Neues vom HP-Verwaltungsrat: Schmutzige Tricks im Management

07.09.2006
Der Führungszirkel von Hewlett-Packard (HP) steckt in der Krise: Eine seit Monaten andauernde Schlammschlacht im Verwaltungsrat (Board) des Konzerns ist in die Öffentlichkeit gelangt.
Patricia Dunn: Sie ordnete die "Untersuchung" an.

Mit einem Leck fing alles an: Immer wieder waren Informationen über die Strategie des IT-Konzerns HP an verschiedene Presseorgane wie das "Wall Street Journal" und den Branchendienst "News.com" übermittelt worden, um dort detailliert vor den Lesern ausgebreitet zu werden. Die Fakten waren nur einem kleinen Kreis von Top-Managern bekannt, so dass im vergangenen Jahr Patricia Dunn, die Vorsitzende des HP-Boards, externe Dienstleister mit einer heiklen Mission beauftragte - den Maulwurf an der Firmenspitze aufzuspüren. Im Mai 2006 wurden dem Board die Ergebnisse der Untersuchung vorgelegt: Demnach konnte über Verbindungsnachweise von Telefongesprächen ermittelt werden, dass Board-Mitglied George Keyworth mit Medien in Kontakt gestanden hatte. Er stritt die Anschuldigungen nicht ab und wurde aufgefordert, seinen Posten im Gremium aufzugeben, was er jedoch ablehnte.

Der Atomphysiker Keyworth sitzt seit 1986 im Verwaltungsrat von HP, arbeitete im Los Alamos National Laboratory und war Wissenschaftsberater des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Derzeit fungiert Keyworth unter anderem als Chairman der konservativen Forschungseinrichtung "Progress and Freedom Foundation" (PFF), die sich mit den Auswirkungen der "digitalen Revolution" auf die Gesellschaft beschäftigt und in Washington politischen Einfluss geltend machen will. Überdies berät er den amtierenden Präsidenten George W. Bush.

Mittlerweile hat der interne Board-Skandal jedoch eine eigene Dynamik entwickelt und sich von der Person Keyworth entfernt. Es geht nur noch um die Fragen, wie der externe Dienstleister (und der wiederum von ihm beauftragte "Zulieferer") in den Besitz der Verbindungsnachweise des privaten Anschlusses von Keyworth gelangt ist, ob die Vorgehensweise strafbar ist und welche Konsequenzen sich daraus für HP-Chairwoman Dunn ergeben. In einem Schreiben vom Mittwoch an die US-Börsenaufsicht SEC hat HP zugegeben, dass die Informationen in einigen Fällen unter Vorspiegelung falscher Angaben zur Person gesammelt wurden. Das Verfahren nennt sich in den USA "Pretexting". Kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass Pretexting auf Bundesebene nicht strafbar ist, während etwa im Staat Kalifornien, dem Sitz von HP, schärfere Gesetze gelten. Dies trifft indes nur für die Beschaffung von Telefondaten zu, während persönliche Finanzinformationen - im Idealfall - besser geschützt sind.

George Keyworth, der Maulwurf im Board von HP.

Es ist also möglich, bei einer Telefongesellschaft wie AT&T anzurufen, sich mit einer privaten Telefonnummer und den letzten vier Ziffern der Sozialversicherungsnummer als Keyworth auszugeben, um einen Einzelverbindungenachweis anzufordern beziehungsweise einen Online-Account zu eröffnen. Die Sozialversicherungsnummern seiner Board-Mitglieder sollten HP bekannt sein. Laut "Wall Street Journal" kostet die Beschaffung der letzten 100 Handy-Anrufe einer Person in den USA rund 65 bis 100 Dollar. Einschlägige Dienstleister werben mit ihren Angeboten und Tarifen im Internet.

Allerdings ist nicht geklärt, ob HP-Chairwoman Dunn von der Vorgehensweise gewusst und sie explizit gebilligt hat. In diesem Fall könnte ihr gegebenenfalls ein Strick daraus gedreht werden. Allerdings ist fraglich, ob derartige Anweisungen an den Dienstleister in schriftlicher Form erfolgt und vor Gericht verwertbar sind - Kaliforniens leitender Staatsanwalt Bill Lockyer bezeichnete die Recherchemethode ungeachtet ihrer rechtlichen Konsequenzen als "extrem dumm". Nach Angaben eines HP-Sprechers sei der Dienstleister angewiesen worden, nur legale Methoden zur Informationsgewinnung zu verwenden. Zudem wäre HP der Einsatz von Pretexting nicht bekannt gewesen. Die Namen der beiden Dienstleister nannte der Konzern indes nicht.

Die Untersuchungsmethode hatte aber noch für ein weiteres Board-Mitglied Konsequenzen. Tom Perkins, Gründer der einflussreichen Venture-Capital-Firma Kleiner Perkins Caufield & Byers und Berichten zufolge ein Freund von Keyworth, erklärte im Mai nach Bekanntgabe der internen Untersuchung überraschend seinen Rücktritt aus dem HP-Board. Er störte sich an der Art und Weise, wie HP an die Verbindungsdaten gekommen ist - was wohl vor allem daran lag, dass auch seine Telefoninformationen mittels Pretexting beschafft worden waren.

Der Titel von Carleton Fiorinas neuem Buch: "Tough Choices".

Perkins, der die laufende Board-Sitzung im Mai wutentbrannt verlassen hatte, brachte schließlich den Stein ins Rollen: Er informierte später die Börsenaufsicht SEC über die Vorgänge, die wiederum eine Untersuchung einleitete. Es sei ihm darum gegangen, ließ Perkins über seinen Anwalt mitteilen, dass der Markt und die SEC die wahren Gründe für sein Ausscheiden aus dem Amt erfahren. Wer im Verwaltungsrat neben Keyworth und Perkins überwacht wurde, ist derzeit nicht bekannt. Am 31. August hat das HP-Board entschieden, dass Keyworth für die kommende Wahl des Gremiums im Frühjahr 2007 nicht mehr nominiert wird.

Auch die ehemalige HP-Chefin Carleton Fiorina war während ihrer Amtszeit reichlich genervt von der Arbeit des Maulwurfs. Schließlich erweckten die Medienberichte den Anschein, es habe sich ein Graben zwischen ihr und dem Verwaltungsrat aufgetan - wohl nicht zu unrecht, wie ihre spontane Entlassung Anfang 2005 zeigte. Auch in diesem Fall waren vorab Informationen an die Presse weitergegeben und unter anderem von der Computerwoche zitiert worden. Fiorina wird sich ihrerseits am 9. Oktober in die Diskussion einschalten, wenn ihre Autobiographie "Tough Choices" auf den Markt kommt. Dort erzählt sie dann ihre Sicht der Dinge - mit "brutaler Offenheit", wie die Werbung verheißt. (ajf)