Neue Standards für WLANS

01.04.2004 von Eric Tierling
Die Vorteile von Wireless LANs wie mehr Mobilität und Produktivität der Mitarbeiter sowie geringere Infrastrukturkosten sind unumstritten. Von den IT-Abteilungen fordert die Funktechnik aber auch mehr Flexibilität, um auf die kommenden Standards in Sachen Sicherheit und Geschwindigkeit zu reagieren.

Foto: CW-Collage

Voll im Trend liegen derzeit WLANs. Nach Berechnungen der DellOro Group klettert der Umsatz mit dieser Technologie alleine 2004 um 23 Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar. So schnell wie der Umsatz wächst, ändern sich jedoch auch die WLAN-Spezifikationen. Dies dürfte manchem IT-Verantwortlichen unter Aspekten der Investitionssicherheit Kopfzerbrechen bereiten, stehen doch in nächster Zeit tief greifende Änderungen in Sachen Sicherheit, Quality of Services sowie Transferraten an. Zudem erfordern eventuell die Trends zum WLAN-Switching oder die Telefonie im lokalen Funknetz weitere Ausgaben.

Im Geschwindigkeitsrausch

Ähnlich wie in der Formel 1, scheinen die WLAN-Hersteller nur ein Ziel zu kennen: Kaum laufen ihre Produkte mit einer Geschwindigkeitsstufe zuverlässig, beginnen sie mit dem Tuning. So sind die beiden 54 Mbit/s schnellen IEEE-Standards 802.11a und g noch kein Jahr alt, da schalten etliche Produzenten bereits den Turbo zu. Sie propagieren mit "Super A" beziehungsweise "Super G" 108 Mbit/s als WLAN-Transferrate. Entsprechende Geräte dürften noch im ersten Quartal 2004 erhältlich sein.

Highspeed ohne Standard

Allerdings hat die Tuning-Maßnahme einen entscheidenden Nachteil - sie ist nicht als Standard definiert. Der Anwender muss deshalb sowohl im Access Point als auch beim Client Chipsätze vom gleichen Hersteller einsetzen, um die versprochenen 108 Mbit/s zu nutzen. Zudem erreicht etwa Atheros, der als einer der ersten Produzenten entsprechende Chipsätze offerierte, diese Transferrate nur durch mehrere Tricks. Beispielsweise werden zwei 54-Mbit/s-Funkkanäle gebündelt, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Zudem setzen etliche Hersteller Packet Bursting ein und senden mehrere Datenpakete ohne Pause hintereinander. Ein weiteres Tuning-Verfahren sind Fast Frames, also die Unterbringung mehrerer Datenpakete in einem Frame, was den Aufwand für die Abarbeitung der Header reduziert und damit den Datendurchsatz erhöht. Diese Verfahren spielen ihren Vorteil jedoch nur dann aus, wenn alle Geräte im Netz diese Mechanismen unterstützen.

Fast Ethernet im WLAN

Letztlich können die Marketing-Aussagen der Hersteller nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Super-Verfahren nur um nicht standardisierte Interimslösungen handelt. Die nächste, offizielle Runde im Geschwindigkeitsrennen dürfte das Normierungsgremium IEEE 2005 mit der Spezifikation 802.11n einläuten. Mit ihr sollen in den Funknetzen endlich Transferraten von realen 100 Mbit/s erzielt werden. Im Gegensatz zu den heutigen a-, b- und g-Varianten sind die Geschwindigkeitsangaben bei 802.11n keine Bruttowerte sondern Nettoraten - definieren also die wirklich für den Informationsaustausch zur Verfügung stehende Bandbreite. Damit könnte die seit längerem propagierte Ablösung der klassischen Ethernet-Verkabelung vom Desktop zum Workgroup-Switch endlich Realität werden.

WLAN-Trends 2004

- Turbo-Modus mit 108 Mbit/s für 802.11a und g,

- Quality of Services ziehen im WLAN ein,

- Verbesserte Sicherheitsfunktionen,

- WLAN-Switching zur einfacheren Administ-ration und Steuerung großer Funknetze,

- VoIP ermöglicht das Telefonieren im lokalen Funknetz.

Neue Sicherheitsnorm

Tiefergehende Konsequenzen als der Vorstoß in neue Geschwindigkeitsdimensionen hat für den Anwender eine andere Neuerung: Die für Juni erwartete Verabschiedung des IEEE-Standards 802.11i. Er löst das diskreditierte Sicherheitsverfahren WEP (Wired Equivalent Privacy) und die von der Wifi-Alliance kreierte Übergangslösung WPA (Wifi Protected Access) ab. Die wesentlichen Änderungen bei 802.11i sind, vereinfacht ausgedrückt, ein ausgeklügelteres Authentifizierungsverfahren sowie eine leistungsfähigere Verschlüsselung des Funkverkehrs. Statt des bislang üblichen Digital Encryption Standard (DES) verwendet 802.11i den 128 Bit Advanced Encryption Standard (AES).

Die Upgrade-Falle

Eine Entwicklung, die unter Sicherheitsaspekten zu begrüßen ist. Für viele Anwender bedeutet es jedoch, dass sie neue WLAN-Hardware kaufen müssen. Langsam kristallisiert sich nämlich heraus, dass sich die meisten Geräte - entgegen den ursprünglichen Versprechen der Hersteller - nicht einfach wie bei WPA per Software-Upgrade auf das neue Verfahren aufrüsten lassen. In den vielen Fällen fehlt den WLAN-Produkten nämlich die notwendige Rechenleistung für AES. Leider schenken bisher nur wenige Hersteller den Anwendern reinen Wein ein und bekennen wie Jeff Manning, Enterasys Manager für Wireless: "Die Chipsätze unserer älteren R2 Access Points waren nie für ein Verschlüsselungsverfahren ausgelegt, wie es 802.11i definiert."

Angesichts der von AES benötigten Rechenleistungen wollen etliche Hersteller in nächster Zeit dazu übergehen, ihre bestehenden Access-Point-Modelle mit leistungsstärkeren Prozessoren auszustatten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass nach der Verabschiedung des i-Standards eine Software-Upgrade möglich ist. Sollten die Hersteller diese Änderungen jedoch nicht klar und deutlich in den Datenblättern vermerken, bleibt dem Anwender vorerst bei Kauf von WLAN-Equipment nichts anderes übrig, als sich eine Upgrade-Fähigkeit auf 802.11i schriftlich garantieren zu lassen, wenn er sich keinen alten Ladenhüter andrehen lassen will.

WLAN-Standards verabschiedet:

802.11a, beschreibt WLANs im 5-Gigahertz-Band mit einer Übertragungsrate von 54 Mbit/s,

802.11b, der Oldie unter den WLAN-Standards definiert Funknetze im 2,4-Gigahertz-Band mit 11 Mbit/s,

802.11g, funkt ebenfalls im 2,4 Gigahertz-Bereich, nutzt aber die Modulationsverfahren des 802.11a, um Transferraten von 54 Mbit/s zu erreichen. Rückwärtskompatibel zur b-Variante.

in Arbeit:

802.11d, erlaubt den Einsatz der WLAN-Hardware in unterschiedlichen Ländern durch Frequenz-, Kanalanpassung etc.,

802.11e, Erweiterung des 802.11 Media Access Control Layer (MAC), um Funktionen für Quality of Services. Diese dienen etwa zur Priorisierung von Sprach- und Videoübertra-gungen,

802.11f, enthält Empfehlungen für die Hersteller, um die Interoperabilität der Access Points sicherzustellen,

802.11h, spezifiziert Verfahren zur Kontrolle der 5 Gigahertz-Signale beim a-Standard. Wichtig in Europa,

802.11i, soll WLANs endlich sicher machen,

802.11k, legt fest wie Access Points Informationen an Management-Applikationen auf den höheren OSI-Schichten weiterleiten, 802.11n, beschleunigt den Datendurchsatz in Funknetzen auf 100 Mbit/s (Netto gemessen, nicht brutto wie bei a, b und g). Damit soll eine vergleichbare Performance wie bei Fast Ethernet erreicht werden.

Zukunftssicheres WLAN-Switching

Aus dem Schneider sind bezüglich 802.11i dagegen Anwender, die frühzeitig auf das WLAN-Switching, einem anderen WLAN-Trend, gesetzt haben. Verwendet der Hersteller, beispielsweise Symbol Technologies, dabei dumme Access Points ohne eigene Intelligenz, so erfolgt das Upgrade auf 802.11i nur im zentralen Switch. Und dieser besitzt im Regelfall genügend Rechenleistung für die Verarbeitung von AES.

Einfachere Administration

Gerade diese Zentralisierung ist der Clou beim WLAN-Switching. Die Access Points bestehen nur noch aus einfachen Access Ports mit den reinen Sende- und Empfangsradios. Alle anderen Access-Point-Aufgaben wie Authentifizierung, Verschlüsselung etc. übernimmt der zentrale Switch. Ein Ansatz, der aufgrund der einfacheren, zentralen Konfiguration und Administration des WLANs vor allem in Enterprise Networks interessant ist. Zudem bietet er noch den Vorteil, dass sich etwa Konzepte wie eine Segmentierung der Funknetze oder eine Virtualisierung in Form von Virtual LANs (VLANs) einfacher bewerkstelligen lässt. Funktionen die sich als nützlich erweisen, wenn etwa gleichzeitig die Einrichtung eines firmeninternen WLANs und eines öffentlichen Hotspots geplant ist. Zudem erlauben die WLAN-Switches meist ein schnelleres Roa-ming zwischen den einzelnen Funkzellen. Der Benutzer muss sich nämlich nicht mehr an jedem Access Point einzelnen authentifizieren, sondern einmal zentral am Switch.

Ebenso ist auf diese Weise eine Priorisierung verschiedener Verkehrsarten wie etwa der Sprachübertragung einfacher zu realisieren.

Sprachoptimierter Switch

Einen ersten WLAN-Switch, der speziell hinsichtlich der Sprachübertragung optimiert ist, hat Proxim zur Jahresmitte angekündigt. Gemeinsam mit den Partnern Avaya und Motorola will das Unternehmen auch in der Wireless-LAN-Welt die Konvergenz von Sprach- und Datennetzen vorantreiben. Dabei planen die Partner sogar eine Verknüpfung der WLANs mit den Handynetzen der Mobilfunker. Verwendet der Anwender hierbei ein von Motorola angekündigtes Dualuse-Phone, dann telefoniert er auf dem Firmengelände via Voice over IP im eigenen WLAN schnurlos. Verlässt er dessen Abdeckungsbereich, bucht sich das Telefon automatisch in eines der GSM-Netze der Mobilfunk-Provider ein.

Telefonieren im WLAN

Mit der Ankündigung des sprachoptimierten Switchs greift Proxim einem anderen, ebenfalls für das 2. Halbjahr 2004 erwarteten Standards vor: Der Verabschiedung der IEEE-Spezifikation 802.11e. Mit dieser Norm halten Quality of Services (QoS) im WLAN-Einzug, um Sprach- und Videoübertragungen zu er-möglichen. Hierzu definiert 802.11e verschiedene Prioritätsstufen für die Datenpakete. Um etwa ein unterbrechungsfreies Telefonat via WLAN zu führen, bekommen dann die VoIP-Sprachpakete beim Transport den Vorzug gegenüber normalen Datenpaketen. Ähnliche Verfahren wenden zwar bereits Anbieter von WLAN-Telefonen wie Cisco, Spectralink oder Vocera an, hierbei handelt es sich aber um proprietäre Implementierungen, so dass eine Interoperabilität mit anderen Geräten nicht gegeben ist. Diese soll dann 802.11e gewährleisten, wenn denn auch die VoIP-basierte TK-Anlage im Hintergrund mitspielt.

Alternative zum Switching

Angesichts der zahlreichen Neuerungen in Sachen WLAN bestehen also berechtigte Zweifel hinsichtlich der Investitionssicherheit. Eventuell ist unter finanziellen Aspekten vielleicht auch ein neuer Ansatz, den Netgear, Bluesocket und Propagate Networks verfolgen, langfristig kostengünstiger als der Kauf spezieller und teurer Enterprise-WLAN-Lösungen aus einem Guss. Die drei Partner entwickelten eine Verbundlösung, bestehend aus normalen einfachen Access-Points, einem Wireless Gateway und einer darüberliegenden Steuerungs-Software. Zwar müssen hier im Zweifelsfall etwa bei 802.11i alle Access Points ausgetauscht werden, dafür erlaubt die Lösung ein schrittweises Wachstum der WLAN-Infrastruktur mit interessanten Management-Features hinsichtlich der Funkkanalnutzung.