Auch Chefs brauchen Mittagsschlaf

Mut zum Nickerchen

22.06.2014 von Bettina Dobe
Wer mittags nur zwanzig Minuten die Augen schließt, ist deutlich produktiver und hat bessere Laune. Ein Plädoyer für die tägliche Siesta.

Ein Kollege tut’s nach dem Mittagessen. Die Müdigkeit setzt ein, die Lider werden schwerer, der Kopf sinkt nach unten und jede Bewegung kostet Mühe. Jeden Satz muss er drei Mal lesen, tippen geht ohnehin nicht mehr. Jetzt mal kurz die Augen schließen, das wär`s! Kurzerhand legt er sich mit seiner Isomatte unter den Schreibtisch. Gut, dass unser Kollege ein Einzelbüro hat.

Laut einer Emnid-Umfrage vor ein paar Jahren würde jeder dritte Deutsche gern mittags ein Nickerchen machen, nur haben sie kein Einzelbüro (oder wollen nicht an der Isomatte horchen). Aber für die meisten steht ein Mittagsschlaf völlig außer Frage, weil sie fürchten, als faul zu gelten. Allenfalls einen "Power Nap" würden sie vor Kollegen noch zugeben. Der Begriff bedeutet zwar nichts anderes als Mittagsschlaf, klingt aber nach Arbeit und Produktivität. Statt zu schlafen, ackern sich viele lieber durch das Konzentrationstal hindurch oder behelfen sich mit noch mehr Kaffee.

Nur Mut! Wer Mittagsschlaf im Büro macht, ist hinterher deutlich produktiver.
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Besser als Kaffee

Auf den eigenen Körper hören und ein Nickerchen einzulegen wäre viel besser, als sich müde durch den Nachmittag zu schleppen. Das haben zahlreiche Studien bewiesen: Die Leistung nach einem Schläfchen steigt um etwa 35 Prozent, die Reaktionszeit verkürzt sich, die Mitarbeiter können sich länger und besser konzentrieren und machen dadurch weniger Fehler (eine Übersichtsstudie über die Vorteile finden Sie hier.).

Ein Schläfchen wirkt sogar besser als ein Energydrink, wie in einer Studie von 2008 herauskam. Hinterher sind wir wacher, fitter, entspannter und besser gelaunt. Die Entspannung lässt den Blutdruck sinken und möglicherweise verringert sich dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Umgekehrt gilt: Wer keinen Mittagsschlaf macht, hat ein höheres Risiko, an Depressionen zu erkranken, ist schlecht gelaunt und reizbar, und macht mehr Fehler. Das bedeutet: Vor allem in stressigen Endphasen von Projekten, wenn alle wenig schlafen, sich aber gleichzeitig hochkonzentrieren müssen, wäre ein Nickerchen sinnvoll. Das muss nicht mal lang sein.

Maximal 20 Minuten

Schon sechs Minuten Schlaf bewirken, dass der Schläfer sich Sachverhalte besser merken kann. Länger als 20 Minuten sollte ein Mittagsschlaf nicht dauern. Sonst fällt der Schläfer in die Tiefschlafphase, aus der er sich nur schwer wieder befreien kann. Er entspannt sich zu sehr - das wiederum ist kontraproduktiv. Auf Knopfdruck schlafen können allerdings nur die wenigstens. Augen zu, Hirn aus bedeutet für viele nur noch mehr Druck und Frust. Dabei muss man nicht unbedingt schlafen.

Schlafforscher meinen, dass es nicht darauf ankommt, dass der Mitarbeiter tatsächlich schläft, sondern dass der Ruhende sich entspannt - eben dass er kurz gedanklich abschaltet. Weil es darauf kommt, körperlich und geistig "runterzukommen", bringt es genauso viel, im Sitzen zu schlafen oder zu meditieren. Darauf setzt zum Beispiel die Firma BASF, die ihren Mitarbeitern "Power Napping"- Kurse anbietet.

Ruheräume in Fulda

In Deutschland bieten nur wenige Firmen Möglichkeiten zur Entspannung an. Der Fahrzeug- und Fertigungsanlagenhersteller EDAG aus Fulda geht mit gutem Beispiel voran. In der Hauptniederlassung gibt es zwei Ruheräume mit Massagesesseln und je nach Bedarf in den einzelnen Niederlassungen ebenfalls. "Wo es sich bewährt hat, haben wir einen solchen Raum eingerichtet", erzählt Christiane Burkardt-Ohlsen, die für das Gesundheitsmanagement im Unternehmen zuständig ist. Mit einer Massage, Lichteffekten und akustischen Signalen kann der betreffende Mitarbeiter zwanzig Minuten lang die Augen schließen: "Danach geht man immer ganz entspannt da raus", erzählt Burkardt-Ohlsen. Für sie ist dieses Angebot ein Aspekt der Mitarbeiterfürsorge.

Aber auch bei der EDAG nutzen bei weitem nicht alle Mitarbeiter die Ruheräume. "Einige finden das toll und nutzen das - andere würden sich dafür nie Zeit nehmen", sagt Burkardt-Ohlsen. Wer Kopfschmerzen habe oder erschöpft sei, der nutze den Sessel mit Begeisterung, erzählt sie. Einige seien aber einfach nicht bereit, für Entspannung und Meditation Zeit einzuplanen, zumal die Viertelstunde im Ruheraum nicht zur Arbeitszeit zählt. "Wir stellen diese Möglichkeit zur Verfügung - nutzen muss sie der Mitarbeiter selbst", sagt Burkardt-Ohlsen. Für weitere Studien (ob die Ruhe zum Beispiel den Krankenstand reduziere) nutzten bislang aber zu wenig Mitarbeiter die Räume.

Entspannen
In der freien Natur ...
... erholen sich die meisten CIOs hierzulande gern. Aber auch Heimwerken, Bonsaizüchten oder Gärtnern steht bei den IT-Profis nach der Arbeit auf dem Programm.
Es grünt so grün
... bei Horst Westerfeld. Der ehemalige CIO des Landes Hessen ist begeisterter Gärtner und freut sich über die frische Ernte auf seinem Tisch.
Sönke Vetsch
... hat sein Hobby auch im Büro um sich: Der ehemalige CIO der Börse Stuttgart liebt Bonsais.
Auf zwei Rädern
... verbringt der ehemalige EBZ-CIO Markus Kapler (hier mit Team, obere Reihe, 2.v.re.) seine Freizeit. Wahlweise mit dem Rad oder mit dem Motorrad.
Von Entspannung
... kann bei Leo Hintersteiner, CIO bei Wittur Austria, in seiner Freizeit keine Rede sein. Der begeisterte Triathlet ist für die Ironman Weltmeisterschaft Hawaii 2013 nominiert!
Heimwerken
...leistet bei Able-CIO Christoph Grewe-Franze ebenso gute Dienste zum Entspannen wie Spaziergänge mit seinem Hund.
Der CIO des Jahres 2012
... war Thomas Noth von der Talanx AG. Er entspannt sich gerne im Kreis seiner Familie oder fährt Oldtimer.
Musik
... ist für Klaus Höffgen, CIO bei der Delvag Luftfahrtversicherung, das allerbeste zum Abschalten.
Hoch hinaus
... treibt es Volker Dirksen, CIO bei Springer. Er geht gerne bergsteigen, 2011 hat er z.B. den Annapurna in Nepal umrundet.
Michael Kollig, heute bei T-Systems,
... räumte 2012 beim 'CIO des Jahres' groß ab: Als CIO von Danone war er Gewinner des Global Exchange Awards und Dritter bei den Großunternehmen. Und trotzdem bleibt noch Zeit für Familie und Golfen.
BRITA-CIO Frank Nittka
... ist gerne sportlich unterwegs: Mountainbiken, Ski/Snowboard, Laufen und Tennis zählen zu seinen Hobbys. Aber er trifft sich auch einfach gerne mit guten Freunden.
ProSiebenSat1-CIO
... Andreas König engagiert sich als Business Angel und geht gerne golfen mit der Familie.
In der Ruhe liegt die Kraft
Deshalb geht Thorsten Pawelczyk, CIO bei Tönsmeier, gerne zum Yoga.
Der Mittelstandsgewinner 'CIO des Jahres 2012'
... entspannt sich am liebsten in der freien Natur. Aber auch Musik steht bei Bernd Kuntze von Haas Food Equipment ganz hoch im Kurs.
Golfen
... und Joggen sind die beiden Sportarten, bei denen Johnson Controls-Automotive-CIO Volker Raupach gut abschalten kann.
Dietmar Schlößer
... ist CIO bei Deloitte. Davon erholt er sich gerne mit seiner Familie, aber auch Rudern und Laufen stehen auf dem Freizeitprogramm.
Rehau-CIO Thomas Schott
... zieht's in die Berge: Er ist gerne mit dem Mountainbike in großen Höhen unterwegs.
Viel frische Luft
... bevorzugt der CIO der Bundesagentur für Arbeit, Klaus Vitt. Er geht gerne in seiner Freizeit wandern und radfahren.
Christian Mezler-Andelberg
... CIO bei Magna Steyr setzt in seiner Freizeit eindeutige Prioritäten: seine Familie. Und ab und zu noch mal ein gutes Buch.
Sebastian Saxe, CIO bei Hamburg Port Authority
... entspannt sich gerne mit einen guten Buch, geht aber auch gerne Wandern und auf Reisen.
Jochen Schneider, Ex-CIO
... der Zürcher Kantonalbank ist ein großer Fan von Ausdauersportarten. Joggen, Schwimmen, Rennrad fahren: Hauptsache, draußen unterwegs.

Im Sitzen schlafen

Wer sich mittags ein wenig Ruhe gönnen will, aber keine Möglichkeit hat, sich lang zu machen, kann auch im Sitzen entspannen. Um sich zu behelfen, raten Experten dazu, auf dem Stuhl eine entspannende Position einzunehmen und die Augen zu schließen. Es hilft, das Telefon kurz auf stumm zu stellen und das Ping der Email auszuschalten. Wer dann noch ein "Nicht stören"-Schild an der Tür hat, macht alles richtig. Einige Firmen bieten ihren Mitarbeitern auch Kurse an, um richtig zu meditieren. Denn auch eine Meditation sorgt für einen Frische-Kick am Mittag.

Es muß nicht immer der Mittagsschlaf sein: Meditieren kann genauso entspannen.
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Wer sich mit dem "Power Nap" so richtig pushen will, kann es mit einer Tasse Kaffee direkt vor dem Mittagsschlaf versuchen. Da Koffein erst nach etwa einer halben Stunde im Körper wirkt, steht es einem kleinen Nickerchen nicht entgegen. Wie zwei Forscher der Loughborough University in einer Studie gegen Müdigkeit von Autofahrern herausfanden, steigert das die Produktivität. Sobald man aufwacht, fühlt man sich noch erfrischter als ohnehin schon nach einem Nickerchen.

Die Gene zwingen uns

Gegen die Müdigkeit am Mittag kann man meistens nicht viel tun, das Leistungstief kommt, ob wir wollen oder nicht. Das eingangs beschriebene "Suppenkoma" hat nichts mit dem Mittagessen zu tun. Die Müdigkeit überfällt uns mittags, weil die Gene uns dazu zwingen. Zwar verstärkt ein üppiges Mahl die Symptome. Doch müde würden wir auch ohne Schweinebraten oder Pizza. Der Körper will um die Mittagszeit einfach ruhen. Die Pause könnten wir ihm doch eigentlich gönnen - und danach umso frischer weiterarbeiten.