Smartclips, XML- und Workflow-Unterstützung

Multimediales Internet mit Macromedias Flash 5

20.10.2000
In der Web-Design-Szene wurde die neue Version 5 von Macromedias Animationssoftware "Flash" bereits heiß ersehnt. Die Autorensoftware glänzt vor allem durch die Verbesserung von Interface und Programmier-Schnittstelle. Flash-5-Filme lassen sich ferner erheblich schneller und einfacher erstellen. Von Frank Puscher*

Mit der schnellen Verbreitung in den letzten Jahren stiegen auch die Ansprüche an die Qualität von Flash. Es baute sich ein regelrechter Update-Stau auf, weil weder das ungewöhnliche Interface noch die proprietäre Programmiersprache Actionsscript geeignet waren, professionellen Web-Designern das Leben einfacher zu machen.

Genau dieser Zielgruppe widmet Macromedia die Neuentwicklungen in Flash 5. Und um es vorweg zu sagen: Gravierende Neuerungen, die sich in den Arbeitsergebnissen niederschlagen, gibt es nicht. Flash-5-Filme werden nicht viel mehr leisten als ihre Vorgänger, aber sie können wesentlich schneller und einfacher erstellt werden.

Die durchgreifendste Änderung dürfte jeden erfahrenen Flash-Worker zunächst erschrecken. Das Interface des Programms wurde komplett umgekrempelt. Zwar blieben Timeline und Werkzeugleiste gleich, alles andere jedoch ist neu. Die in Flash 4 noch gut versteckten Inspektoren prangen als "Paletten" fast ständig im Blickfeld des Designers. Damit nähert sich das Werkzeug an die gängigen - bei weitem nicht optimalen - Standards erfolgreicher Programme - etwa von Adobe - an. Alle wichtigen Einstellungen werden nicht mehr über den Umweg "Eigenschaften" erreicht, sondern können direkt angeklickt werden.

Neues Inface hilft beim ProgrammierenBei manchen Funktionen macht sich das neue Interface sehr positiv bemerkbar, vor allem bei der Programmierung. Vorbei die Zeit, als der Flasher zwischen Frame-Skripts und Objekt-Skripts unterscheiden musste. Es gibt ein Skriptfenster, das sich jeweils an das aktuell ausgewählte Element anpasst, egal ob es sich um eine Instanz oder einen Frame handelt. Gleichzeitig entsteht mit der Vielzahl an Fenstern eine Unordnung auf dem Desktop. Die praktische Arbeit zeigt, dass man ständig nach der passenden Palette sucht. Ist man das leid, lässt sich die Palette kurz ausblenden, um sie dann wieder als oberste zu aktivieren.

Müßig zu erwähnen, dass erfahrene Designer eine ganze Reihe von Funktionen, die sie bislang im Schlaf beherrschten völlig neu suchen müssen. Teilweise, wie zum Beispiel die Verlaufstransparenz, sind die Funktionen so gut versteckt, dass sie ebenso schwer zu finden sind wie früher. Dafür dürfen die Designer endlich eigene Keyboard-Shortcuts anlegen.

Movie Explorer und SmartclipsDennoch gibt es keinen Zweifel darüber, dass das neue Interface die Arbeit vereinfacht. Dazu tragen vor allem zwei ganz wichtige Neuerungen bei. Allen voran steht der Movie Explorer, ein Fenster, in dem alle Elemente des Films in ihrer Verschachtelung dargestellt werden. Sogar die Programmierungen sind dort zu sehen, und per Doppelklick kann man sie direkt bearbeiten.

Eine zweite Neuerung, die die Arbeit mit Flash auf Dauer durchgreifend ändern wird, sind die Smartclips. Das sind vorgefertigte Elemente wie zum Beispiel Drop-down-Menüs, die sich aus der Bibliothek auf die Bühne ziehen lassen. Ihnen zugeordnet sind Variablen und Werte, die beispielsweise die benötigten Links und Linktexte enthalten. Das interessante an den Smartclips ist, dass ein Autor das Eigenschaftsfenster zu einem Clip selbst als Flash-File entwerfen kann. Versierte Programmierer erstellen damit komplexe Interaktionen und stecken sie in ein einfaches Interface, so dass Designer mit ihnen einfach arbeiten können.

Actionsscripts wurden überarbeitetActionsscript wurde in Flash 5 gewaltig aufgebohrt. Neben den bekannten Standardfunktionen gibt es eine Legion neuer Operatoren, Objekte und Prozesse. Sie werden ab sofort in einer Javascript-ähnlichen Syntax gruppiert, was leider dazu führt, dass alte Schreibweisen nicht mehr funktionieren. Aus "_level0/movieclip" wird beispielsweise "_level0. movieclip". Wer Probleme bekommt, kann sich aber an den Debugger wenden - ein lange vermisstes Tool.

Ab sofort lassen sich Actionsscripts auch außerhalb des eigentlichen Films lagern und mit diesem verlinken. Ein Actionsscript kann also für mehrere Applikationen gleichzeitig herhalten.

Ebenso vermisst wurde bislang die Möglichkeit, gemeinsam an einem großen Flash-Projekt zu arbeiten. Das ist nun zumindest teilweise möglich. Smartclips sind austauschbar, und mit den so genannten Shared Libraries ist es möglich, eine Bibliothek mit Elementen zu füllen, die dann von allen Mitarbeitern benutzt werden sollen. Diese Bibliothek kann auch auf einem Netzwerk-Server platziert werden.

Um auch in Sachen Internet auf der Höhe der Zeit zu bleiben, haben die Macher die Nutzung der Extensible Markup Language (XML) in Flash 5 integriert. Auch die HTML-Formatierung von Texten soll unterstützt werden. Anders als bei Flash 4 sind nicht nur die Schriftkonturen klickbar, sondern auch zum Beispiel der Leerraum innerhalb eines "o". Auf der Basis von XML könnten in Kürze sehr viele Flash-Erweiterungen kommen, die sich nahtlos in eine Applikation integrieren und nicht nur mit dem allerneuesten Plugin funktionieren. Eine der wichtigsten wäre eine Schnittstelle zu Adservern und Page-Impression-Zählern. Bislang tauchten reine Flash-Applikationen nicht in Server-Statistiken auf, was als gewaltiges Manko in der Vermarktung galt.

Offensichtlich will Macromedia mit Flash 5 auch den Absatz seiner anderen Produkte vorantreiben, allen voran das Illustrationspaket Freehand. Bislang wurde nur das wesentlich verbreitetere Illustrator-Format unterstützt, jetzt kann Flash auch das Native-Format des eigenen Grafikprogramms interpretieren. Der Importfilter weist hübsche Möglichkeiten aus: So lassen sich mehrseitige Dokumente entweder auf Frames oder auf verschiedene Szenen aufteilen, und Freehand-Ebenen werden entweder zu Ebenen oder Frames.

Freehand ist auch der Grund, warum Macromedia bei der Verbesserung der Flash-eigenen Zeichenfähigkeiten nur sehr zögerlich agiert. Zwar kann die neue Version endlich Bezierkurven verarbeiten, mehr aber auch nicht. Für komplexere Layouts investiere der Designer doch bitte in ein zweites Werkzeug. Für die Zusammenarbeit mit Fireworks unterstützt Flash 5 jetzt die erweiterten PNG-Optionen. Umgekehrt kann Dreamweaver in der Version 3 Flash 5 Dateien inline abspielen.

Flash 5 bedeutet Professionalisierung der Flash-Arbeit. Viele Vereinfachungen richten sich an Hardcore-Flash-Designer und werden von diesen sicherlich freudig aufgenommen werden. Auch Neueinsteiger werden sich mit einer etwas gewohnteren Umgebung leichter tun.

Mit XML öffnet Macromedia eine neue Schnittstelle für professionelles Web-Design, die die Leistungsfähigkeit von Flash-Filmen exponentiell erweitern kann. Außerdem wird die gemeinsame Leistung der Community die Technologie vorantreiben. Wie bei Photoshop-Actions, so bieten nämlich auch die Smartclips endlich die Möglichkeit, einzelne Flash-Bausteine via Web zu distribuieren. Die neuen Features werden sich allerdings nur langsam am Markt zeigen. Zum einem benötigen die Benutzer wieder ein neues Plugin, zum anderen ist der Preis des Werkzeugs deutlich gestiegen. Die Stand-alone-Version kostet 1178 Mark, das Paket Macromedia Flash 5 Freehand 9 Studio 1769 Mark. Das Upgrade für registrierte Anwender schlägt mit 356 Mark (Stand-alone-Version) beziehungsweise 595 Mark (Studio) zu Buche.

*Frank Puscher ist freier Journalist und Multimedia-Berater in Hamburg.