Nachwuchs engagiert sich beim IT-Umbau

05.04.2006
Der Versandhändler Otto nützt die Restrukturierung seiner IT dazu, jungen Computerfachleuten die Chance zur Bewährung zu geben.

Im Sommer 2002 begann der Otto-Konzern die Host-basierende Systemlandschaft auszutauschen. Diese war in die Jahre gekommen und ließ sich nur noch mit hohem Aufwand warten und weiterentwickeln. Die Hamburger entschieden sich aufgrund der besonderen Geschäftsprozesse und eines aus ihrer Sicht schützenswerten Know-hows sowie fehlender Standardprodukte für eine Umsetzung im eigenen Haus und starteten das Projekt "Neue Otto Architektur (NOA).

Hier lesen Sie ...

  • warum der Otto-Konzern beim Umbau der IT auf eigene Mitarbeiter setzt;

  • welche Aufgaben junge IT-Fachleute übernehmen;

  • wie der Versandhändler den IT-Nachwuchs fördert.

Nicolas Busch (links) und Christian Finckler durften recht früh nach ihrem Start beim Otto-Versand ein Team von Entwicklern leiten.

Eine Gruppe von Mitarbeitern kümmerte sich um die Auswahl der Architektur sowie der Festlegung der Basissoftware-Komponenten. Eine zweite Arbeitsgruppe untersuchte den Umfang des abzulösenden Programmpaketes. Die Entscheidung fiel für eine Mehrschicht-Architektur mit einer relationalen Datenbank, einer J2EE-basierenden Mittelschicht sowie einer hochleistungsfähigen standardisierten Online-Komponente. Ziel des Projektes ist es, entsprechend einem siebenstufigen Release-Plan das Altsystem in einer viereinhalbjährigen Migrationphase sukzessive durch die neue IT zu ersetzen. Besondere Herausforderung: Für das neue Projekt steht keine "grüne Wiese" zur Verfügung - eine "Operation am offenen Herzen" musste stattfinden, wie es der Versandhändler formulierte, denn das bestehende Abwicklungssystem wird im laufenden Prozess schrittweise ersetzt.

Von der Linien- zur Projektorientierung

Entsprechend den wichtigen Abläufen im Versandhandel bildete Otto vier Gruppen, die sich der Analyse der Geschäftsprozesse sowie der Implementierung und des Tests der Komponenten widmeten. Darüber hinaus entstanden Querschnittsteams mit den Aufgaben technische Architektur, Datenbankdesign, Au-ßensteuerungsprozesse, funktionale Architektur sowie Buildmanagement.

Auch von der Personalstrategie bedeutete das Projekt eine besondere Herausforderung: Immerhin waren 140 Mitarbeiter aus der IT und 60 aus der Fachabteilung beteiligt. Vor allem die IT-Experten hat Otto neu eingestellt. Dies war die Chance, Berufseinsteiger schrittweise an Aufgaben mit Personal- und Themenverantwortung heranzuführen. Christian Finckler beispielsweise ist im April 2003 als einer der ersten "Neuen" in das Team "Auftrag" eingestiegen. Direkt nach seinem Studium der Medieninformatik an der Fachhochschule Wedel verantwortete er in den ersten Releases die technische Umsetzung der Auftragsvereinnahmung und -prüfung. Angetan ist er vom "echtem Teamwork", in dem jeder Kollege agiert. Viel Arbeit, auch einmal nächtliche Fehlerbehebung stehen immer unter dem Motto "Nicht nur so gut wie nötig, sondern so gut wie möglich".

Sein Einsatz hat sich doppelt gelohnt. Bereits nach kurzer Zeit hat er im dritten Release die Verantwortung für ein Team von vier Analysten und Entwicklern erhalten. Neben der Implementierung von Software ist er nun auch für die Fortschrittskontrolle, die Budget-Einhaltung und die Koordination mehrerer Arbeitsergebnisse zuständig. Im Moment verantwortet Finckler die technische Implementierung aller Komponenten und die pünktliche Bereitstellung dieser für die teamübergreifenden Tests.

Mehr als zwölf Diplomanden haben im Umfeld des Projektes ihre Master-Arbeiten erstellt. Die Ergebnisse fließen direkt oder indirekt in neue IT-Projekte ein. Auf diese Weise erhalten Praktikanten und Diplomanden wie Nicolas Busch die Chance, die Früchte ihrer Arbeit in der Praxis zu bewundern. Der Werdegang von Busch bei Otto beginnt im Jahr 1997 mit der Ausbildung zum Betriebswirt. An der FH Wedel ergänzt er seine Qualifikati-on als Medieninformatiker, begleitet aber als Otto-Stipendiat in den Semesterferien immer wieder IT-Projekte.

Nach einem Praktikum im Intranet-Team des Unternehmens findet er im Januar 2004 im NOA-Projekt ein ideales Umfeld für seine Diplomarbeit. Er erstellt eine Systematik zur Optimierung der Ablaufgeschwindigkeit für Batch-Programme für die IT-Teams. Nach einem überdurchschnittlichen Abschluss wird er festes Mitglied im NOA-Projekt, und die Ergebnisse seiner Abschlussarbeit lassen sich zudem im Tagesgeschäft verwerten.

Nach seinem Start als Systementwickler übernimmt Busch heute im dritten Release bereits ein eigenes Entwicklungsteam, das die Prozesse um die Großkunden in die Praxis liefert. "Einen typischen Tag gibt es nicht" erläutert der Senkrechtstarter. Der Wechsel von Analyse, Entwicklung, Test und meist hektischen Praxiseinführungen sowie die Zusammenarbeit mit externen Beratern geben seiner Tätigkeit die besondere Note. Absolutes Highlight ist jedes Mal die Generalprobe: "Bis zum Vorstand versammelt sich ein Projektteam im Rechenzentrum, wenn es darum geht, einem Prozess den letzten Schubs zu geben".

Das Projekt befindet sich im Zeitplan; drei der sieben Projektphasen wurden in die Produktion übergeben. Die tägliche Verarbeitung läuft nahezu ohne kundenwirksame Belastungen. Mittlerweile wurde die Hardware zu 95 Prozent und die Software zu 50 Prozent ausgeliefert. (hk)