Konjunkturprognose des BDI

Mittelstand: Insourcing löst Outsourcing ab

11.06.2008
Die Frühjahrsbefragung 2008 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zeichnet ein positives Bild der aktuellen Wirtschaftslage im Mittelstand. Allerdings gefährde, so der BDI, das politische Schneckentempo Wachstum und Arbeitsplätze. Zudem stellen die Experten eine zunehmend skeptische Haltung gegenüber dem Outsourcing fest. Immer mehr Unternehmen denken sogar darüber nach, ausgelagerte Aufgaben wieder selbst zu erledigen.
Kirchhoff: Die Bundesregierung muss mehr in die Infrastruktur investieren, Forschung und Entwicklung fördern, und die Lohnzusatzkosten reduzieren.
Foto: Arnd Kirchhoff

Dem Bericht zufolge bezeichneten mehr als die Hälfte (56,3 Prozent) der insgesamt rund 2.100 befragten Industrieunternehmen die eigene Wirtschaftslage als sehr gut oder gut. Knapp 28,3 Prozent der Firmen sehen ihre Situation immer noch als befriedigend und nur etwa 12,6 Prozent als schlecht. Gut 2,8 Prozent der interviewten Firmen bewerten ihre Lage als sehr schlecht. Der Vorsitzende des BDI-Mittelstandsausschusses Arnd Kirchhoff weist trotz der positiven Stimmung darauf hin, dass die Politik angesichts der bestehenden Konjunkturrisiken die Hände nicht in den Schoß legen dürfe. "Das politische Schneckentempo gefährdet Wachstum und Arbeitsplätze", warnt Kirchhoff. Der Mittelstand erwarte, dass die Bundesregierung sich auf die wirtschaftspolitischen Kernaufgaben konzentriert. Konkret fordert Kirchhoff von der Bundesregierung, mehr in die Infrastruktur zu investieren, Forschung und Entwicklung zu fördern sowie die Lohnzusatzkosten zu reduzieren.

Nach einer deutlichen Aufwärtsentwicklung seit Herbst 2006 mehren sich nun die Anzeichen dafür, dass auch bei den deutschen Industrieunternehmen der Zenit des Aufschwungs erreicht beziehungsweise überschritten ist. Von einem dramatischen Wendepunkt oder gar Einbruch in der Entwicklung könne laut BDI aber noch keine Rede sein. Für die zweite Jahreshälfte 2008 rechnen noch 50,7 Prozent der Unternehmen mit einer sehr guten bis guten Wirtschaftslage. Die Zahl der Firmen, die mit einer sehr schlechten bis schlechten Situation rechnen, geht jedoch im zweiten Halbjahr 2008 leicht von derzeit 15,4 Prozent auf 13,8 Prozent zurück.

Schwäche der Binnennachfrage dämpft Erwartungen

In den deutschen Unternehmen herrschen überwiegend positive Konjukturerwartungen für den Herbst 2008 vor.
Foto: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn

Mehr als ein Drittel (37,6 Prozent ) der Industrieunternehmen mit gedämpften Zukunftserwartungen begründet diese mit der Steigerung der Energie- und Rohstoffpreise. Etwa 33,1 Prozent der Firmen sehen derzeit in der Schwäche der Binnennachfrage immer noch den zentralen Grund für ihre eher verhaltene Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftslage. Knapp 10,5 Prozent der Betriebe machen dem Bericht zufolge eine zu hohe Steuerbelastung für ihre schlechteren wirtschaftlichen Perspektiven verantwortlich. Die zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Unternehmenssteuerreform wurde bereits in der Herbstbefragung des BDI-Mittelstandspanels von einem Fünftel der Industrieunternehmen als unzureichend charakterisiert.

Mittelstand kommt hohe Bedeutung zu

Berücksichtigt man die Unternehmensgröße bei Lage und Erwartungen, so zeigt sich, dass vor allem die größeren Unternehmen ihre Erwartungen für die Zukunft zurückschrauben. Eine mögliche Ursache kann der von Konjunkturexperten erwartete Rückgang im Exportwachstum sein. Da große Unternehmen zumeist eine höhere Exportquote aufweisen als kleine und mittlere Unternehmen, könnte die prognostizierte Entwicklung die Großen stärker treffen als die Kleinen. Den kleineren Industrieunternehmen kommt daher in nächster Zeit in besonderem Maße Bedeutung als Konjunkturstabilisator zu.

KMUs investieren mehr als geplant

Für den Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank, Kurt Demmer, bleibt die Investitionstätigkeit der deutschen Industrie auch in 2008 eine wesentliche Konjunkturstütze. "Ein Ende des Investitionszyklus ist derzeit nicht in Sicht", so der Experte. Dem Bericht zufolge haben die am BDI-Mittelstandspanel teilnehmenden Industrieunternehmen 2007 insgesamt etwas mehr investiert, als sie noch bei der Frühjahrsumfrage im Jahr 2007 planten. Das tatsächliche Investitionsvolumen 2007 übertraf die Planungen um rund ein Prozent. Kleine und mittlere Unternehmen überschritten ihre Planungen insgesamt mit einem Plus von 10,5 Prozent recht deutlich, während größere Industrieunternehmen in der Summe etwas weniger investierten als noch vor einem Jahr geplant. In der Gesamtbetrachtung hat fast ein Drittel der Industrieunternehmen 2007 eine höhere Summe ausgegeben als geplant. Im laufenden Jahr wird mehr als jedes fünfte Industrieunternehmen seine Investitionen im Vergleich zu 2007 erhöhen.

Der Trend zum Outsourcing verlangsamt sich

Nur ein Viertel der deutschen Unternehmen hat geplante Outsouring-Projekte auch realisiert.
Foto: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn

Im Rahmen des BDI-Mittelstandspanels wurde bereits im Frühjahr 2005 untersucht, ob die Industrie Outsourcing-Strategien verfolgt oder innerhalb der kommenden zwei Jahre plant. Damals hatte rund ein Viertel der deutschen Industrieunternehmen bereits Wertschöpfungsstufen ausgegliedert, weitere elf Prozent planten die Auslagerung an in- oder ausländische Zulieferer bis zum Jahr 2007. Die aktuelle Frühjahrsbefragung 2008 bestätigt diese Ergebnisse. Der Anteil an Firmen, die Prozesse aus dem eigenen Unternehmen ausgelagert haben, ist in den vergangenen zwei Jahren auf rund 28 Prozent gestiegen.

Allerdings hat nur rund ein Viertel der "Planer" aus dem Jahr 2005 sein Vorhaben in punkto Outsourcing zwei Jahre später auch tatsächlich umgesetzt. Nachdem 2005 gut jedes zehnte Unternehmen die Auslagerung von Wertschöpfungsstufen plante, geben heute nur noch drei Prozent der Unternehmen an, in den nächsten zwei Jahren Prozesse auslagern zu wollen. Eine deutliche Mehrheit von fast drei von vier Industrieunternehmen verfolgt heute keine Auslagerungsstrategie, und es bestehen auch keine diesbezüglichen Planungen. "Der Trend zum Outsourcing verlangsamt sich", stellt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young, fest.

Ausgelagerte Prozesse bleiben meist im Inland

Die von der Industrie am häufigsten gewählte Form des Outsourcing in den vergangenen zwei Jahren war die Auslagerung von Prozessen an Drittunternehmen im Inland (19 Prozent). Knapp fünf Prozent betrieben Outsourcing an Drittunternehmen im Ausland und 1,6 Prozent verlagerten Bestandteile ihrer Wertschöpfungskette an eigene Service-, Vertriebs- oder Produktionsstätten im Ausland. Outsourcing-Strategien betreiben dem Bericht nach signifikant häufiger größere, managementgeführte sowie auslandsaktive Unternehmen.

Jedes zehnte Unternehmen setzt auf Insourcing

Englisch zufolge denken immer mehr Unternehmen darüber nach, Aufgaben, die sie ausgelagert haben, wieder in eigener Regie zu erledigen. Laut BDI-Bericht verfolgten in den vergangenen zwei Jahren knapp zehn Prozent der deutschen Industrieunternehmen Strategien zur Integration von Unternehmensfunktionen und -prozessen. Häufigste Form war dabei die Übernahme von Funktionen und Prozessen von Drittunternehmen aus dem Inland, gefolgt von 1,5 Prozent der Unternehmen, die Teile ihrer Wertschöpfungskette von Drittunternehmen aus dem Ausland in das eigene Unternehmen aufnahmen. Knapp ein Prozent integrierte der Befragung zufolge eigene Service-, Vertriebs- oder Produktionsstätten aus dem Ausland. Betrachtet man dabei nur diejenigen Unternehmen, die laut Befragung 2005 bereits Auslagerungen vollzogen haben, ergibt sich unter ihnen eine Re-Integrationsquote von fast 20 Prozent. Sowohl größere als auch auslandsaktive Unternehmen sowie Erfolgsunternehmen betrieben in den vergangenen zwei Jahren signifikant häufiger Insourcing-Strategien als größere, nicht auslandsaktive oder weniger erfolgreiche Unternehmen.

Insourcing minimiert Qualitätsprobleme

Die aus Sicht der Industrie bedeutendste Ursache für die Re-Integration von Unternehmensfunktionen und -prozessen ist eine Erhöhung der eigenen Flexibilität. Für mehr als drei Viertel der betroffenen Industrieunternehmen hat sie eine sehr hohe oder hohe Bedeutung. Für gut 54 Prozent der Befragten Firmen sind Qualitätsprobleme für die Verfolgung von Insourcing-Strategien verantwortlich. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Unternehmen kam zu dem Schluss, dass die vormals eingekaufte Leistung eigentlich zu den eigenen Kernkompetenzen gehöre. Quantitativ ins Gewicht fallen auch die Sicherung inländischer Arbeitsplätze sowie die Höhe der Überwachungs- und Kontrollkosten als Re-Integrationsursachen. "Die Unternehmen erhöhen so ihre Flexibilität, minimieren Qualitätsprobleme und senken die Überwachungs- und Kontrollkosten", fasst Englisch die Gründe für die Re-Integration von Unternehmensfunktionen und -prozessen zusammen.