Richtlinien sollen Vertrauen schaffen

Neue EU-Standards für Cloud-Verträge

04.02.2015 von Dan Bieler, Pascal Matzke und Enza Iannopollo
Vernetzt sein – das ist das Hauptziel in der heutigen Geschäftswelt. Kunden sind vernetzt, Unternehmen sind vernetzt, sogar ihr Auto, ihre Uhr und ihre Sportsocken sind zunehmend verbunden. Dies bedeutet, dass die Reaktionsfähigkeit Ihres Unternehmens auf Anfragen von Kunden, Partnern und Mitarbeitern schneller und zuverlässiger als jemals zuvor sein muss.
Mit neuen Richtlinien und Vorgaben will die EU das Vertrauen in Cloud-Computing stärken.
Foto: Yvonne Bogdanski - Fotolia.com

In der vernetzten Welt werden Technologielösungen die auf Cloud Computing basieren, von immer mehr CIOs in Europa bevorzugt. Forrester erwartet, dass europäische Unternehmen ihr Budget für Cloud Computing-Technologien in 2015 und den folgenden Jahren erhöhen werden.

Gleichzeitig sind europäische Regierungen sehr um eine Förderung des Cloud Computing bemüht. Laut einer Schätzung der EU-Kommission aus dem Jahr 2012 beläuft sich die kumulative Auswirkung des Cloud Computing auf das BIP auf 957 Milliarden Euro, was mit der Schaffung von 3,8 Millionen Arbeitsplätzen bis ins Jahr 2020 einhergeht.

Aus diesem Grund entwirft die EU-Kommission eine offizielle Strategie zur Unterstützung und Förderung des Einsatzes von Cloud-Technologie in allen europäischen Wirtschaftsbereichen zur Ankurbelung der Produktivität. Dies beinhaltet die Bereitstellung einer höheren Rechtssicherheit und eines einheitlicheren rechtlichen Rahmens rund um das Cloud Computing in den Mitgliedstaaten der EU.

Neue Standardisierungsrichtlinien zur Förderung des Cloud-Einsatzes

Die Cloud Select Industry Group (C-SIG) der EU-Kommission hat vor kurzem, im Rahmen der umfassenden Digitalen Agenda der EU, die "Cloud Service Level Agreement Standardisation Guidelines" ausgearbeitet und veröffentlicht. Diese stellen einen Teil der Ergebnisse der Cloud-Strategie der EU-Kommission dar. Die Richtlinien sind keine rechtsverbindlichen Vorschriften und liefern keine abschließende Aufführung der vertraglichen Anforderungen für Cloud-Dienste.

Nichtsdestotrotz sind sie eine Sammlung bewährter Verfahren, die den Rahmen für Vertragsverhandlungen über Cloud-Dienste zwischen Benutzern und Anbietern liefern werden. Diese Richtlinien werden insbesondere professionellen Cloud-Nutzern helfen sicherzustellen, dass die wesentlichen Elemente in die Verträge, die sie mit Anbietern von Cloud-Diensten unterzeichnen, in verständlicher Sprache aufgenommen werden.

Die Richtlinien stellen darüber hinaus den EU-Beitrag zur Definition des internationalen Standards für die Cloud-SLAs durch die Arbeitsgruppe ISO/IEC JTC1 dar. Die Richtlinien sind auf den Bereichen Performance, Datensicherheit, Datenmanagement und Schutz personenbezogener Daten aufgebaut (siehe Abbildung).

Service Level Agreements decken verschiedene Service-Level-Ziele in vier Bereichen ab.
Foto: Forrester Research

Richtlinien und andere Soft Tools erleichtern die Arbeit des CIOs

Mithilfe der neuen Standardisierungsrichtlinien können CIOs nicht nur die Cloud-Angebote leichter vergleichen, sondern auch die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen besser einhalten. Für die Einhaltung rechtlicher Bestimmungen sind nicht nur mehr ausschließlich die Unternehmensanwälte zuständig. Es ist vielmehr eine der Top-Prioritäten der CIOs in ganz Europa, und zwar branchenübergreifend.

Die Kunden sind sich des Wertes der Daten immer mehr bewusst und erwarten einen wirksamen Schutz ihrer Daten und Privatsphäre. Die gesetzlichen Vorgaben werden strenger und Datenschutzverletzungen mit immer höheren Strafen belegt. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass erfolgreiche Initiativen zum Schutz von Kundendaten ein unglaubliches Potenzial zur Schaffung neuer Unternehmenswerte bergen.

Bei der Auswahl von Cloud-Lösungen müssen CIOs nicht nur ihre technischen Besonderheiten berücksichtigen, sondern auch die Mechanismen, mit denen sie die vollständige Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, wie zum Beispiel neue Cloud-Standardisierungsrichtlinien, am besten erzielen können. Weitere vergleichbare Soft Tools werden in Kürze folgen. Die EU-Kommission, führende Firmen und Branchenexperten arbeiten zusammen an einem Verhaltenskodex für Anbieter von Cloud-Services und an ausgereifteren Sicherheitszertifizierungen.

Buzzwords und Abkürzungen in der Cloud
Von BaaS über SaaS bis zu XaaS
SaaS kennt man, aber BaaS? Oder MaaS und DaaS? Wir stellen Ihnen die wichtigsten Abkürzungen im Cloud-Geschäft vor.
EC2 – Elastic Computer Cloud
Hinter der Abkürzung „EC2_ Elastic Computer Cloud" verbirgt sich das wohl bekannteste IaaS-Angebot von Amazon, <a href=" http://aws.amazon.com/de/ec2/" target="_blank"> dem Marktführer für Infrastrukturdienste aus der Cloud. </a>
CCO – Chief Cloud Officer
Was wäre der schönste Job ohne passenden Titel? Wer seine Visitenkarte noch nicht mit der Abkürzung CIO – Chief Information Officer – schmücken darf, der freut sich als Cloud-Chef sicher über den fast genauso schön klingenden Titel „CCO – Chief Cloud Officer" auf dem kleinen Karton und in der Signatur.
DbaaS – Database as a Service
Wenn Kunden DbaaS buchen, dann erhalten sie Zugang zu einer Datenbank, ohne selbst Hand anzulegen. Auch die Software ist in diesem Modell schon konfiguriert und läuft, ohne dass ein Experte sich mit technischen Details herumschlagen muss.
Public Cloud
Was sich mit „öffentlicher Wolke" übersetzen lässt, funktioniert wie ein Mietwerkzeug. Eine gängige Variante und bekanntestes Beispiel sind Google Apps. Zwar erleichtern die offen zugänglichen Office-Programme das verteilte Arbeiten, allerdings treiben deren geringe Sicherheitsstandards in der Cloud so manchem Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen die Schweißperlen auf die Stirn. Privat nutzen dagegen viele diese oft kostenlosen und praktischen Service-Angebote.
Private Cloud
Der Vorteil einer „privaten Wolke" liegt auf der Hand. Sie kann alle oder noch mehr Features einer „Public Cloud? bieten, allerdings entspannen sich Sicherheitschefs hier deutlich, denn wie der Name „private" schon suggeriert, handelt es sich um ein geschütztes Netzwerk, auf das nur die eigenen Mitarbeiter und Berechtigte Zugriff haben. Von unerlaubten Hacker-Angriffen einmal abgesehen.
Hybrid Cloud
Hier verbinden sich Features einer privaten und öffentlichen Wolke. Ein Angebot, bei dem beispielsweise unternehmenskritische Anwendungen in einer abgeschotteten, Passwort-geschützten Cloud-Umgebung laufen, während andere Dienste, die seltener gebraucht werden wie beispielsweise ein Archiv, über eine öffentliche Cloud betrieben werden.
Community Cloud
Schließlich gibt es noch die gemeinschaftliche Rechnerwolke als viertes Liefermodell. Hier teilt sich ein kleinerer, meist örtlich miteinander verbundener Nutzerkreis wie Behörden, Universitäten, Forschungsgemeinschaften oder Genossenschaften Kosten und Ressourcen.
HaaS – Hardware as a Service
Mieten statt kaufen lautet seit vielen Jahren das Credo, um Kosten zu senken. Auch eine Cloud braucht Hardware und Switches, die der Dienstleister für den Kunden bereitstellt, betreibt und wenn notwendig austauscht.
BaaS – Backup as a Service
Eine Sicherheitskopie in der Wolke abzulegen ist keine schlechte Idee. Deshalb gibt es es auch sinnvolle Lösungen für Backups in der Cloud.
CaaS – Communications as a Service
Hinter dieser Abkürzung verbergen sich Voice over IP-Technologien wie etwa Tools für Telefon- oder Videokonferenzen. Gerade kleinere Unternehmen, die sich kein eigenes System anschaffen möchten, profitieren hier von einer Cloud-Lösung.
DaaS – Desktop as a Service
Ziemlich praktisch für mobil und mit verschiedenen Geräten arbeitende Jobnomaden ist „Desktop as a Service". Über dieses Cloud-Angebot wird sicher gestellt, dass ein Nutzer von jedem Rechner Zugriff auf seine Dokumente hat. Ein Sicherheits-Feature sorgt idealerweise dafür, dass nur berechtigte Nutzer Zugriff auf die Daten, Tabellen, Texte oder Präsentationen erhalten.
MaaS – Monitoring as a Service
Viele Anbieter integrieren solch ein Sicherheits-Tool als Standard-Anwendung in ihr Service- Angebot, um Kunden einen Überblick über die genutzten Dienste zu geben.
APaaS – Application-Platform as a Service
Hier stellen Anbieter den Kunden eine Oberfläche und eine Plattform zur Verfügung, auf der sich Cloud-Anwendungen entwickeln und betreiben lassen.
XaaS – Everything as a Service
Wahrscheinlich haben geschäftstüchtige Cloud-Dienstleister noch jede Menge weiterer Service-Angebote im Petto und auch so mancher Kunde träumt vielleicht davon, wie sich nörgelnde Mitarbeiter, nervige Chefs und anstrengende Auftraggeber einfach in eine Wolke auslagern lassen. Doch hier schließen wir unser kleines Glossar für heute, setzen es aber gerne gelegentlich fort. XaaS beschließt diese Reihe vorerst. Diese Abkürzung ist quasi der Überbegriff für alle Cloud-Services.

Die Datenschutzgesetze der EU verändern die Unternehmenskultur und den Modus Operandi

Die Datenschutzgesetze der EU verändern die Arbeitsweise von Unternehmen in Europa und wie sie hinsichtlich des Schutzes von kundenbezogener Daten planen. Künftig werden sich alle Unternehmen, die Produkte und/oder Dienstleistungen für Kunden in Europa anbieten, an EU-Datenschutzgesetze halten müssen. Und das unabhängig davon, in welchem Land sie ihren Hauptgeschäftssitz haben.

Der Umfang dieser Vorschriften wird mit der Zeit zunehmen: der Entwurf der Datenschutzverordnung zählt beispielsweise ausdrücklich IP-Adressen und Daten hinsichtlich des Geräte-Tracking zu der Art von Daten, die unter die neue Datenschutzgesetze fallen. CIOs müssen sicherstellen, dass ihre Unternehmen die notwendigen Veränderungen in der Unternehmenskultur und Organisationstruktur vornehmen, um sich in diesem komplexen Umfeld behaupten zu können.

Zur Sicherung des Erfolgs ihrer Unternehmen sollten CIOs:

  1. Gemeinsam mit den Cloud-Anbietern Datenschutzmaßnahmen umsetzen. Immer mehr Cloud-Anbieter machen sich mit den Anforderungen und der Systematik der EU-Datenschutzverordnungen vertraut. Viele arbeiten mit den Regulierungsbehörden zusammen, die an der Gestaltung der neuen Vorschriften beteiligt sind, sowie mit Soft Tools, wie den Standardisierungsrichtlinien. Dies führt zu einer langsamen aber stetigen Veränderung der Denkweise in Bezug auf die Einhaltung dieser Vorschriften - und zu besseren Lösungen. Es gilt Anbieter zu finden, die diese Veränderung durchlaufen und den von ihnen gelieferten Mehrwert in Bezug auf eine wirksame Einhaltung der EU-Datenschutzrichtlinien zu nutzen.

  2. Die Sichweise des Unternehmens in Bezug auf den Datenschutz schärfen. Um das Risiko des Scheiterns einzudämmen, muss der Datenschutz in jedem Geschäftsprozess und auf jeder Unternehmensebene berücksichtigt werden. Datenschutzbelange müssen bereits in frühen Diskussionen über die Ausgestaltung neuer Geschäftsprozesse, Lösungen, Produkte und Dienstleistungen für Ihre Kunden Berücksichtigung finden. Lernen Sie von den kreativen Ansätzen digitaler Geschäftsmodelle, von Innovations Gründerzentren, Startup-Accelerators,und neuen Start-ups, in denen CIOs, CMOs, Produkt-Designer, CISOs und CEOs eng zusammensitzen um neue Produkte und Dienstleistungen planen.

  3. Dem CEO den Mehrwert einer wirksamen Sicherheits- und Compliance-Strategie aufzeigen. Ihre Geschäftsmetriken müssen nicht nur die Komponenten Ihrer Technologieagenda abbilden, sondern auch den Mehrwert, der durch die Einführungen dieser Technologieinitiativen für Ihr Unternehmen geschaffen wird. Sicherheit und Datenschutz sind dabei keine Ausnahme: In Zukunft wird ihr Mehrwert für Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Kosteneinsparungen und Risikominimierung. Statt dessen, heben Sie vielmehr den Beitrag von Sicherheit- und Compliance zur Nutzung neuer Geschäftsmöglichkeiten, zur Markenbindung und zur Festigung des Vertrauens von Kunden und Partnern hervor.