MSX-Propheten predigen in der Wüste

16.08.1985

Im Chaos der mangelnden Kompatibilität von Mikrocomputern suchten sich 1983 insgesamt 15 Computer- und Elektronikproduzenten eine eigene Antwort. Das Zauberkürzel hieß MSX. Hinter diesen, drei Buchstaben verbirgt sich ein Heimcomputer-Standard, der als Programmiersprache das Microsoft Extended Basic der amerikanischen Microsoft Corp. einsetzt. Im MSX-Standard finden sich rund 150 Befehle, einige davon kommen bisher in keinem Basic-Dialekt vor. Sie eignen sich besonders für Video-Spiele ("On Sprite Gosub"), zur Fehlersuche (mit "Tron" kann man den Ablauf seiner Programme Zeile für Zeile verfolgen) oder dienen einer verbesserten Druckroutine.

Für 1985 versprach sich die japanische Elektronikindustrie den Einsatz, allein auf der Insel, von mehr als 600 000 MSX-Einheiten. Über 20 Modelle sind auf dem Markt.

Anklang sollten die Rechner bei der technikbegeisterten Jugend vor allem für Computerspiele finden. Hier kommen auch die grafischen Möglichkeiten der MSX-Geräte zur Geltung. Das entscheidende Plus liegt jedoch in der Standardisierung. Niedrigere Entwicklungskosten sowie verstärkte Software-Herstellung waren nach japanischen Analysen die positiven Folgen. Auch soll, alle angebotene Peripherie von MSX-Computer gesteuert werden.

Allerdings überschätzten euphorische MSX-Apologeten die Wirkung auf den außerasiatischen Raum. Gerade in Europa stieß der fernöstliche Standard auf wenig Gegenliebe. Die kalte Schulter zeigten Großbritannien - dort hatten sich die Japaner einen Absatz von 10 000 Stück im ersten Monat dieses Jahres versprochen - sowie Deutschland. Hier rechnet der MSX-Newsletter vom April 1985 mit 100 000 installierten Geräten Ende des Jahres.

Marktkenner verkünden, dies sei mehr als optimistisch. Eine Stimme meinte sogar, die letzten drei Nullen könne man getrost streichen. Die vermuteten Chancen, auf dem Internationalen Markt scheinen sich zumindest für Europa also nicht zu bewahrheiten. (Siehe auch software markt Nr. 25, 7.12.1983; Nr. 3, 8.2.1984; Nr. 15/16, 8.8.1984)