Mutterschutz für die Konzern-IT

21.06.2007 von Robin Prothmann und Laureen Safarik
Ein Benchmarking-Netzwerk unter internen IT-Dienstleistern hat gezeigt, dass Produktportfolio, Kundenservices, Verwaltung und Controlling verbesserungswürdig sind.

Zwar sind die meisten internen IT-Dienstleister organisatorisch eng im Unternehmensverbund verankert, über ihre fachliche Nähe zum Kerngeschäft sagt dies jedoch wenig aus. So ist so manche IT-Abteilung oder IT-Tochter weit entfernt davon, den Anforderungen der übrigen Konzernbereiche vollständig gerecht zu werden. Das ist das Ergebnis des Benchmarks, den insgesamt 28 interne IT-Dienstleister namhafter deutscher Konzerne im Rahmen des "Bensberger Kreises" betrieben haben. Veranstaltet wird das jährliche Treffen von dem Düsseldorfer Beratungshaus SMP AG.

Hier lesen Sie ...

  • warum interne IT-Dienstleister weiterhin auf Aufträge vom Konzern vertrauen können;

  • welche Defizite die Konzern-IT im Controlling aufweist;

  • welche internen Prozesse neu gestaltet werden müssen;

  • warum die Kundensicht noch nicht Einzug gehalten hat;

  • warum es vielfach noch am Produkt-Management mangelt;

  • welche Vorbehalte die internen Betreiber gegenüber dem Offshoring hegen;

  • wie ineffizient zum Teil der interne Helpdesk betrieben wird.

Die Konzern-IT muss ihre Prozesse überdenken und an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten. Das ist noch nicht überall geschehen. Quelle SMP AG.
Foto: SMP AG

Demnach sind die Umsätze der IT-Abteilungen im Durchschnitt um 2,5 Prozent – trotz oftmals offiziell weggefallenem Kontrahierungszwang - gestiegen. Das ist jedoch nicht zwangsläufig ein Vertrauensbeweis der fachlichen Konzernbereiche ihrem internen IT-Service-Provider gegenüber, sondern oft der boomenden Wirtschaft sowie neuen gesetzlichen Bestimmungen geschuldet, die in vermehrten IT-Projekten mündeten. Nur selten sind die Umsatzsprünge dagegen das Resultat eines direkt auf die Bedürfnisse und Wertschöpfungsstufen des Kunden ausgerichteten Lösungs- und Leistungsportfolios. Ein erster Schritt, dies zu verbessern, wäre, die Kundenbedürfnisse anhand der Kundenwertschöpfungskette zu systematisieren sowie Transparenz darüber zu schaffen, inwiefern Geschäftsprozesse unterstützt werden. So sind die Lösungen individuellen Kundenbedürfnissen zuzuordnen.

Im Zuge der IT-Krise und Sparanstrengungen der vergangenen Jahre sind viele deutsche Konzerne dazu übergegangen, den Kontrahierungszwang aufzuheben und den internen IT-Dienstleister in den Wettbewerb mit externen Anbietern zu entlassen. Die Ergebnisse des Bensberger Kreis bestätigen diese Einkaufsstrategie nicht. 60 Prozent der internen Betriebsdienstleister, die Auskunft darüber gaben, wie hoch ihr Anteil am gesamten IT-Budget des Mutterkonzerns ist, nehmen 75 Prozent und mehr der IT-Ausgaben des Mutterkonzerns ein. Das lässt vermuten, dass die Fachabteilungen ihren IT-Provider doch nicht wirklich frei wählen können, sondern IT-Services weiterhin eher intern beziehen. Nach wie vor gibt es viele Fälle, in denen der Mutterkonzern die eigene IT-Tochter schützt.

Vorsprung nutzen und ausbauen

Die Ergebnisse des SMP-Benchmarking-Panels zeigen darüber hinaus, dass lediglich knapp ein Drittel der Konzern-IT-Dienstleiter die Chance nutzt, die sich aus einem Leistungsportfolio ergeben, dass sich an der Kundenwertschöpfungskette ausrichtet. Nur wenige Teilnehmer des Bensberger Kreises unterhalten ein Produkt- und Portfolio-Management, das sich an strategischen Kriterien orientiert. Das ist verwunderlich, denn die Bedeutung eines definierten Leistungsportfolios ist den IT-Verantwortlichen durchaus bewusst. Das förderten bereits die deutschlandweiten Umfragen zur "Zukunft der Konzern-IT" zu Tage, die in den jahren 2005 und 2006 von SMP und Computerwoche gemeinsam betrieben wurden. Darin hatten die Teilnehmer das Portfolio-Management als Top-Thema bezeichnet. Tatsächlich haben lediglich interne Dienstleister in den Branchen Finanzdienstleistungen und Energie ein Produkt-Management weitgehend als eigenständige Funktion etabliert. Da die Fachabteilungen selbst die marktorientierten Services nachfragen, können externe Dienstleister Fuß fassen. Der interne Provider verliert in der Folge die Kontrolle.

Bensberger Kreis

Der Bensberger Kreis ist ein Benchmarking-Netzwerk für Konzern-IT, das jährlich durch die SMP AG als begleitende Beratung initiiert wird. Dort werden betriebswirtschaftlich steuerungsrelevante Benchmarks der einzelnen Leistungsbereiche mit dem Erfahrungsaustausch auf Entscheiderebene kombiniert. Die operative Führung obliegt Robin Prothmann, Senior Manager der SMP AG. 28 führende IT-Dienstleister mit Konzernbezug nutzten den Bensberger Kreis 2007 zur Performance-Messung. Der branchenübergreifende Vergleich und der Austausch innerhalb der Peer Group zeigen Effizienzpotenziale sowie Best Practices mit konkreten Handlungsempfehlungen auf. Weitere Informationen gibt es unter www.smp-ag.de oder www.bensbergerkreis.net.

Um die Kundenperspektive in der Organisation zu verankern, ist eine adäquate Kundenbetreuung wichtig. Die internen IT-Dienstleister vernachlässigen sie jedoch mit dem Argument, ihnen fehle der entsprechende Betreuungsauftrag. Außerdem widerspreche eine solche Funktion dem innerhalb der Konzern-IT verbreiteten Unternehmensziel einer "schwarzen Null". Beides steht für viele Teilnehmer im Widerspruch zu einer strukturierten Vermarktung der eigenen Lösungen. Damit lassen sie jedoch die Vorteile eines Key-Account-Managements ungenutzt. Gespräche auf Augenhöhe zwischen IT und Fachbereich verbessern die Kundenorientierung sowie Betreuungs- und Beratungsqualität. Kompetente Ansprechpartner in einem übergreifend koordinierenden Key-Account-Management stellen ein effizientes Anforderungs-Management mit optimaler Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse sicher.

Optimale Wertschöpfungstiefe ermitteln

Stehen die Kundenbedürfnisse fest, müssen sich die internen Service-Provider die Frage stellen, inwiefern sie in der Lage sind, marktgerechte Services anzubieten. Eine strukturierte Überprüfung der eigenen Wertschöpfungstiefe schafft Transparenz über die eigene Kosten- und Leistungseffizienz. Sie verdeutlicht zudem das Differenzierungspotenzial der einzelnen Funktionsbereiche gegenüber Wettbewerbern. Eine intelligente und konzernübergreifende Sourcing-Strategie bildet die Basis, dem Konzernkunden die besten Rahmenbedingungen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Verfolgt die Konzern-IT diesen Weg konsequent, gelingt es ihr, sich als Business Enabler gegenüber den Fachbereichen zu profilieren. Sie kann helfen, Kosten zu sparen, statt sie zu verursachen.

Bislang beziehen die Betreiber der internen IT externe Dienste vornehmlich von Freelancern und Berater in der Applikationsbetreuung. Quelle: Bensberger Kreis
Foto: Bensberger Kreis

Im Sourcing haben die Teilnehmer im vergangenen Jahr einige Fortschritte erzielt, sind jedoch noch nicht am Ende des Weges angelangt. Ein Viertel der von der Konzern-IT beschäftigten IT-Spezialisten sind externe Kräfte. Rund zwei Drittel dieser externen Mitarbeiter (16 Prozent bezogen auf die gesamten internen und externen IT-Mitarbeiter) sind Berater, Zeitarbeitskräfte oder Freelancer, der Rest wird von Outsourcing-Anbietern gestellt (neun Prozent bezogen auf die gesamte IT-Belegschaft – siehe Grafik "Outsourcing-Quoten in der Konzern-IT"). Diese kleinteilige Einkaufspolitik mit einzelnen Experten ist vor allem in der Anwendungsentwicklung gang und gäbe, soll jedoch nach dem Willen der IT-Verantwortlichen reduziert werden. Statt Verträge mit einzelnen Experten streben die Unternehmen Outsourcing-Verträge mit etablierten Dienstleistern an.

Zwei Drittel der Teilnehmer des Bensberger Kreises nutzen die Möglichkeit, komplette Funktionsbausteine auszulagern und von externen Anbietern betreiben zu lassen. Diese Alternative zur internen Wertschöpfung beschränkt sich dabei nicht nur auf das operative Geschäft, sondern zunehmend auch auf Querschnittsfunktionen. Im Umkehrschluss heißt das jedoch, dass ein Drittel der beteiligten IT-Einheiten keine Outsourcing-Partnerschaften unterhält.

Verwaltung überdimensioniert

Probleme haben die Teilnehmer fast durchgängig mit ihren eigenen Verwaltungsfunktionen. Rund neun Prozent der Mitarbeiter sind mit Aufgaben wie Controlling, Organisation, Finanz- und Rechnungswesen, Recht sowie Einkauf, Personal, Facility-Management, Kommunikation und Marketing gebunden. Ein Blick auf das Ergebnis des Vorjahres zeigt, dass Bemühungen zur Effizienzsteigerung nicht wirklich erfolgreich waren. Insgesamt ist die Verwaltungsquote sogar von 7,9 auf 8,8 Prozent gestiegen. Das Ziel, sechs bis acht Prozent der Mitarbeiter in der Verwaltung zu beschäftigen, verfehlen 40 Prozent der Teilnehmer. Ursachen dafür sind zum einen historisch gewachsene Strukturen. Zum anderen haben es die Unternehmen versäumt nach Konsolidierungsprojekten im IT-Betrieb auch die Verwaltung entsprechend anzupassen.

Handeln, bevor es zu spät ist

Noch bleibt den internen IT-Dienstleistern Gelegenheit, sich auf den steigenden Wettbewerb durch Drittanbieter vorzubereiten. Dazu ist es vor allem notwendig,

  • die eigene Position als IT-Dienstleister innerhalb des Konzerns zu stärken;

  • den Blick auf die Geschäftsprozesse und Kundenanforderungen zu richten;

  • das eigene Differenzierungspotenzial gegenüber externen Wettbewerbern zu erarbeiten;

  • die Kosten- und Leistungseffizienz der eigenen Services gegenüber dem Konzern transparent darzustellen;

  • eine intelligente Sourcing-Strategie zu definieren, die nicht nur das Outsourcing an Externe, sondern auch günstige Shared-Service-Lösungen innerhalb des Konzerns umfasst.

Steuerungsfähigkeit erhöhen

Handlungsbedarf zeigt das Panel auch in der Umsetzung weiterer wichtiger Management-Themen: Nur wenige Teilnehmer am Bensberger Kreis setzen beispielsweise einheitliche Controlling-Instrumente ein, um die interne Transparenz zu verbessern. Zwar betreiben 88 Prozent ein individuell auf die Leistungsbereiche zugeschnittenes Performance-Measurement, deren Ergebnisse allerdings nur selten in ein zentrales Controlling-Cockpit zusammengeführt werden. Eine Detailanalyse hat jedoch gezeigt, dass dieser Weg mehr Ressourcen benötigt, als eine Zentralisierung: Ein durchweg zentral koordiniertes IT-Cockpit mit einheitlicher Datenbasis schafft Transparenz für jede Zielgruppe und erhöht die Steuerungsfähigkeit des Gesamtunternehmens.

IT-Prozesse aktiv gestalten

Auch in der Prozessoptimierung hapert es noch an der einen und an der anderen Stelle. Sie steht zwar auf der Agenda, doch statten die Unternehmen die Funktion des Prozess-Managements nicht mit ausreichenden Ressourcen aus. Ob ein einzelner Prozess-Manager, der mehr als 600 Mitarbeiter betreut, das offizielle Prozessmodell in den einzelnen Bereichen stringent umsetzen kann, ist fragwürdig aber laut Ergebnis aus der Befragung des Bensberger Kreises durchaus gängige Praxis. Häufig ist die Verantwortung für das Prozess-Management auch dezentral verteilt, doch damit ist eine durchgängige Implementierung einheitlicher Prozesse kaum möglich. Wenn Unternehmen bestehende Abläufe zentral dokumentieren und dezentral etablieren würden, könnten sie erhebliches Effizienzpotential heben. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Qualitäts-Management – eine zentrale Steuerung mit entsprechenden Kapazitäten leisten sich nur etwa die Hälfte der Teilnehmer.

Smartsourcing auch in Operations gefragt

Neben den angesprochenen Verwaltungsfunktionen muss sich die Konzern-IT vor allem auch über Sourcing-Optionen in den operativen Bereichen Gedanken machen. Auch für den konzerninternen IT-Dienstleister gibt es "Commodities", die einerseits kaum Gelegenheit bieten, sich inhaltlich von möglichen Wettbewerbern zu differenzieren (zum Beispiel Web- und SAP-Hosting), und die andererseits von der Konzern-IT selbst kaum effizient betrieben werden können (etwa überregionaler Desktop-Service). Treffen beide Bedingungen zu, gibt es für IT-Verantwortliche kaum noch Argumente gegen ein Outsourcing dieser Leistungen.

Der externe Leistungsbezug bei Freelancern und Beratern ist in der Anwendungsentwicklung seit eh und je üblich, hat sich im vergangenen Jahr sogar noch von 22 Prozent auf 24 Prozent erhöht (siehe Grafik "Outsourcing-Quoten in der Konzern-IT") Die Auslagerung dieser Leistungen in Niedriglohnländer (Near- und Offshore) ist jedoch eine kaum beachtete Option. Die Shoring-Quote stagniert bei geringen zwei Prozent. Das liegt zum einen daran, dass die internen IT-Betreiber ihr Portfolio nur selten in "Shoring-fähige" Bausteine unterteilt haben. Zum anderen versprechen sie sich keine signifikanten Spareffekte. Die Preisdifferenz im Nearshore-Bereich wird durch steigende Aufwände im Vendor- beziehungsweise Partner-Management nahezu kompensiert. Offshoring-Lösungen – zum Beispiel in Indien – stellen aufgrund von Sprach-, Distanz- und Zeitbarrieren in den Augen der IT-Entscheider keine wirkliche Alternative dar.

Die Auswirkungen der weltweiten Arbeitsteilung bekommen die internen IT-Betreiber dennoch zu spüren, und zwar in Form fallender Tagessätze. Konnten sie im Jahr 2005 für einen internen Projektleiters noch 960 Euro in Rechnung stellen, sind es heute 15 Prozent weniger. Die Preise fallen über alle Qualifikationsstufen hinweg: Der Tagespreis eines Entwicklers ist innerhalb von zwei Jahren um neun Prozent gefallen, der eines Senior-Beraters ebenfalls um 15 Prozent.

Die dargstellten Preise sind in den vergangenen Jahren um neun bis 15 Prozent gefallen. Quelle: SMP AG

Projektleiter

Senior Entwickler

Entwickler

Finanzdienstleister

890 Euro

821 Euro

771 Euro

Energie

865 Euro

780 Euro

710 Euro

Öffentliche Hand

857 Euro

692 Euro

652 Euro

Industrie

813 Euro

777 Euro

720 Euro

Transport,Logistik und Handel

783 Euro

698 Euro

581 Euro

Größe nicht immer vorteilhaft

Die nach der Applikationsentwicklung und -betreuung zweitgrößte IT-Funktion ist der Infrastrukturbereich mit dem Betrieb der Rechenzentren sowie der Daten- und Sprachnetze. Hier erzielen die internen IT-Anbieter im Durchschnitt rund 35 Prozent ihres Umsatzes. Wesentliche Aufwandstreiber sind die geografische Weitläufigkeit und die oft durch Unternehmenszukäufe entstandene Komplexität. Die durch Fusionen und Akquisitionen steigenden Ressourcen könnten zu Skaleneffekten führen. Da aber statt Harmonisierung meist Integration auf der Agenda steht, wird dieses Potenzial nicht gehoben.

Der Servicezug kommt ins Rollen

Nicht nur auf der Kostenseite im Betrieb, auch auf der Angebots- und Leistungsseite liegt noch einiges im Argen. So haben mehr als 30 Prozent der IT-Betreiber für IMAC-Services im Desktop-Umfeld (Install, Move, Add, Change) keine Service-Levels mit ihren Kunden vereinbart. Oftmals fehlt die Transparenz über die jeweilig anfallenden Stückkosten. Das macht eine leistungsgerechte Preisgestaltung der Services unmöglich. Weil die internen IT-Dienstleister keine kalkulierten Preise haben, stellen sie für den Kunden nur schwer nachvollziehbare Managed-Care-Preise in Rechnung, also Preise, von denen die IT-Verantwortlichen glauben, dass sie kostendeckend sind.

Es steht zu erwarten, dass der Trend, den User Helpdesk auszulagern, auch in der Konzern-IT anhält. So legte beispielsweise die Fremdvergabe dieses Bereich 2006 gegenüber Vorjahr um vier Prozent auf nun 16 Prozent zu. Das Outsourcing wird auch deshalb vermehrt Einzug halten, weil viele User-Helpdesks ineffizient arbeiten. Ein Viertel der IT-Töchter weist Weiterleitungsquoten von zum Teil deutlich über 60 Prozent auf. Im Klartext: Sie nehmen Kundenanfragen auf und leiten fast zwei Drittel davon sofort weiter, weil sie sie selbst nicht beantworten können.

Hier bietet sich offensichtlich die Chance, das "Telefongeschäft" zugunsten des eigentlichen Kerngeschäfts aufzugeben und den User Helpdesk an einen externen Anbieter zu übertragen. Negative Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit während der Übergangsphase, die oft entstehen, weil die neuen Mitarbeiter nicht mit den Besonderheiten vertraut sind, sind nicht zu befürchten. Bei den geschilderten niedrigen Sofortlösungsquoten dürfte es um die aktuelle Zufriedenheit ohnehin nicht gut bestellt sein. (jha)