Neue Länder entdecken

04.03.2005 von Diana Ebert
Wer ein Praktikum dazu nutzen möchte, auch internationale Erfahrungen zu sammeln, packt seine Koffer und geht in eines unserer europäischen Nachbarländer. Dort gibt es nicht nur Zusatzqualifikationen, sondern auch Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz. Und das gratis.

Sabrina Rota studiert an der FH Würzburg-Schweinfurt Internationale Betriebswirtschaft und Marketing; ihr Auslandspraktikum hat die 27-Jährige in der IT-Abteilung von Daimler Chrysler in Rom absolviert. Die Entscheidung, nach Rom zu gehen, um neben dem Dolce Vita auch einmal die italienische Arbeitswelt kennen zu lernen, war für die Halb-Italienerin aus der Nähe von Koblenz naheliegend. Die Bewerbung hat sie aus Sligo in Irland losgeschickt, wo sie während eines Studienaufenthalts eine Zusatzqualifikation in International Marketing and Business Studies erwarb.

"Ich wollte unbedingt mein Praktikum in einem internationalen Unternehmen machen, da ich auch später einige Zeit im Ausland arbeiten möchte. In der Daimler-Chrysler-Niederlassung in Rom konnte ich alle drei Sprachen nutzen und außerdem für längere Zeit Einblick in das Leben und die Arbeitswelt in Italien gewinnen", so Rota.

In Rom erwartete sie ein eigener Arbeitsplatz, ein internationales Team und neben Routineaufgaben ein eigenes Projekt. Die Studentin sollte im Rahmen der Prozessoptimierung mit Hilfe der intern verwendeten Betriebssoftware Prozessabläufe dokumentieren und den Entwurf eines Handbuches für die Umstellung auf SAP erweitern und dieses dann aus dem Italienischen ins Englische übersetzen. Diese Aufgaben waren für die BWL-Studentin neu und boten ihr die Gelegenheit, sich intensiver in die IT einzuarbeiten; außerdem konnte sie einige aus dem Studium bekannte Softwareprogramme in der Praxis anwenden.

Von Irland nach Rom

Obwohl Sabrina in einem internationalen Team mit Amerikanern, Engländern, Franzosen und Südamerikanern arbeitete, war ihr gutes Italienisch sehr hilfreich im Arbeitsalltag: "Wenn man die Sprache schon zu Beginn gut spricht, wird man viel schneller in den Arbeitsablauf integriert und bekommt verantwortungsvollere Aufgaben. Auch die soziale Integration für die Zeit des Aufenthalts klappt viel besser."

Sabrina Rota war als Praktikantin in Rom

Während ihres Praktikums in Rom wohnte Sabrina in einer Wohngemeinschaft - einer WG - in Zentrumsnähe zusammen mit mehreren Italienerinnen. Auf diese Weise konnte sie Lebensart, Kultur und Mentalität direkt erleben. "Es hat mir viel Spaß gemacht, das italienische Alltagsleben kennen zu lernen, nicht nur die touristischen Ecken zu sehen, sondern auch die kulturellen Unterschiede."

Das Zimmer konnte sie auf Vermittlung ihrer Praktikumsbetreuerin von ihrer Vorgängerin bei Daimler-Chrysler übernehmen. Da die Mieten in Rom - selbst für ein WG-Zimmer - nicht unbedingt für ein Praktikanten-Budgettauglich sind, war die Studentin froh über das Stipendium der Würzburger Fast-Initiative, die auch die Kosten für An- und Rückreise sowie den Sprachkurs übernahm. Um das Stipendium hatte sich Rota schon im Vorfeld von Irland aus gekümmert. Nötig waren dafür nur eine Kopie des Arbeitsvertrages und der Nachweis darüber, dass das Praktikum den Umgang mit modernen Medien der Kommunikationstechnologie beinhaltet.

Fast steht für "Fortgeschrittene Anwendungen der Softwaretechnologie". Die Initiative wurde 1992 vom Lehrstuhl für Informatik an der FH Würzburg-Schweinfurt gegründet. Hintergrund war das Bestreben der Europäischen Union (EU), ein europaweites Netzwerk für Technologie und Wissenstransfer aufzubauen. Seither hat Fast über das Leonardo-da-Vinci-Mobilitätsprogramm der EU rund 760 Studenten aus ganz Deutschland mit einem Stipendium für ihr Auslandspraktikum unterstützt.

Dabei kommen nicht etwa nur Informatik-Studenten zum Zuge - ganz im Gegenteil: "Die Fachrichtung aus der die Studenten kommen spielt keine Rolle. Unsere Vision ist es, zur Entwicklung eines europäischen Arbeitsmarktes und einer europäischen Wissensgesellschaft beizutragen, und beides wächst nur im Austausch der Kulturen und Disziplinen", so Bernd Breutmann, Professor an der Fachhochschule Würzburg und Gründer der Würzburger Fast-Initiative. "Die einzige Voraussetzung für unsere Teilnehmer ist, dass sie in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich moderne Medien anwenden. Gemeint ist der intelligente Einsatz von Internet-Techniken und multimedialen Anwendungen. Es kann sich also jeder für ein Fast-Stipendium bewerben, solange er bei seiner Tätigkeit einen IT-Bezug hat.

 

EU-Geld für das Praktikum

So gesehen ist das Programm gerade für Studenten anderer Fachbereiche interessant, die auf diese Weise Erfahrungen im Umgang mit den für ihren Arbeitsbereich relevanten Programmen aneignen können". Auch Hochschulabsolventen aus Fachrichtungen, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt ohne IT-Zusatzqualifikationen trübe Aussichten haben, können sich auf diesem Wege die berufsrelevanten IT-Kenntnisse sowie Praxiserfahrung sammeln und ihre sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten ausbauen, um die nötigen Pluspunkte für eine Bewerbung zu sammeln. Gerade die interkulturellen Kompetenzen werden im Zuge der Globalisierung zu immer wichtigeren Soft Skills im Arbeitsleben.

Ein Auslandspraktikum ist deshalb eine gute Gelegenheit, Sensibilität gegenüber kulturellen Unterschieden zu entwickeln, um sich auch in fremden sozialen Umfeldern mit dem nötigen Feingefühl durchsetzen zu können. Darüber hinaus bietet es auch internationalen Unternehmen die Chance, deutsche Studenten kennen zu lernen und sich ein Bild von deren Qualifikationen zu machen. Fast unterstützt mit dem Leonardo-da-Vinci-Programm der EU in der Regel das zweite Praxissemester der FH-Studenten nach bestandenem Vordiplom, damit eine angemessene fachliche Basis für ein anspruchsvolles Praktikum vorhanden ist. Aber auch

Professor Bernd Breutmann: "Wir wollen zur Entwicklung eines europäischen Arbeitsmarktes und einer Wissensgesellschaft beitragen."

Universitätsstudenten und Absolventen können sich bewerben. Einen Praktikumsplatz müssen sich die Interessenten selbst suchen.

Mit dem abgeschlossenen Vertrag und einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung können sie sich dann um ein Stipendium bemühen. Die Höhe des Förderbetrags richtet sich nach der Praktikumsvergütung, den Reisekosten, der Miete sowie den Kosten eines Sprachkurses. Um sicherzustellen, dass das Praktikum auch sinnvoll und lehrreich ist, wird ein Vertrag zwischen Fast, dem Unternehmen und dem Praktikanten geschlossen. Hier sind Vergütung, Dauer und Inhalte des Praktikums festgelegt, und das Unternehmen verpflichtet sich, den Praktikanten ordnungsgemäß nach den Qualitätsstandards der Hochschulrichtlinien zur Durchführung von Praktika zu betreuen. "Gerade in diesem Punkt ist uns das Feedback der Praktikanten sehr wichtig", so Breutmann.

Eine Praktikumserfahrung der etwas exotischeren Art machen gerade Hansjörg Ehammer und Simon Menzel, beide diplomierte Holztechniker der FH Rosenheim. Sie hatten sich vorgenommen, nach ihrem Abschluss auf der Suche nach interessanten Praktika und Projekten zwei Jahre lang durch Europa zu reisen - und zwar mit dem Fahrrad. Gesagt, getan. Für ihr "work&travel"-Projekt legten die beiden eine gehörige Portion Selbstvermarktung und Kreativität an den Tag. Sie tüftelten an einer Website, die ihr Projekt präsentieren soll und entwickelten während ihrer Fahrt nach Schweden einen Flyer, der ihre Qualifikationen, IT-Kenntnisse und ihre Motivation darstellt und mit dem sie sich in Schweden bei Industriebetrieben oder Ingenieur-Büros bewerben wollten.

Gelandet sind sie bei dem Projekt "Stockholmsbriggen" - dem Bau eines historischen Segelschiffs auf der Insel Skeppsholmen direkt vor der Küste von Stockholm. Als die beiden dort vorbeiradelten, drückten sie der Baumannschaft ihr Flugblatt in die Hand. Nach einer Woche Arbeiten zur Probe sind sie mittlerweile seit fünf Monaten auf der Brigg, bekommen immer verantwortungsvollere Aufgaben übertragen und werden wahrscheinlich noch bis zum Stapellauf im August Herzblut in das Projekt legen.

Mit dem Fahrrad nach Schweden

Die beiden haben sich sehr schnell in das kleine Team der Stockholmsbriggen integriert, die Arbeit läuft Hand in Hand, die Sprache lernen sie ganz nebenbei. Ihre Unterkunft auf einem nahegelegenen kleinen Schlepper bekamen sie von Kollegen vermittelt und die langen schwedischen Nächte verkürzt Simon sich und seinen Kollegen mit dem Knopfakkordeon.

"Als Simon und ich im Juli in Berlin losgefahren sind, hätten wir nie im Traum daran gedacht, dass wir so ein glückliches Händchen mit unserem Praktikum haben werden. Die Idee, mit dem Fahrrad loszufahren und an verschiedenen Flecken Europas zu arbeiten, hatte uns schon lange begeistert. Das Wichtigste dabei war, die Angst abzulegen, einen Fehler zu machen. Sich nach dem Studium aufs Fahrrad zu setzen und loszufahren, damit kann nicht jeder Personalchef etwas anfangen. Für mich war es der schönste Start ins Berufsleben, den ich mir vorstellen kann."

Nachdem die Stelle gefunden war, galt es nur noch, die Unterstützung dafür zu organisieren. Das Leonardo-da-Vinci-Programm passte gut zu ihrem Vorhaben. "Nach ein paar E-Mails und ein bisschen Internet-Recherche bin ich auf das

Hansjörg Ehammer absolvierte ein Praktikum in Stockholm.

Fast-Institut gestoßen, und von dort bekomme ich mein Stipendium." Und das reicht auch in Schweden zum Leben, solange man nicht jeden Abend durch die Kneipen zieht. Doch Hansjörg hat des Abends ohnehin musikalische Verpflichtungen auf Skeppsholmen.

 

FAST an der FH Würzburg

Die Initiative organisiert seit 1992 Mobilitätsprojekte unter dem Programm "Leonardo da Vinci" der EU. Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit junger Studenten in der europäischen Informationsgesellschaft zu fördern. Praktikanten des Projektes sollen vor allem die Fähigkeit erwerben, sich den Anforderungen eines internationalen Arbeitsmarktes zu stellen, sich in anderen Kulturkreisen zurechtzufinden und auf der Grundlage ihres Fachstudiums neue Technologien anzuwenden.

Kontakt: Münzstr. 12, 97070 Würzburg, Tel.: 0931-3511-309;
Web-Adresse: http://www.fh-wuerzburg.de/fh/fast/fast.htm