Münchener Rück sichert Daten virtuell

06.07.2006 von Dirk Pelzer
Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG spart mit virtueller Magnetbandtechnik nicht nur Kosten, sondern steigert auch die Effizienz von Backup- und Restore-Vorgängen.

Gleich mehrere Gründe veranlassten die Verantwortlichen der Münchener Rück, die Datensicherung in ihrem Unternehmen zu überdenken. Zum einen hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr Backup-Inseln gebildet, zum anderen war die verwendete Magnetband-Technik aus Magstar-3590- und DLT-7000-Laufwerken in die Jahre gekommen. Zudem liefen die Bandarchive aus der Wartung.

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Die vorhandene Architektur schaffte zudem vielfältige Probleme. So gestaltete sich die Administration der bis zu acht Backup-Inseln zunehmend aufwändiger, und es existierten mehrere Single Points of Failure. Hinzu kam, dass die vorhandenen Ressourcen aufgrund der Inselstruktur nicht optimal genutzt werden konnten: Während einzelne Bandarchive nicht ausgelastet waren, herrschten bei anderen akute Engpässe. Gleichzeitig stieg - auch wegen verschiedener Großprojekte im Unternehmen - das Volumen der zu sichernden Daten immer weiter an. Dies hatte zur Folge, dass das Zeitfenster für das Backup nicht mehr ausreichte und sich zudem die Recovery-Zeiten drastisch verlängerten.

Erweiterung kam nicht in Frage

Um den Herausforderungen adäquat begegnen zu können, rief das Unternehmen das Projekt "Bares" (Backup Restore Solution) ins Leben. "Ziel dabei war es, eine Komplettlösung aller Belange für Backup und Restore zu schaffen, die sowohl für die Münchener Rück selbst als auch für die Beteiligungsgesellschaft Meag (Munich Ergo Asset Management GmbH) einheitlich nutzbar sein sollte", erläutert Andreas Thomé, Leiter des Systembetriebs, an seinen Projektauftrag.

Das Projektteam stellte zunächst die technischen Anforderungen zusammen. Dabei kristallisierte sich schnell heraus, dass eine Erweiterung der existierenden Architektur aus Kosten- und Effizienzgründen nicht in Betracht käme. Stattdessen fiel die Entscheidung für die Neuanschaffung einer auf die besonderen Anforderungen der Münchener Rück zugeschnittenen Lösung. Im nächsten Schritt erarbeitete das Team daher einen umfassenden Anforderungskatalog, der im Rahmen einer Ausschreibung an mehrere Hersteller versandt wurde. Nach eingehender technischer und kaufmännischer Begutachtung aller Angebote erhielt schließlich Fujitsu-Siemens Computers (FSC) den Zuschlag als Generalunternehmer.

Virtuelle Bänder für mehr Effizienz

Das Herzstück der neuen Infrastruktur bildet seitdem die "Centricstor Virtual Tape Appliance" von FSC. Vereinfacht ausgedrückt verhält sich der Speicher gegenüber der Backup-Software wie ein "echter" Bandroboter. In Wirklichkeit werden die Daten jedoch über virtuelle Bandlaufwerke in einen für Banddaten optimierten Platten-Cache geschrieben und sofort nach Ende eines Schreibzyklus automatisch auf physikalische Bänder ausgelagert. Durch eine große Anzahl an virtuellen Laufwerken können mehrere Server parallel mit hoher Schreibgeschwindigkeit ihre Daten sichern.

Um das Sicherungsvolumen von mittlerweile knapp 100 TB pro Woche zu stemmen, ist bei der Münchener Rück eine auf zwei Standorte verteilte Centricstor-Lösung mit einer Gesamtkapazität von derzeit 86 TB Cache-Speicher im Einsatz. Die fünf vorhandenen Bandarchive wurden durch zwei neue Bandsysteme vom Typ "Adic Scalar 10K" mit LTO-Ultrium-Bandlaufwerken ersetzt, die jeweils an beiden Standorten an die FSC-Appliance angeschlossen sind. Die im Platten-Cache gespeicherten Daten werden dabei im Dual-Save-Modus Server-unabhängig auf zwei redundante physikalische Bänder geschrieben.

Um einen schnellen Restore zu ermöglichen, bleiben die Daten auch nach dem Schreiben auf das Magnetband noch eine Zeit lang im Cache gespeichert. "Aufgrund des Dual Save von Centricstor entfällt nun das zeit- und ressourcenaufwändige Cloning der Sicherungsbänder", lobt Peter Schmidt, Manager des Service Backup/Restore und Projektleiter von Bares, die Lösung. Außerdem erzeugt die Virtual Tape Appliance eine zusätzliche dritte Kopie der physikalischen Bänder, die dem Bandarchiv entnommen und an einem externen Standort verwahrt wird.

Sparen bei der Hardware

Da der virtuelle Bandspeicher der eingesetzten Backup-Lösung "Networker" eine Vielzahl von schnellen virtuellen Bandlaufwerken präsentiert, konnte die Münchener Rück bei der Anschaffung der realen Magnetbandlaufwerke sparen. Zum einen sind viel weniger physische Laufwerke erforderlich, da sich der geforderte Datendurchsatz und die nötige Speicherkapazität durch die Virtualisierungsfähigkeit erreichen lassen. Zum andern mussten auch keine Highend-Bandlaufwerke angeschafft werden, da die Appliance mit einem kontinuierlichen Datenstrom vom Platten-Cache zu den physikalischen Laufwerken den fehleranfälligen Start-Stopp-Betrieb vermeidet. "Die Gesamtkosten für die von uns eingesetzten LTO-Laufwerke betragen nur zehn Prozent dessen, was wir hätten investieren müssen, um durch eine konventionelle Lösung mit zahlreichen Hochleistungslaufwerken vergleichbare Resultate zu erzielen", stellt Schmidt fest.

Im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse hat die Münchener Rück errechnet, dass für die Einführung der neuen Infrastruktur zwar kurzfristig höhere Investitionen erforderlich waren. Vergleicht man diese jedoch mit dem Kapitaleinsatz, der notwendig geworden wären, um die vorherige Infrastruktur skalierbar zu machen, so ergab sich für das Unternehmen ein Breakeven bereits nach nur 24 Monaten.

Der Rückversicherer schätzt auch die technischen Vorteile: Es ist nun möglich, die Bandarchive tagsüber zu warten und trotzdem Restore-Aufträge zu bedienen, da die aktuellen Daten immer noch im Platten-Cache der Appliance vorliegen. Centricstor kümmert sich zudem um die regelmäßige Überwachung der Medienqualität. Anwenderspezifisch erfolgt eine Überprüfung der Lesbarkeit und in größeren Zeitabständen auch ein automatisches Auffrischen der auf den Bändern gespeicherten Daten.

Deutliche Leistungssteigerung

Überzeugen konnte die Verantwortlichen auch der Performance-Gewinn. "Im Rahmen von Vergleichsmessungen zwischen alter und neuer Infrastruktur konnten wir signifikante Leistungsgewinne sowohl beim Backup als auch beim Restore erzielen", berichtet Projektleiter Schmidt. Der effektive Datendurchsatz am Frontend liegt bei 650 MB/s beziehungsweise 2,3 TB/h.

Wie in jedem großen Projekt hatten auch die Bares-Verantwortlichen mit diversen Herausforderungen zu kämpfen. Naturgemäß haben viele weitere IT-Dienste der Münchener Rück Berührungspunkte mit dem Backup. Nicht immer ließen sich die Probleme in den regelmäßigen Projekt-Meetings bereinigen. Manchmal wurden Lösungen während einer Kaffeepause oder bei einer Begegnung auf dem Flur gefunden. "Eine gute Stimmung während einer problematischen Projektphase aufrechtzuerhalten erwies sich als wichtiger Erfolgsfaktor", erinnert sich Schmidt.

Lösung in der Kaffeepause

Auch trat das eine oder andere technische Problem auf. So musste beispielsweise für die Anbindung der Backup-Software an die Centricstor-Appliance eine spezifische Firewall-Lösung gefunden werden, die nur mit Hilfe einer Anpassung des Herstellers erfolgen konnte. Durch zeitnahe und direkte Kommunikation mit der Entwicklungsabteilung des Herstellers ließen sich Informationsverluste vermeiden, die bei der Weitergabe über diverse Eskalationsstufen hinweg unweigerlich auftreten.

Doch insgesamt konnte die Münchener Rück mit dem Bares-Projekt ihre Ziele erreichen. Die einfachere und konsolidierte Administration führt zu beträchtlichen Einsparungen. Gleichzeitig wurden Servicequalität und Funktionsumfang deutlich gesteigert. (kk)