Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Mitarbeiterin nicht befördert - Diskriminierung

09.02.2012 von Renate Oettinger
Warum einer schwangeren Arbeitnehmerin 17.000 Euro Entschädigung zustehen, erklärt Dr. Christian Salzbrunn.
Schwanger? Kein Grund, um bei einer Beförderung übergangen zu werden!
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Es war letztendlich nur ein kurzer und sehr unbedachter Satz vonseiten eines Vorgesetzten, der dem Unternehmen Sony eine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 17.000,- Euro und einen über fünf Jahre lang andauernden Rechtsstreit über sechs Instanzen einbrachte, und zwar wegen der Diskriminierung einer Mitarbeiterin aufgrund ihres Geschlechts.

Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.06.2006 müssen sich die Arbeitsgerichte immer wieder mit so genannten Antidiskriminierungsklagen beschäftigen. Das AGG bestimmt in § 1, dass Benachteiligungen von Mitarbeitern unter anderem aus Gründen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen sind. Dieser Grundsatz gilt im gesamten Arbeitsrecht und ist sowohl bei der Ausschreibung und der Einstellung von Mitarbeitern als auch beim beruflichen Aufstieg zu berücksichtigen, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG steht einem Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach § 1 AGG ein Entschädigungsanspruch zu. Im Rahmen dessen kommt es auch auf ein Verschulden des Arbeitgebers oder auf die Darlegung eines konkreten, bezifferbaren Schadens auf Seiten des Arbeitnehmers nicht an.

Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln müsste an sich der Arbeitnehmer alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also die verübte Diskriminierung, darlegen und beweisen. Da aber die Arbeitnehmer oftmals die echten Beweggründe von Personalentscheidungen nicht kennen und sich daher in einer Art "Beweisnot" befinden, sieht der § 22 AGG eine hiervon abweichende Regelungen vor. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitnehmer Tatsachen (Indizien) vor Gericht vortragen kann, die eine Benachteiligung bspw. wegen des Geschlechts vermuten lassen. Der Arbeitgeber muss dann wiederum in einem Prozess belegen, dass seine Entscheidung doch auf rein sachlichen Gründen beruhte.

Bislang war aber noch nicht hinreichend geklärt, welche Indizienlage ausreicht, um dem Arbeitnehmer diese Beweiserleichterung zu verschaffen. Unklar war vor allem, wie es zu bewerten ist, wenn die einzelnen Indizien jeweils für sich genommen keine Diskriminierung nahe legen, aber die Gesamtschau mit allen weiteren Umständen des zu beurteilenden Falls auf eine Diskriminierung schließen lässt.

Stelle des "Vicepresident" frei geworden

Insoweit hat der Fall einer Arbeitnehmerin des Musikkonzerns Sony eine weitere Klärung gebracht. Diese war dort seit April 2002 als einzige Abteilungsleiterin im Bereich "International Marketing" neben zwei weiteren männlichen Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle "Vicepresident" ihres direkten Vorgesetzten frei, weil dieser im Unternehmen in die nächste höhere Position zum "Senior Vice President" befördert wurde. Die Arbeitnehmerin sollte im Zuge dessen auf die Position "Vicepresident" nachrücken, ihre entsprechende Beförderung wurde zuvor ganz konkret von ihrem Vorgesetzten in Aussicht gestellt.

Allerdings wurde die Arbeitnehmerin dann schwanger und die Position des "Vicepresident" wurde entgegen der vorhergehenden Ankündigung mit einem ihrer männlichen Abteilungsleiterkollegen besetzt. Über diese anderweitige Besetzung der Stelle fand zu einem späteren Zeitpunkt zwischen der Arbeitnehmerin und ihrem ehemaligen Vorgesetzten ein Gespräch statt, in dem die Arbeitnehmerin um eine Erklärung bat, warum sie nicht befördert worden ist. In diesem Gespräch wurden der Arbeitnehmerin jedoch keine sachlichen Gründe für die anderweitige Entscheidung genannt. Stattdessen tätigte der "Senior Vice President" unverblümt die Aussage, "sie solle sich doch auf ihr Kind freuen". Die Arbeitnehmerin gab sich hiermit nicht zufrieden und erhob eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 17.000,- €.

Die Arbeitnehmerin erlebte dann eine fünfjährige Odyssee mehrfach durch die Instanzen. Nachdem das Landgericht Berlin-Brandenburg die Klage erstmals abwies, ging sie in die erste Revision vor dem BAG. Dort wurde das Urteil aufgehoben. In den Urteilsausführungen wiesen die Richter darauf hin, dass gerade in solchen Fallkonstellationen, in denen ein männlicher Bewerber einer schwangeren Bewerberin vorgezogen wird, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts durchaus in Betracht kommen kann. Die betroffene Mitarbeiterin müsse diese Benachteiligung nur glaubhaft machen, was schon dann erfolgt sei, wenn sie vor Gericht Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. Hieran seien aber keine strenge Anforderungen zu stellen (BAG, Urteil vom 24.04.2008, Az.: 8 AZR 257/07).

Das Urteil

Die BAG-Richter verwiesen die Angelegenheit zurück an das LAG Berlin-Brandenburg, und zwar zur erneuten Sachaufklärung. Das LAG wies die Klage der Frau jedoch erneut ab und die Arbeitnehmerin legte hiergegen eine zweite Revision vor dem BAG ein. In dem weiteren Revisionsverfahren wurden die Richter dann noch einen Schritt deutlicher und gaben konkret vor, dass die Arbeitsgerichte bei einer Diskriminierungsklage eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen hätten, ob die von dem Anspruchsteller vorgetragenen Hinweise in ihrem Gesamtzusammenhang geeignet sind, eine Diskriminierung zu begründen.

Nach Ansicht der Richter käme es nicht darauf an, dass die Hinweise, also die Indizien, für sich genommen noch nicht ausreichen würden. Es sei auch nicht von Bedeutung, aus welchen Bereichen diese Indizien stammten. Gerade für den vorliegenden Fall wiesen die Richter darauf hin, dass es nicht völlig unüblich sei, dass entsprechende Äußerungen von Vorgesetzten über eine benachteiligende Stellenbesetzung oftmals erst im Anschluss an die Neubesetzung fallen würden (BAG, Urteil vom 27.01.2011, Az.: 8 AZR 483/09).

Erneut mussten die BAG-Richter das vorinstanzliche Urteil des LAG Berlin-Brandenburg aufheben und verwiesen die Angelegenheit wieder zur weiteren Sachaufklärung zurück, diesmal aber an eine andere Kammer des LAG. Nun schloss sich das LAG Berlin-Brandenburg den deutlichen Worten der BAG-Richter an und gab der Klage der Mitarbeiterin schlussendlich statt.

"Freude auf das Kind" ist nicht geschlechtsneutral

In ihrer Begründung wiesen die LAG-Richter darauf hin, dass die Gesamtschau sämtlicher Indizien die Vermutung einer Diskriminierung der Mitarbeiterin wegen ihrer Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts ergäbe. Insoweit sei zum einen zu berücksichtigen, dass die zum Trost abgegebene Äußerung des Vorgesetzten, "sie solle sich auf ihr Kind freuen" nicht geschlechtsneutral betrachtet werden könnte. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiterin auf ihre konkrete Nachfrage keine sachlichen Gründe für ihre Nichtberücksichtigung geschildert werden konnten.

Außerdem sei relevant, dass der Mitarbeiterin (vor der Kenntnis der Schwangerschaft) die Beförderungsposition in Aussicht gestellt worden war. Nach Ansicht der Richter des LAG ergaben all diese Indizien zusammen die Vermutung einer Diskriminierung, welche von Seiten des Arbeitgebers nicht widerlegt werden konnte. Das Unternehmen Sony wurde schlussendlich zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 17.000 Euro verurteilt (LAG, Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2011, Az.: 3 Sa 917/11).

Für Arbeitgeber sind mit diesen Entscheidungen die Risiken, aufgrund einer Diskriminierungsklage hohe Entschädigungszahlungen an Mitarbeiter leisten zu müssen, erheblich gestiegen. Dies gilt gerade für den Bereich der Stellenbesetzung. Es ist anzuraten, hierbei künftig eine hohe Sorgfalt walten zu lassen. Zum einen ist es sinnvoll, den konkreten Auswahlvorgang umfassend zu dokumentieren, damit ein Arbeitgeber hinterher bei Gericht belegen kann, dass seine Auswahlentscheidung allein sachlich motiviert war.

Zum anderen sollten künftig auch mündliche Beförderungszusagen an Mitarbeiter unterbleiben, wenn die Entscheidung für den betreffenden Kandidaten nicht abschließend getroffen worden ist. Insbesondere sollten Arbeitgeber unbedachte Äußerungen im Zusammenhang mit einer Stellenbesetzung oder einer Beförderung, seien sie möglicherweise auch noch so gut gemeint, gegenüber einem Arbeitnehmer dringend zu vermeiden. (oe)

Kontakt und weitere Informationen:

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht sowie die Themen Insolvenz und Inkasso. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de