ihnen jemand ohne Grund hilft. Deshalb war eine häufige Frage: "Da ist doch ein Haken dran" oder die Befürchtung "Sie sammeln doch Spenden", erinnert sich Fuchs.

Inzwischen schmunzelt er darüber, denn in den vergangenen Jahren haben die Agenturmitarbeiter sowie die Bürger von Haltern am See einiges dazugelernt. "Man muss an einer Idee dran bleiben, sollte nicht zu sprunghaft sein", empfiehlt er. Inzwischen gehen viele Wünsche bei den Guten Botschaftern ein. Auch die skeptischen Rentner auf dem Wochenmarkt lassen sich inzwischen die Taschen tragen, obwohl sie anfangs noch befürchteten, die freundlichen Helfer würden mit den Einkäufen türmen. "Wir machen nichts Besonders, mähen beispielsweise den Rasen, putzen Rentnern die Fenster und harken das Laub im Garten eines Kindergartens. Für die jüngeren Kollegen ist es eine neue Erfahrung, ihre Hilfe anzubieten. Und wir haben gemerkt, dass es gerade älteren Menschen schwer fällt, sich helfen zu lassen." Mit dem direkten Engagement verändere sich auch das Miteinander im eigenen Unternehmen, davon ist Fuchs überzeugt.

"Wir pflanzen einen Baum"

Einen ganz anderen Aspekt suchte sich Host Europe in Köln aus. Janine Poullie koordiniert dort alle CSR-Aktivitäten. "Als Betreiber von Rechenzentren ist unser Energieverbrauch hoch. Deshalb sind uns Umweltfragen und Energieeffizienz besonders wichtig", betont Poullie. Host Europe achtet beispielsweise darauf, den Strom von einem zertifizierten Anbieter zu beziehen, der in erneuerbare Energiegewinnung investiert. Außerdem pflanzte das Unternehmen gemeinsam mit Pro Klima in den vergangenen eineinhalb Jahren weltweit rund 80.000 Bäume. Seit April können sich auch Kunden an dem Projekt beteiligen und für einen Euro einen Baum erwerben. Vier Wochen lang spendete Host Europe einen weiteren dazu.

Einen sparsamen Umgang mit Energie berücksichtigten die Kölner auch beim Bau ihrer Rechenzentren. Mit der Abwärme der Server werden beispielsweise die Büros beheizt. "Unsere Mitarbeiter können in einer Ideendatenbank ihre Vorschläge eintragen, die ein Gremium sichtet", erklärt Poullie. Gerade tüftelt die CSR-Expertin an der Umsetzung einer solchen Idee. Eine Gruppe von IT-Spezialisten möchte alte Server fachmännisch zerlegen, verwertbare Rohstoffe recyceln sowie Reststoffe ordnungsgemäß entsorgen. Das Geld aus dem Verkauf soll anschließend gespendet werden. Doch bevor die Host-Europe-Mitarbeiter zum Schraubenzieher greifen können, muss Poullie noch einige knifflige, rechtliche Fragen klären.

Gerechte Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern spielen für das Unternehmen mit seinen rund 255 Angestellten ebenfalls eine wichtige Rolle. Poullie nennt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen wichtigen CSR-Baustein. Deshalb leistet sich Host Europe eine eigene Kita mit zehn Plätzen. Eltern können dort Babys ab acht Wochen in die Obhut der Erzieherinnen geben. "Gerade viele Mütter können auf diese Weise wieder früher einsteigen. Durch die räumliche Nähe verbringen viele Eltern ihre Mittagspause mit den Kindern. Beruf und Familie lassen sich so besser vereinbaren", erläutert Poullie. Um die Kita auszubauen, sucht Host Europe gerade andere Mitstreiter in Köln.

Die Ideen und Projekte für soziales und gesellschaftliches Engagement von Firmen sind vielfältig. Meistens sind die Investitionen überschaubar, doch ohne Elan und die Unterstützung des Managements stagniert so manches Projekt. Doch gemeinsames Engagement beflügelt Mitarbeiter auch in ihren Arbeitsalltag, davon sind die befragten Unternehmen überzeugt. Carsten Fuchs fasst es so zusammen: "Vielen gefällt die Idee, mit ihrem eigenen Handeln die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen." Das klingt zwar nach Weihnachten, doch auch da freuen sich idealerweise Schenkende und Beschenkte gleichermaßen. Großzügigkeit zahlt sich also aus.

Tipps für erfolgreiches Engagement

Carsten Fuchs, Agentur Gute Botschafter: "Unternehmen sollten Vorschläge ihrer Mitarbeiter zum Thema Soziales Engagement mit einbeziehen."
Foto: Privat

Carsten Fuchs, Geschäftsführer der Agentur Gute Botschafter in Haltern am See gibt Tipps, wie soziales und gesellschaftliches Engagement gelingen kann:

  1. Mitarbeiter beteiligen: Unternehmen sollten Vorschläge für das Engagement aus dem Mitarbeiterkreis einbeziehen und die Beschäftigten an den Aktionen beteiligen. Schließlich komme diese Großzügigkeit auch der Firma zu Gute. Gelungene Projekte erhöhen die Motivation der Mitarbeiter und tragen gleichzeitig zur Teambildung bei. Außerdem identifizieren sich die Beschäftigen dadurch meistens stärker mit ihrer Firma.

  2. Engagement in die Arbeit des Unternehmens einbeziehen: Mitunter ergeben sich Projekte direkt aus den Geschäftsfeldern des Unternehmens. Oftmals liefern Mitarbeiter auch die Ideen dazu.

  3. "Tue Gutes und rede darüber": Systematisch darüber informieren, was eine Firma tut und wofür sie sich engagiert. Oftmals üben sich kleinere Unternehmen hier in falscher Bescheidenheit, meint der Kommunikationsprofi.

Autisten als Softwaretester

Software-Testing und technische Dokumentation bieten verschiedene Firmen an. Doch das Berliner IT-Beratungsunternehmen Auticon beschäftigt für diese Aufgaben nur Autisten.

"Wir sind ein ganz normales Beratungsunternehmen", betont Dirk Müller-Remus, Geschäftsführer von Auticon und ergänzt: "allerdings mit speziellen Mitarbeitern". Von den elf Angestellten sind sechs als Asperger-Autisten diagnostiziert. Manche Gesprächspartner denken dann an berühmte Filmfiguren, die Telefonbücher auswendig lernen, wie der von Dustin Hoffman dargestellte Charakter in Rain Man. Doch dieses Hollywood-Klischee umschreibt die Realität nur ungenau. Müller-Remus erklärt seinen Gesprächspartnern sachlich und routiniert das Besondere seiner Mitarbeiter.

Der Vater von vier Kindern weiß von seinem Sohn, über welche besonderen Begabungen Asperger-Autisten verfügen. "Diese ungeheueren Detailkenntnisse und hohe Konzentration auf ein Thema sind ungewöhnlich. Selbst kleine Fehler fallen ihnen sofort auf", weiß Müller-Remus. Oft sei das besondere Steckenpferd von Asperger-Autisten Informatik, Mathematik und Logik. Außerdem bringen viele genau die Fähigkeiten mit, die Arbeitgeber schätzen, nämlich eine hohe Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Loyalität. Die außerordentliche Beobachtungsgabe und ein fotografisches Gedächtnis runden das Profil ab.

Aber der Familienvater kennt auch ihre Probleme. Oftmals überfordern Autisten Gesprächspartner mit direktem Augenkontakt, Redewendungen nehmen sie wörtlich und unvorhergesehene Abweichungen von ihrer Routine lösen großen Stress aus. "Nur rund 15 Prozent aller Menschen mit Asperger-Syndrom finden einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt", gibt er zu Bedenken. Vor einem Jahr gründete der Softwareentwickler Auticon. Sozialromantik zählt ganz sicher nicht zu seinen Motiven, denn Auticon will mit dem intellektuellem Potenzial seiner Mitarbeiter punkten und auf diese Weise Umsätze generieren: "Wir sind kein Sozialunternehmen."

Trotzdem gibt es einige Unterschiede, etwa das aufwändige, dreistufige Recruiting der zukünftigen Mitarbeiter. In der ersten Gesprächsrunde geht es um persönliche Stärken und Motivation der Bewerber, im zweiten Gespräch steht die fachliche Qualifikation, Lernfähigkeit sowie logisches Denken im Mittelpunkt. An einem weiteren Nachmittag sprechen Autismus-Experten der Freien Universität Berlin mit den Interessenten. Am Ende des umfangreichen Auswahlverfahrens werden die Kandidaten in mehrmonatigen Trainings auf ihren neuen Job vorbereitet. "Viele haben einen langen Leidensweg hinter sich und unterschätzen ihre Fähigkeiten", weiß Müller-Remus. Manche bringen sogar ein abgeschlossenes Informatikstudium mit.

Arbeitsplatzspezifische Fertigkeiten wie Umgang mit Stress, Kommunikation und Teamfähigkeit trainieren die Mitarbeiter drei Wochen lang intensiv mit den Job-Coaches, die sie auch später im Berufsalltag um Hilfe bitten können. Ein zweimonatiges IT-Fachtraining zu den Methoden des Softwaretestens sowie eine Prüfung schließen sich an.

"Alle unsere Erwartungen haben sich erfüllt", schwärmt Müller-Remus von seinen Mitarbeitern. Das umfangreiche Training hilft den Bewerbern, neues Selbstvertrauen zu gewinnen und ihre IT-Fertigkeiten auszubauen. Bevor die Teams zum Kunden gehen, bereiten die Job-Coaches die Auftraggeber auf ihre künftigen IT-Berater vor. Eine klare Sprache, die auf Redewendungen und Sprichwörter verzichtet, ein fester Ansprechpartner im Team sowie klare Arbeitsanweisungen sind die einzigen Unterschiede. Und der Hinweis, dass die Auticon-Mitarbeiter entwaffnend ehrlich sind.

Müller-Remus baut gerade weitere Standorte in Düsseldorf und München auf, 2013 sollen Niederlassungen in Frankfurt und Hamburg hinzukommen. Denn eine Eigenschaft teilen die Mitarbeiter von Auticon mit anderen Softwarespezialisten: Sie ziehen nur sehr ungern um und lieben Routine.