Kinder und Karriere im Beruf

Mutter und Job - Die Quadratur des Kreises?

24.05.2018 von Michael Schwengers
Dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in der IT-Branche möglich ist, macht das Beispiel von Vanesa Loche Vazquez deutlich. Die 36-Jährige arbeitet im Application Management bei MHP, hat gerade ihr zweites Kind bekommen und plant schon die nächsten beruflichen Schritte.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ausschließlich eine Herausforderung für die Frauen.
  • Nur 21 Prozent der Frauen in Deutschland denken, mit Kindern im Beruf vorwärts zu kommen.
  • Viele Aufgaben lassen sich remote aus dem Büro oder vom Home Office aus erledigen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht seit Jahren auf der Agenda fast aller Parteien in Deutschland - und tatsächlich ist einiges passiert. Die Einführung des Elterngeldes und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr sind nur zwei Beispiele. Dennoch schneidet Deutschland im internationalen Vergleich relativ schlecht ab, wie eine OECD-Studie von 2017 zeigt.

So sind hierzulande knapp 70 Prozent der Mütter erwerbstätig, was ungefähr dem OECD-Schnitt entspricht. Allerdings arbeiten nur etwa 30 Prozent der Mütter in Vollzeit, rund 40 Prozent in Teilzeit. Interessant ist im Zusammenhang mit der Studie und der Argumentation ein weiterer Aspekt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist offenbar nach wie vor ausschließlich eine Herausforderung für die Frauen.

Nur ein Fünftel der Frauen in Deutschland glaubt, auch mit Kindern Karriere machen zu können.
Foto: Syda Productions - shutterstock.com

Da wundert es nicht, dass Frauen bis heute auch deutlich seltener Karriere machen als Männer - oder besser gesagt: Mütter seltener als Väter. Das ist offenbar auch die Wahrnehmung der Betroffenen. Laut einer gemeinsamen Umfrage der Thomson-Reuters-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung gehen nur 21 Prozent der Frauen in Deutschland davon aus, auch mit Kindern im Beruf vorwärtskommen zu können.

Application Management bietet perfekten Rahmen

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Vanesa Loche Vazquez. Die 36-Jährige hat mit Ende 20 ihr erstes Kind bekommen, im Herbst 2017 ihr zweites. In der Zwischenzeit hat sie Karriere bei der Management- und IT-Beratung MHP gemacht. In einer Branche also, die nicht unbedingt für einen hohen Frauenanteil und eine besondere Familienfreundlichkeit bekannt ist.

Nach ihrem Wirtschaftsstudium arbeitete Vanesa Loche Vazquez zunächst bei einem Industrieunternehmen und hatte verantwortungsvolle Aufgaben bei weltweiten Rollouts von SAP-Systemen inne. 2008 entschied sie sich dann für den Wechsel zu MHP - und zwar in den Bereich Application Management. "Für mich war klar, dass ich Kinder bekommen und eine Familie gründen möchte.

Gleichzeitig wollte ich aber meine Karriere weiterverfolgen. Das Application Management in einer Unternehmensberatung ist dafür ideal geeignet." Und zwar deshalb, weil sich viele Aufgaben remote aus dem Büro oder vom Home Office aus erledigen lassen. Termine vor Ort sind zwar wichtig und gehören auch regelmäßig zum Arbeitsalltag, lassen sich aber gut managen und beschränken sich in der Regel auf einen Tag.

Vanesa Loche Vazquez hat konkrete Pläne für ihre Karriere nach der Geburt des zweiten Kindes. Sie will bei MHP bis zum Assocciated Partner aufsteigen.
Foto: Vanesa Loche Vazquez

"Der Bereich hat mich auch inhaltlich gereizt: Mich motiviert der Gedanke, dem Kunden nicht nur dabei zu helfen, ein performantes IT-System zu betreiben, sondern ihn auch ganzheitlich zu beraten."

Flexibilität und starker Wille sind wichtig

2011 brachte Vanesa Loche Vazquez ihre Tochter zur Welt. Sechs Monate nach der Geburt begann sie wieder bei MHP - damals mit 50 Prozent. Ein Jahr später, zum Jahresbeginn 2013, stieg sie zum Manager auf. Vor der Geburt des zweiten Kindes war Vanesa Loche Vazquez wieder bei 80 Prozent angekommen und hatte eine Vier-Tage-Woche: Drei Tage arbeitete sie im Office in Ludwigsburg oder bei ihren Kunden, einen Tag im Home Office. Der Freitag war Familientag und frei.

Aufgestiegen war Vanesa Loche Vazquez in dieser Zeit bis zur Senior Managerin mit Personalverantwortung für sechs Mitarbeiter in Deutschland und für fünf Mitarbeiter am rumänischen Standort von MHP in Cluj. "Ich hatte nie das Gefühl, wegen meiner Tochter und des Teilzeitjobs Nachteile bei der Karriere hinnehmen zu müssen. Ausschlaggebend ist, die Leistung zu bringen und die Erwartungshaltung des Arbeitgebers und der Kunden zu erfüllen."

12 goldene Regeln fürs Home Office

Viele IT-Manager fürchten die Heimarbeit als Produktivitätskiller. Damit Telearbeit nicht ins Desaster führt, müssen klare Regeln gelten – für Homeworker und für ihre Teams.
Regeln für Telearbeiter: 1. Routinen einhalten
Heimarbeit braucht feste Zeiten, um nicht in den Freizeitpark zu führen. Überlegen Sie, zu welchen Zeiten Sie für das Unternehmen erreichbar sein müssen, und legen Sie drum herum Ihre Arbeitszeiten je nach Biorhythmus.
2. Arbeitsplatz einrichten
Heute hier, morgen dort arbeiten? Bloß nicht. Das Gehirn braucht einen festen Anker. Sobald es dann den Schreibtisch sieht, switcht es automatisch in den Arbeitsmodus.
3. IT-Support sichern
Die technische Erreichbarkeit ist Grundvoraussetzung für den Heimarbeitsplatz. Daher unbedingt mit dem Arbeitgeber klären, wer bei auftretenden Problemen hilft.
4. Nanny anstellen
Störende Kinder bei der Arbeit sind ein No-Go – im Büro genau wie im Home Office. Also für Betreuung sorgen, wenn es möglich ist.
5. Grenzen ziehen
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Soll heißen: Im Job arbeitet man diszipliniert und vorbildlich wie in der Firma. Nach Feierabend aber schaltet man genauso vorbildlich ab. Und lässt das Bürotelefon im Arbeitszimmer läuten, bis es schwarz wird.
6. Flurfunk empfangen
Wer zu Hause arbeitet, bekommt weniger von den Schwingungen im Unternehmen mit. Dort stehen Homeworker in der Holschuld. Denkbar sind etwa regelmäßige Update-Telefonate mit einem Kollegen oder das tägliche Einloggen ins firmeneigene soziale Netzwerk.
Regeln fürs Team: 7. Leitplanken setzen
Ohne Vertrauen geht nichts. Der Chef sollte seiner Mannschaft feste Leitplanken setzen, innerhalb derer sie freie Fahrt gestatten. Die neue Denke: Hauptsache, die Arbeit wird erledigt. Egal wo.
8.Transparenz schaffen
Jedes Teammitglied muss wissen, wie und wann die Kollegen erreichbar sind. Ein elektronischer Teamkalender verschafft Durchblick.
9. Medien festlegen
Der digitale Büro-Austausch hat viele Gesichter: Telefon, E-Mail und Chat, WhatsApp Videokonferenz und Firmenwikis. Das Team sollte festlegen, was man wie mitteilt.
10. Technik umarmen
Neue Techniken sind für Telearbeiter-Teams immer Freund und nicht Feind. Also bitte nicht die Kamera beim Videochat zukleben – das Gesicht sagt manchmal mehr als 1.000 Worte!
11. Fair bleiben
Gleiches Recht für alle. Falls durch die veränderten Arbeitsorte Mehrarbeit entsteht, muss diese gleichmäßig auf den Schultern von Präsenz- und Telearbeitern verteilt werden. Chefsache.
12. Jours fixes vereinbaren
Der altmodische Austausch von Angesicht zu Angesicht ist durch keine Webkonferenz der Welt zu ersetzen. Feste Termine für Teamtreffen festlegen, wenn es möglich ist.
zusammengestellt von Judith-Maria Gillies
freie Wirtschaftsjournalistin in Köln.

Um sich sowohl ihrer Familie als auch ihrer Karriere voll widmen zu können, sind für Vanesa Loche Vasquez einige Rahmenbedingungen entscheidend. Da ist erstens die Art des Jobs: Das Application Management lässt sich per se gut von jedem beliebigen Ort ausführen. Außerdem ermöglicht MHP, die Arbeit zeitlich und räumlich flexibel zu gestalten. Zweitens kann Vanesa Loche Vazquez auf ein gutes familiäres Netzwerk zurückgreifen: Sie selbst bringt die Tochter morgens in den Kindergarten, ihr Ehemann, ihre Eltern oder ihre Schwiegereltern holen sie nachmittags ab und übernehmen bis zum Feierabend die Betreuung.

Und drittens kommt es für sie auf den Willen an: "Das Leben, das ich führe, ist anstrengend - da darf man sich nichts vormachen. Häufig beantworte ich noch abends und an meinen freien Tagen E-Mails oder kümmere mich um Dinge, die liegen geblieben sind. Hinzu kommt, dass ich immer wieder auf organisatorische Herausforderungen reagieren muss - zum Beispiel, wenn meine Tochter krank wird und ich mit ihr zum Arzt muss. Eigenmotivation und die Bereitschaft, auch mal eine Extrameile zu gehen, sind in einer solchen Konstellation unabdingbar, sonst macht man das nicht lange."

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes möchte Vanesa Loche Vazquez erneut schnell wieder bei MHP einstiegen, geplant ist auch dieses Mal ein halbes Jahr. Für ihre Karriere hat sie ebenfalls konkrete Pläne. Bis zum Assocciated Partner will sie aufsteigen - und das auch mit zwei Kindern im üblichen Tempo.