Ratgeber Outsourcing

Mittelständler lagern ungern aus

12.08.2009 von Michael Hermann
Mittelständische Betriebe zögern, ihre Software und Systeme einem Drittanbieter zu übergeben. Sie haben Sicherheitsbedenken und zweifeln am Nutzen.

Wie jede strategische Unternehmensentscheidung birgt auch das IT-Outsourcing neben den Chancen auch Risiken. Noch immer scheitern laut Untersuchungen von Marktforschern wie IDC 15 Prozent aller Auslagerungsprojekte. Immerhin rund ein Drittel der Vorhaben gehen verspätet in die Betriebsphase über. Obwohl Outsourcing eine bewährte Methode ist, die eigene Unternehmens-IT neu zu gestalten, kommt es nach wie vor zu Fehlschlägen. Häufig liegen die Ursachen dafür in mangelnder Akzeptanz durch die Mitarbeiter oder in überzogenen Vorstellungen über den zu erwartenden Nutzen.

Um solchen Fehlern vorzubeugen, empfehlen die Analysten von Experton Group, Outsourcing im Mittelstand zur Chefsache zu machen. Sie raten davon ab, das Thema nur unter finanziellen Aspekten zu betrachten, denn die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelständlers ist eng mit einem konsequenten Einsatz von IT verknüpft: "IT-Innovationen können Geschäftsprozesse verbessern, Durchlaufzeiten und Entwicklungszyklen verkürzen und Standards etablieren. Die interne IT kann diese Innovationen oft nicht umsetzen. Das Tagesgeschäft blockiert die notwendigen Zeitbudgets. Hier können externe Dienstleister helfen und den Innovationsprozess unterstützen", berichtet die Experton Group.

Das raten CIOs Outsourcing-Anwendern
Reinhard Eschbach, Thomas Cook: Transparenz ist das A und O
„Jeder Dienstleister ist nur so gut, wie ihn der Auftraggeber steuert. Outsourcing darf keine Black Box sein: Ich will verstehen, was der Provider macht, und kontrollieren, ob dies in Einklang mit meinen Zielen steht. Die Transparenz der Kosten – sowohl meiner eigenen als auch derjenigen des Providers – halte ich für wichtig. Eine Open- Book-Policy schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch effizienter, weil beide Seiten wissen, welche Hebel sie ansetzen können.“
Ralf Stalinski, Cognis: Akzeptanz beim User schaffen
„Wer auslagert, sollte im Vorfeld eine Art Inventur machen, um einen Überblick darüber zu haben, welche Services in den einzelnen Ländern erbracht werden. Erschwert wird Outsourcing vor allem durch die Kluft zwischen der User-Akzeptanz und der Erwartung des Managements. Es ist ja kein Geheimnis, dass Endanwender eine Standardisierung zunächst als Einschränkung empfinden. Hier ist die interne Kommunikation gefordert, die Belegschaft muss die Vorteile der Maßnahmen nachvollziehen können. “
Walter Friedl, Vistec: Know-how auf Augenhöhe
„Meine goldene Regel lautet: Auf Kundenseite muss es eine Instanz mit mindestens gleichem Know-how geben wie auf der Provider-Seite. Ich habe dafür einen IT-Service-Delivery-Manager für alle Infrastrukturthemen und eine SAP-Managerin für die Applikationen abgestellt. Beide sind dafür zuständig, dass der eingekaufte Service bei unseren Anwendern verlässlich und in guter Qualität ankommt.“
Dirk Ostermann, RAG: Prozesse zerschlagen
„Ganz wichtig: Sie müssen Prozesse zerschlagen. Sowohl im Eigenbetrieb als auch bei einer internen Auslagerung in eine Tochtergesellschaft schwingen sich Abläufe und Kommunikationswege zwischen Nutzer und IT ein, die nicht immer effizient sind. Die Lethargie und die Das-habenwir- schon-immer-so-gemacht-Einstellung müssen Sie durchbrechen. In dieser Phase ist Führung durch Kommunikation gefragt, denn für alle Betroffenen ändert sich viel.“
Carsten Stockmann, Mayflower: Beziehung weiterentwickeln
„Outsourcing ist ein Prozess, den man permanent weiterentwickeln sollte. Das Mühsame und Qualvolle besteht dann darin, die Beziehung so zu gestalten, dass sie auch tatsächlich Vorteile bringt. Das heißt, es geht nicht mehr um die Technik – die hat man ja ausgelagert –, sondern darum, Verbesserungen auf der Geschäftsprozess-Ebene zu erreichen.“
Udo Haarhaus, Dynamit Nobel: Ziele müssen klar sein
„Man muss sich als Auftraggeber über seine Outsourcing-Ziele im Klaren sein. Der Anbieter will das Projekt natürlich unbedingt an Land ziehen. Der Anwender will in der Regel seine Kosten senken. Da herrscht auf beiden Seiten eine gewisse Gier. Aber wenn der Auftraggeber nicht exakt hinterfragt, wie und wo sein Provider die Einsparungen erzielen will, gehen die Partner leicht von unterschiedlichen Annahmen aus.“
Martin Limpert, Preh GmbH: Hoheit über Prozesswissen sichern
„Die wichtigste Motivation für unsere Outsourcing- Aktivitäten war die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen. Hohe Anforderungen etwa an die 7x24- Stunden-Verfügbarkeit der SAP-Systeme können wir intern nicht gewährleisten. Damit wir den reibungslosen IT-Betrieb für unsere Fachabteilungen sicherstellen können, haben wir die Hoheit über das Prozesswissen und das SAP-Wissen im Hause behalten.“

Die Angst vor dem Datenverlust

Dennoch zögern mittelständische Anwenderunternehmen. Viele scheuen die Auslagerung, weil sie ihre Daten in den Händen Dritter nicht als sicher erachten. "Diese Bedenken sind nachvollziehbar, denn in fast jedem Unternehmen stellen die Daten heutzutage einen großen Teil des Geschäftskapitals dar", weiß Ingo Wessels, Experte für IT-Services bei T-Home. Umso mehr wundert ihn der täglich Umgang vieler Unternehmen mit den Daten. Dominik Runggaldier, Senior Consultant beim IT-Dienstleister Pironet NDH, pflichtet bei: "Wenn wir uns die Situation der mittelständischen Unternehmen ansehen, stellen wir in über 90 Prozent der Fälle fest, dass es um die Datensicherheit sehr schlecht bestellt ist. So werden zum Beispiel die Wiederherstellungsverfahren von gesicherten Daten selten praktisch getestet und selbst geschäftskritische Back-Up-Datenbestände fast nie an einen zweiten Standort ausgelagert."

Dagegen werben die Outsourcing-Dienstleister mit den Sicherheitsstandards ihrer Rechenzentren. Selbst die eigenen Mitarbeiter haben nur mit besonderer Berechtigung Zutritt. Zudem unterhalten die Betreiber eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) sowie Systeme, um die Daten innerhalb von wenigen Stunden wiederherzustellen. Der finanzielle Aufwand und das Know-how für eine solche Datensicherheit überfordern die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Kostenfrage nicht alles entscheidend

Heinz Schick, Experton Group: Nur die Deals, die auf Prozessverbesserungen ausgelegt sind, werden nachweisbaren Erfolg erzielen.

Wer sich für die Auslagerung seiner Systeme entscheidet, sollte seine Entscheidung nicht allein unter finanziellen Gesichtspunkten fällen. Die Analysten der Experton Group warnen ausdrücklich davor, die Auswahl eines Dienstleisters ausschließlich vom günstigsten Preis und den kurzfristig erreichbaren Kostensenkungen abhängig zu machen. Die Grundlage sollte vielmehr eine Kostenbetrachtung über die gesamte Vertragslaufzeit. Heinz Schick, Vice President Anwender-Consulting bei Experton Group, zieht aus seinen Beobachtungen vieler Outsourcing-Projekte folgendes Resümee: "Nur die Deals, die von vorneherein auf Prozessverbesserungen während der Vertragslaufzeit ausgelegt sind, werden am Ende nachweisbaren Erfolg erzielen". Die geplanten Einsparungen stellen sich sowohl durch die Einführung von Standards als auch durch Innovationen ein.

Standardisierung und Innovation

Eine Standardisierung von Software-Diensten samt Weiterentwicklung strebt beispielsweise der Windkraftanlagenbauer Nordex an. Das schnell wachsende Unternehmen baut seine zentrale SAP-Landschaft ständig aus und führt sie in alle Unternehmensbereiche ein. Das ursprüngliche Auslagerungskonzept stieß dabei an seine Grenzen. Der frühere Dienstleister war auf den Betrieb von Applikationen in einer standardisierten Umgebung eingestellt, nicht aber auf den Ausbau. Daher änderte Nordex die Outsourcing-Strategie und verteilte die Aufgabe auf zwei Anbieter. Mit dem Outsourcing beauftragte der Anlagenbauer Pironet NDH, als SAP-Beratung verpflichtete Nordex das Unternehmen Gambit Consulting. "Dadurch stellen wir einerseits den Applikations-Betrieb sicher und haben andererseits das nötige Know-how, um ausgelagerte ERP-Systeme spezifisch an unsere Anforderungen anzupassen", begründet Nordex-CIO Jasper Bhaumick die Wahl.

So galt es für das Outsourcing-Tandem beispielsweise, zusammen mit dem internen SAP-Team von Nordex die Buchungsbelege für das Geschäftsjahr 2008 im laufenden Betrieb zu migrieren. Grund war die konzernweite Umstellung der Hauptbuchhaltung auf IFRS und local GAAP. Bei diesem Projekt zeigten sich die Vorzüge von virtualisierten Servern. "Mit ihrer Hilfe lassen sich einfacher Klone eines Softwaresystems für aufwendigere Funktionstests erstellen um die Abnahme für den Produktivbetrieb durchzuführen", erläutert Nordex-CIO Bhaumick. Ein weiteres Projekt zielte auf die mobilen SAP-Anbindung der Feldtechniker des Windkraftanlagenbauers. Die Techniker können sich nun weltweit via Notebook in das zentrale Unternehmens-SAP einwählen und alle notwendigen Informationen für ihre Serviceaufträge abrufen.

Das Vertragsmodell ist wichtig

Für solche Eingriffe in ausgelagerten Softwarelandschaften sind entsprechende vertragliche Vereinbarungen erforderlich. Daher entwickelte Nordex mit Pironet NDH ein Vertragsmodell, das dem Unternehmen für das angepeilte Wachstum seiner IT Kalkulationssicherheit bietet, ihm aber gleichzeitig ermöglicht, seine Systeme mit der dynamischen Geschäftsentwicklung zu synchronisieren. Dadurch kann der Anlagenbauer seine Softwarelandschaft durch Outsourcing schrittweise zu einem hoch integrierten Gesamtsystem ausbauen. "Unter diesen Bedingungen hat sich bei Nordex das Application-Outsourcing sogar zum Garanten für das schnelle Wachstum und die ehrgeizige Fortentwicklung der IT entwickelt", resümiert Nordex-CIO Bhaumick.

Voraussetzung für ein Outsourcing-Projekt ist in jedem Fall, dass die Karten auf Anbieter- und Anwenderseite vor Beginn offen auf dem Tisch liegen. Um Erwartungen in realistische Bahnen zu lenken und Projekte vor Fehlschlägen zu bewahren, empfiehlt die Fachhochschule St.Gallen ein so genanntes Requirements Engineering, das die Erhebung, Dokumentation und Prüfung der Anforderungen an die IT-Lösung umfasst. Pironet-NDH-Consultant Runggaldier rät Unternehmen, außerdem realistische Ziele und Zeitpläne zu formulieren sowie Ausstiegsklauseln zu vereinbaren und auf Kostentransparenz zu achten.

Offenheit und Transparenz

Dementsprechend ist auch für die Anbieter Offenheit und Transparenz der Maßstab. Sie sollten mit klaren, nachvollziehbaren Leistungsbeschreibungen aufwarten. Doch "allzu oft hören wir von abstrusen Verträgen mit Anbietern, die sich beispielsweise das Zurückspielen der Daten mit horrenden Tagessätzen bezahlen lassen", nennt T-Home-Manager Wessels ein typisches Problem zwischen Outsourcing-Partnern. Um hier unangenehme Überraschungen zu vermeiden, empfehlen sich von vornherein festgelegte Pauschalsätze. Darüber hinaus sollten grundsätzlich zu Beginn eines Outsourcing-Projekts klare Vereinbarungen für den Fall definiert werden, dass ein Anwenderunternehmen seine IT wieder selbst betreiben oder einen Providerwechsel vornehmen möchte. Hierfür hat der Branchenverband Bitkom inzwischen auch ein Regelwerk formuliert.

Über die Vorteile des Outsourcings sind sich die Marktforscher wie Experton und Gartner einig. So könne beispielsweise das SaaS-Modell (Software as a Service) reduzieren, die IT modernisieren und sie gleichzeitig flexibel halten. Und wie das Beispiel Nordex zeigt, kann Outsourcing durchaus auch zu einem wachstumsfördernden Faktor für ein mittelständisches Unternehmen werden.

Worauf Mittelständler beim Outsourcing achten sollten

Dokumentation: Wichtig ist die umfassende Inventur sämtlicher vorhandenen IT-Strukturen. Es empfiehlt sich, dabei externe Experten einzubinden, damit keine IT-Module übersehen werden.

Zielvereinbarung: Alle Beteiligten - IT-Abteilung, Geschäftsführung und Outsourcing-Partner - formulieren gemeinsam die Ziele des Projekts.

Zeitplan: Die "Roadmap" enthält die wichtigsten Phasen und Meilensteinen der Migration. So ist etwa eine saubere Übertragung der IT eines mittelständischen Unternehmens mit 500 Mitarbeitern innerhalb von zwei Wochen unrealistisch.

Messdaten-Zusammenstellung: Sämtliche messbaren Faktoren wie Verfügbarkeit, Service Level Agreements, Bandbreiten oder Wiederherstellungszeiten sollten dokumentiert sein.

Kostentransparenz: Die Kosten für Standard-Szenarien, wie beispielsweise eine Wiederherstellung der gesamten Daten, sollten Bestandteil des Vertrages sein.

Investitionssicherheit: Anwender sollten sich die Kapitalstruktur des Outsourcing-Dienstleisters genau ansehen. Kein Unternehmen möchte seine Daten in die Hände eines Anbieters geben, dem möglicherweise die Zahlungsunfähigkeit droht.

Ausstiegsklausel: Das Anwenderunternehmen muss die Sicherheit haben, die IT-Migration rückgängig machen oder sich an einen anderen Anbieter wenden zu können, wenn es mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist.