Autonomous Infrastructure

Naht das Ende des IT-Betriebs?

14.09.2016 von René Büst
Das Thema Software-defined Infrastructure (SDI) ist derzeit in aller Munde. Für die Flexibilisierung auf Infrastruktur-Ebene setzen sich hierzu immer häufiger Software-basierte oder durch Programmcode gesteuerte IT-Umgebungen durch. Dabei ist eine SDI nur die Grundlage für eine neue Revolution innerhalb des IT-Betriebs.

Denn eines ist gewiss: Ein ständig steigender Automatisierungsgrad und Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz werden auf infrastruktureller Ebene Folgen haben, die nicht jedem Administrator schmecken werden.

Welche KI-Systeme schon im Einsatz sind
Facebook Big Sur
Das unter Open-Source-Lizenz stehende KI-System setzt auf die Nvidia Tesla Accelerated Computing Platform und übernimmt bei Facebook heute komplexe Aufgaben, für die früher auf Drittanbieter-Hardware zurückgegriffen werden musste.
Google RankBrains
Für Suchanfragen, die erstmalig auftauchen, soll RankBrains menschliche Schriftsprache in mathematische Vektoren übersetzen, die die Suchengine dann verarbeiten kann. Diese Form des maschinellen Lernens wird mit steigender Zahl bislang unbekannter Suchanfragen immer besser. Wissbegierige Internetnutzer trainieren das System quasi unbewusst.
Google Deepmind AlphaGo
Besiegte kürzlich den Welt- und den Europameister im asiatischen Brettspiel Go: das KI-System Alpha Go, das von Google Deepmind entworfen wurde.
SwiftKey Neural Alpha
Wer SMS schreibt, bekommt schon länger Wortvorschläge. Mit Neural Alpha will "n-gram"-Erfinder SwiftKey nun aber auch ganze Satzzusammenhänge vorhersagen und so die Texteingabe noch intuitiver machen.
Open AI
Investor und Tesla-Gründer Elon Musk erforscht in der "Open AI"-Initiative zusammen mit anderen Silicon-Valley-Vordernkern die Künstliche Intelligenz zum Wohle der Menschheit. Damit wir keine bösen Terminatoren bekommen, die uns alle versklaven wollen...
Microsoft XiaoIce
Der Microsoft-"Virtual Social Assistant" XiaoIce trägt seit Ende 2015 den Wettbericht im chinesischen Fernsehen komplett ohne menschliche Hilfe vor.
Roboter-Concierge Connie
Wenn Sie demnächst in einem Hilton absteigen, könnten Sie einem kleinen Roboter-Concierge begegnen: "Connie" arbeitet mit Watson-Technologie von IBM und steht Hotelgästen mit Rat und Tat zur Seite. Das Pilotprojekt läuft gerade in den USA.

Was ist Software-defined Infrastructure?

Innerhalb einer Software-defined Infrastructure (SDI) befindet sich die Intelligenz nicht mehr direkt in den Hardwarekomponenten der IT-Infrastruktur, sondern auf einer höheren Management-Ebene. Somit lässt sich die Konfiguration der kompletten Infrastruktur oder einzelner Teilbereiche schneller vornehmen. Das Konzept sieht vor, dass die gesamte Infrastruktur-Umgebung auf Basis von Software und Automation, also weitestgehend ohne menschliche Interaktion, aufgespannt und gesteuert wird.

Aufbau und Konfiguration moderner Infrastrukturen sind heute bereits mit Programmcode oder Skripten programmiert und anhand von "Infrastructure as Code" entwickelt. Die Infrastruktur arbeitet dabei unabhängig von einer bestimmten Hardwarekonfiguration, besitzt keine technischen Abhängigkeiten und ist programmatisch erweiterbar. Die Idee hinter dem Konzept besteht darin, die Infrastruktur jeweils nach den Anforderungen einer Applikation zu definieren, automatisch herzuleiten und aufzubauen.

Zu den Vorteilen einer SDI zählt die Möglichkeit, den Übergang von einer fertig konfigurierten Infrastrukturlandschaft zu einer anderen quasi ohne Unterbrechung sicherzustellen. Das bedeutet, dass sich eine komplette Infrastrukturlandschaft (Server, Storage, Networking) rein durch Software austauschen lässt. Damit lässt sich eine SDI-basierte IT-Umgebung wie eine typische Applikation auch versionieren und damit einem Rollback unterziehen beziehungsweise klonen. Zu den typischen und zugleich wichtigsten Elementen einer SDI-Umgebung gehören derzeit Software-defined Networks (SDN) und Cloud-Technologien für den Infrastrukturbau.

Stärken und Schwächen von Software Defined Networking (SDN)
Schwächen von Software Defined Networking
Fokussierung auf Switches und Vernachlässigung von Server-Endpoints und damit der Anwendungsschnittstellen.
Schwächen von Software Defined Networking
Unzureichendes Management von IT-Ressourcen über mehrere Domains hinweg.
Schwächen von Software Defined Networking
Stärkere Belastung des Netzes durch die Kommunikation zwischen den Controllern: Sie steigt um etwa drei bis vier Prozent.
Schwächen von Software Defined Networking
Mangelnder Support von optischen Netzen mit leistungsvermittelnder Übertragung. Hier müssen Erweiterungen der OpenFlow-Spezifikation weiterhelfen.
Schwächen von Software Defined Networking
Skalierbarkeit: In großen Netzen fallen Millionen von Flows an. Das erfordert hoch skalierbare Controller. Bislang fehlen jedoch die Erfahrungswerte mit solchen Systemen beziehungsweise großen Netzen.
Schwächen von Software Defined Networking
Single Point of Failure durch zentralen Controller: Redundanz lässt sich durch den Einsatz mehrerer Controller erreichen. Das erhöht jedoch die Kosten und den Managementaufwand.
Stärken von Software Defined Networking
Einfaches Verschieben von Virtual Machines (VM) im Netzwerk.
Stärken von Software Defined Networking
Geringere Komplexität der Netzwerkinfrastruktur, da weniger Switch-Ports und Kabel erforderlich sind. Das reduziert zudem Kosten.
Stärken von Software Defined Networking
Komplette Sicht auf Anwendungen, Netzwerkelemente und Datenströme (Flows)
Stärken von Software Defined Networking
Kein Mapping von Servicedefinitionen auf physikalische Netzwerk-Ports. Das verringert den Konfigurationsaufwand.
Stärken von Software Defined Networking
Flexiblere Konfiguration von Services: Über Einträge in Flow Tablets lassen sich Dienste und Eigenschaften wie etwa Quality-of-Service-Merkmale und VLAN-Einstellungen konfigurieren, was in herkömmlichen Netzen mittels Scripts nicht möglich ist.
Stärken von Software Defined Networking
Bereitstellung von Anwendungen und Netzdiensten innerhalb von Stunden, nicht Tagen.
Stärken von Software Defined Networking
Zentrale Steuerung von Switches, Routern, virtualisierten Switches (vSwitches), WLAN-Access-Points und anderen Netzsystemen.
Stärken von Software Defined Networking
Offener Ansatz: Der Controller ist kein herstellerspezifisches System. Er lässt sich nach Bedarf durch Netzwerkfachleute konfigurieren und programmieren.

SkyNet IT: Was ist Autonomous Infrastructure?

Ein auf die Software-defined Infrastructure aufbauendes Konzept ist eine "Autonomous Infrastructure". Basierend auf Konzepten aus dem Machine Learning, Cognitive Computing und Künstlicher Intelligenz, geht es hierbei um den Aufbau und den Betrieb von selbstlernenden respektive regelbasierten und somit selbstheilenden Infrastruktur-Umgebungen. Das bedeutet, dass IT-Infrastrukturen und -Umgebungen ohne manuelle beziehungsweise menschliche Interaktion

Eigenschaften einer Autonomous Infrastructure
Foto: Crisp Research AG

Das Konzept der "Autonomous Infrastructure" ist völlig neu und nicht mit typischen Automatisierungslösungen zu vergleichen, welche üblicherweise mit vordefinierten Skripten arbeiten. Denn eine "Autonomous Infrastructure" macht sich das vorhandene Wissen im Unternehmen zunutze und wendet dies automatisch an. Sie muss demnach zunächst von den Administratoren im Unternehmen "angelernt" werden und arbeitet anschließend eigenständig. So lassen sich Störungen bei individuellen Applikationen beheben und aufgrund von angelerntem Wissen auch auf zuvor unvorhergesehene Ereignisse reagieren.

Somit wird das Wissen von IT-Experten erfasst und mit einem Modell der Unternehmens-IT verknüpft. Die Entstörung eines Exchange Servers - eine administrative Tätigkeit - ist somit zum Beispiel zu automatisieren. Die "Autonomous Infrastructure" startet, überwacht, passt mögliche Änderungen während der Analyse an und erstellt Befehle, um das Problem zu lösen. Lässt sich eine Störung nicht automatisch beheben, wird dafür gesorgt, dass alle Informationen und Analyse-Ergebnisse menschenlesbar an einen Administrator übertragen werden.

Bei einer "Autonomous Infrastructure" handelt es sich also um eine wissensbasierte Architektur, die in der Lage ist, automatisiert Incidents und Changes im IT-Betrieb auf deren Ursachen hin zu analysieren und anschließend aktiv geeignete Lösungsstrategien zu entwickeln und diese umzusetzen. Anhand des Community Gedankens beziehungsweise der Schwarmintelligenz können sich mehrere "Autonomous Infrastructures" zusammenschließen, um den Wissenspool zu vergrößern und die Wissensbasis mit neuen Informationen zu versorgen. So lässt sich der Automatisierungsgrad ständig optimieren und das Wissen langfristig innerhalb eines Unternehmens erhalten und konservieren.

Wer sich bei dieser Beschreibung an "SkyNet" aus "Terminator" erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch. Schließlich handelt es sich bei einer "Autonomous Infrastructure" um eine Form eines intelligenten Systems, das in der Lage ist, auf Basis von bereitgestelltem Wissen eigenständig zu lernen und Entscheidungen zu treffen.

NoOps steht vor der Tür

Eine Apokalypse durch ein SkyNet-ähnliches System oder eine "Autonomous Infrastructure" droht der Menschheit gewiss nicht. Dennoch sollte dem klassischen IT-Administrator diese Entwicklung durchaus schlaflose Nächte bereiten. Denn mit dem Siegeszug der Cloud, einem stetig steigenden Automatisierungsgrad sowie der Entwicklungen in den Bereichen des Machine Learning und der künstlichen Intelligenz werden die typischen Aufgaben eines Administrators bald passé sein.

Hinzu kommt, dass Unternehmen zwangsläufig nicht mehr auf das interne IT-Wissen für den Betrieb von IT-Umgebungen und IT-Infrastrukturen angewiesen sind. Schließlich bieten Konzepte wie die Schwarmintelligenz oder Communities zahlreiche Möglichkeiten, sich Ideen, Informationen und Erfahrungen extern von IT-Experten einzuholen und die "Autonomous Infrastructure" darüber mit Wissen zu erweitern.

Der Begriff "NoOps" (No Operations) wird demnach an Bedeutung gewinnen. Selbstverständlich wird der IT-Betrieb selbst niemals verschwinden. Schließlich muss IT aufgebaut, gewartet und weiterentwickelt werden. Allerdings ist dafür nicht mehr viel menschliche Interaktion notwendig - Automation und Künstlicher Intelligenz sei Dank!