Google-Tochter Motorola Mobility hat es in Deutschland nicht leicht. Wegen Patentstreitigkeiten mit Microsoft und Apple ist die Auswahl an Smartphones und Tablets der Google-Tochter ohnehin stark eingeschränkt, außerdem liegen die erfolgreichen Zeiten, als Motorola das Ur-Razr herausbrachte, etliche Jahre zurück. Mit dem Razr i (XT890) hat der US-Anbieter jetzt ein Android-Smartphone herausgebracht, mit dem er an frühere Erfolge anknüpfen könnte – wenn es im Markt nicht von Geräten geradezu wimmeln würde. Doch immer der Reihe nach.
Schickes Design
Aus rein optischen Gesichtspunkten ist das Razr i durchaus gelungen: Mit der Kombination aus dunklem Flugzeugaluminium und einer gummierten, kevlarunterstützten Rückseite hat das Gerät einen eigenen Stil und trägt mit 126 Gramm und 8,3 Millimeter Dicke auch nicht sonderlich schwer auf. Hervorzuheben ist außerdem der sehr dünne Rahmen (2 mm) um das 4,3-Zoll-Display und die glatte Vorderseite: Hier hat Motorola auf physische Tasten verzichtet, oben befindet sich eine kleine Fläche mit gefrästem Motorola-Schriftzug, links daneben eine LED, die in verschiedenen Farben über den Akkuzustand oder eingegangene Mails, SMS etc. informiert. Rechts an der Seite sitzen An/Aus-Schalter, Wippe für die Lautstärkeregelung und weiter unten eine separate Taste für die Kamera, die damit wirklich in Sekundenschnelle startet, ohne dass erst das Gerät entsperrt werden muss.
Links findet man entsprechend ein abgedecktes Fach für Micro-SD-Karte und Micro-SIM-Karte sowie den (offenen) Slot für den Micro-USB-Anschluss. Die Anbringung ist notwendig, weil sich der Rückdeckel nicht so ohne weiteres abnehmen lässt, vermutlich eine Folge des Spritzwasserschutzes. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass sich das Akku nicht wechseln lässt. Angesichts einer Kapazität von 2000 mAh und Standby-Zeiten von mehr als zwei Tagen im Testbetrieb besteht dazu aber auch keine große Notwendigkeit. Außerdem weisen die seitlich am Rahmen angebrachten Torx-Schrauben darauf hin, dass das Gerät im Schadensfall leicht geöffnet werden kann.
Flinker Prozessor
Glanzstück des Razr i ist sicher der Intel-Atom-Single-Core-Prozessor Z2460, der mit bis zu 2 Gigahertz taktet und von 1GB RAM sowie dem - unter anderem im Galaxy Nexus verbauten - Grafikchip PowerVR SGX540 unterstützt wird. Nutzer, die ihre Kaufentscheidung von den reinen Zahlenwerten auf dem Papier abhängig machen, werden dabei angesichts der zahlreichen Android-Smartphones mit Dual- oder Quad-Core-CPUs wohl kaum in Euphorie ausbrechen. In der Praxis gibt sich der Atom-Prozessor jedoch dank Hyperthreading aber wie eine Dual-Core-CPU. Die Leistung fühlt man bereits subjektiv beim Umgang mit dem Razr i, so öffnen sich etwa Anwendungen und Webseiten blitzschnell und ohne Wartezeit. Aber auch diverse Benchmarks beweisen, dass das Gerät im Vergleich zur Konkurrenz durchweg weit vorne mitspielt, bei Quadrant Standard platzierte sich das Testgerät etwa mit 4177 Punkten auf zweiter Stelle hinter dem HTC One X mit Quad-Core-CPU (Nvidia Tegra).
Beim Rest der Bauteile handelt es sich um gehobenen Standard: Der interne Speicher beträgt acht GB, von denen 4,9 GB frei verfügbar sind, weitere 32 GB können immerhin via MicroSD-Karte bereitgestellt werden. So liefert das Super AMOLED Advanced Display leuchtende, leicht unnatürlich wirkende Farben, mit 540 mal 940 Pixeln Auflösung hinkt das Razr i der Konkurrenz aber klar hinterher. Ebenfalls nur mittelprächtig ist die 8MP-Kamera auf der Rückseite. Zwar ist sie mit LED-Blitz ausgestattet, unterstützt vierfachen digitalen Zoom und nimmt Full-HD-Videos (1080p) auf, die Qualität der geschossenen Bilder ist wegen zu geringer Lichtempfindlichkeit aber weniger berauschend. Positiv zu erwähnen ist hier allerdings die Schnellstart-Taste, die Kamera ist in weniger als einer Sekunde aufnahmebereit und ermöglicht so wirkliche Schnappschüsse. Die Frontkamera wiederum taugt mit VGA-Auflösung (0,3 Megapixel) nur begrenzt für Bilder und Videos.
Ansonsten bietet das Razr i die üblichen Features: Das Gerät unterstützt HSPA, WLAN 802.11 a/b/g/n, GPS sowie NFC. Auf LTE-Unterstützung wurde indes ebenso verzichtet wie auf HDMI oder MHL, warum das veraltete Bluetooth 2.1 zum Einsatz kommt, ist ebenfalls unklar.
Android mit Aufsatz
Als Software ist auf dem Razr i Android 4.0.4 (Ice Cream Sandwich) installiert, ein Update auf die aktuelle Version Jelly Bean wurde angekündigt – allerdings ohne genauen Termin. Darüber befindet sich Motorolas hauseigene Oberfläche Motoblur, die nicht nur schön anzuschauen ist, sondern auch einige interessante Features bietet. Dazu zählt etwa, dass man trotz Lockscreen Zugriff auf die obere Statuszeile hat – etwa um Informationen über eingegangen Anrufe oder Mails einzusehen. Will der Nutzer die komplette Mail lesen, muss er das Gerät natürlich entsperren.
Insgesamt werden bis zu sieben Homescreens unterstützt. Im zentralen Fenster befindet sich dabei das schicke Circle-Widget, das Uhrzeit, Wetterinformationen und Akkuzustand anzeigt, wischt man nach rechts, kommt man auf eine Seite mit Schnelleinstellungen für WLAN, GPS, Flugmodus und ähnliches. Ansonsten hat Motorola das Android-Betriebssystem weitgehend unverändert gelassen, was auf schnellere Updates – bislang eine Schwachstelle von Motorola – hoffen lässt. Lediglich die Einstellungen wurden mit farbigen Icons aufgehübscht.
Das Razr i kommt außerdem mit einigen mehr oder weniger sinnvollen Zusatz-Apps. In letzte Kategorie fallen das nur geringfügig dimm-bare Tisch-Dock oder die mit der deutschen Aussprache klar überforderte App Sprachbefehle, während Anwendungen wie Guide Me (zur Einführung) oder Fahrzeugmodus durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Gut ist auch die App SmartAction, mit der Nutzer Regeln für Aktionen festlegen können, mit denen das Gerät auf bestimmte Auslöser reagiert. Motorola stellt dazu etliche vorkonfigurierte Beispiele bereit, es besteht aber auch die Möglichkeit, schnell und einfach eigene Regeln zu definieren. Außerdem sind eine einfache Videoschnitt-Anwendung sowie die Office-App Quickoffice in der Vollversion installiert. Diese erlaubt neben dem Einsehen und Bearbeiten auch das Anlegen neuer Dokumente. Was allgemein die Kompatibilität von Android-Apps mit dem Intel-Chipsatz betrifft, gab es nichts Negatives zu vermelden. Sämtliche als Stichprobe aus dem Play Store gewählten Anwendungen ließen sich problemlos installieren und verwenden.
Fazit: Guter Ansatz, aber...
Mit dem Razr i haben Motorola und Intel klar bewiesen, dass man im Smartphone-Markt noch immer neue Akzente setzen kann. So könnten Atom-Prozessoren den Platzhirsch ARM in nicht allzu ferner Zukunft ins Schwitzen bringen. Motorola wiederum demonstriert, dass sich nicht nur Apple mit Design und guter Verarbeitung auskennt. Nutzer, die auf solche Eigenschaften Wert legen und ihre Kaufentscheidung nicht nur die Anzahl der Pixel und Prozessorkerne abhängig machen, sind mit dem 400 Euro teuren Gerät – falls es ihnen tatsächlich auffällt - gut bedient.