Mitarbeitergespräch: Bilanz ohne Bammel

04.12.2007 von Winfried Gertz
Rund um den Jahreswechsel ziehen Vorgesetzte und Mitarbeiter in Mitarbeiter- oder Jahresendgespräche gemeinsam Bilanz. Letztere sollten sich im besten Licht zeigen.

Wenn sich alles in Windeseile verändert, ist der Manager gefordert. Er soll den Laden zusammenhalten und seinen Mitarbeitern helfen, den Durchblick zu wahren. Die Frage ist nur - wie? "Wir vertrauen auf eine ausgeprägte Feedback-Kultur", sagt zum Beispiel Jan Koblischke, verantwortlich für Personalentwicklung beim mittelständischen IT-Dienstleister Bebit Informationstechnik GmbH in Mannheim. Noch deutlicher sagt Thomas Tesch, Personalleiter von Dell, wo es langgeht: "Der Mitarbeiter hat einen Anspruch zu erfahren, wo er in seiner Entwicklung steht. Sich mit dem Manager auszutauschen ist ein ununterbrochener Prozess."

Jan Koblischke, Bebit: Wir setzen auf eine starke Feedback-Kultur.
Foto: bebit

Dem dienen die Mitarbeitergespräche, die in vielen Unternehmen kurz vor dem Jahreswechsel eingesetzt werden. Wie ist es um meine Leistungen bestellt, mit welchen Maßnahmen kann ich mich gezielt weiterentwickeln und für höhere Aufgaben anbieten? Derlei Fragen sollte jeder Mitarbeiter stellen, und darauf muss auch jeder Vorgesetzte überzeugende Antworten parat haben. Das kann auch Kritik einschließen. Doch so wichtig Umsätze, Aufträge und Kundenbindung auch sind, zum Tag der Abrechnung sollte das Gespräch nicht werden.

Beim Mobilfunkanbieter Vodafone in Düsseldorf heißt das Mitarbeitergespräch "Performance-Dialog". Laut Personalreferentin Andrea Wrede sollte der Mitarbeiter sich stets im Klaren sein, "wie er gesehen wird und wo er mit seiner Leistung steht". Hat man die Leistung zunächst in der Rückschau diskutiert, werden danach die neuen Ziele festgelegt. Was muten wir dem Mitarbeiter auf der nächsten Etappe zu, welche Kompetenzen benötigt er dazu - dieser Ansatz zieht sich wie ein roter Faden durch die Gespräche des Performance-Dialogs.

Der eigene Anteil am Unternehmenserfolg

Bei Bebit treffen Führungskräfte und Mitarbeiter einmal im Jahr zu einem "Beurteilungs- und Zielgespräch" zusammen, und zwar kurz nach der Jahresauftaktveranstaltung Ende Januar, wenn die Belegschaft von der Chefetage über die Ergebnisse und die neuen Unternehmensziele unterrichtet worden ist. Ziel des Gesprächs ist Koblischke zufolge, die Perspektive der Firma auf die jeweiligen Teams und Mitarbeiter herunterzubrechen. "Der Einzelne soll verstehen: Wo sitze ich im Boot, was ist mein Anteil am Erfolg?"

Thomas Tesch, Dell: Der Mitarbeiter soll wissen, wo er steht.

Die harten Fakten lassen sich dabei nicht ausblenden. Daraus macht Thomas Veit keinen Hehl. "Jeder Mitarbeiter sieht, wie viel Umsatz er im Jahr erreicht", sagt der Chef des auf Business Intelligence spezialisierten Beratungshauses B-Imtec GmbH in Hüflingen. "Und das wollen die Mitarbeiter auch unbedingt wissen." Keine Frage – erfährt der Mitarbeiter, dass Kunden bereit sind, für seine Leistung beispielsweise 2000 Euro pro Tag zu zahlen, entwickelt er ein stattliches Selbstwertgefühl.

Tabuthema Gehalt

Die Diskussion, welchen Anteil monetäre Anreize auf die Motivation von Mitarbeitern haben, füllt zahllose Bücher und beherrscht natürlich auch das Tagesgeschäft von Führungskräften. Dazu zählt auch die Frage, wie und ob das Gehalt in den Jahresabschlussgesprächen überhaupt thematisiert werden sollte. Für Veit sind Entwicklungs- und Gehaltsgespräch "zwei unterschiedliche Paar Schuhe". Ähnlich denkt Elisabeth Heinemann, Informatikprofessorin an der Fachhochschule Worms: "Im Zielvereinbarungsgespräch hat das Gehalt nichts zu suchen." Der Grund: In diesem Punkt seien Mitarbeiter und Vorgesetzte "stets anderer Meinung". Die Wissenschaftlerin engagiert sich sehr stark, wenn es um die Ausbildung von Soft Skill geht.

Verständlich, kein Thema ist so emotional aufgeladen wie das Gehalt. Schnell könnte ein bis dato harmonisches Gespräch über den Weiterbildungsbedarf des Entwicklers kippen, wenn er sich unter Wert behandelt fühlt. Gerade karriereorientierte Mitarbeiter lassen sich kein X für ein U vormachen und erwarten ein transparentes Vergütungs- und Beurteilungssystem, das faire Beurteilungen ermöglicht und "Überraschungen vermeidet", wie Vodafone-Personalerin Wrede unterstreicht. Bei der Münchner Softlab GmbH sieht man es genauso. Damit es möglichst gerecht zugeht würden laut Personalleiter Uwe Kloos "auch Manager aus benachbarten Bereichen zu Rate gezogen".

Erst Ziele definieren, dann Leistung beurteilen

Nicht zuletzt deshalb legt Kloos großen Wert darauf, dass Zieldefinition und Leistungsbeurteilung nicht zusammenfallen. Dreht sich im Januar das Gespräch um die "Zielerreichung", treffen Vorgesetzte und Mitarbeiter im März erneut zusammen, um "Leistungen zu beurteilen und über die Gehaltsentwicklung zu sprechen". Vor allem in den Gesprächen zum Jahresauftakt, wenn sich alles um Ziele und Kompetenzen dreht, eröffnen sich Mitarbeitern Chancen, aus der Reserve zu kommen. Kloos empfiehlt deutlich herauszustellen, "wie man an seinen Kompetenzen gearbeitet hat und in welchen Situationen das eigene Können den Ausschlag gab".

Elisabeth Heinemann, FH Worms: Im Zielvereinbarungsgespräch hat das Gehalt nichts zu suchen.

Die Firmen erwarten engagierte, fordernde Mitarbeiter: "Zielvereinbarungen sind kein Zieldiktat", unterstreicht Klaus Dittrich, Geschäftsführer der Messe München GmbH. Mitarbeiter sollen selbstbewusst Position beziehen und "konstruktiv mit ihrem Vorgesetzten diskutieren, bevor Ziele definiert werden". Dass Mitarbeiter auf Augenhöhe mit ihren Chefs sprechen, wird auch bei der Netviewer AG in Karlsruhe gern gesehen. Bei der auf Internet-Tools spezialisierten Softwarefirma treffen Mitarbeiter und Vorgesetzte zu Halbjahresgesprächen zusammen. "Möchte sich jemand zum Beispiel privat weiterbilden", sagt Personalleiterin Susanne Jonas, "werden wir dies nach positiv ausgefallener Prüfung stets unterstützen."

Viele Firmen werben damit, dass sie sich Mühe um ihre Mitarbeiter geben und ihre Anregungen ernst nehmen. Damit dies kein Lippenbekenntnis bleibt, sollte die Bedeutung des Mitarbeiters für den Geschäftserfolg noch höher gewichtet werden, fordert Informatikprofessorin Heinemann. Kreativität entwickeln, Engagement entfalten und Verantwortung übernehmen – dass Mitarbeiter dies tun, sollte jedem Arbeitgeber am wichtigsten sein. "Deshalb müssen die Ziele auch klar die Handschrift des Mitarbeiters tragen", schreibt Heinemann Personalern und Führungskräften ins Stammbuch.

In Anlehnung an das im Projekt-Management vorherrschende Smart-Prinzip sind Ziele laut Heinemann messbar, realistisch und für beide Seiten akzeptabel zu formulieren. Im Mittelpunkt sollten qualitative Ziele stehen, denn Unternehmen müsse daran gelegen sein, "die Arbeitsqualität zu verbessern und nicht nur Ergebnisse nach oben zu drücken". Sind Kunden etwa mit dem Call Center nicht immer zufrieden, sind Mitarbeiter zu coachen mit dem Ziel, dass die Anrufer sagen: "Wir werden stets höflich und zuvorkommend behandelt."

Präzise Ziele sind wichtig

Diesen Kurs befolgt auch Peter Meussen, Personalleiter der DDS Dresdner Direktservice GmbH, einem internen Call-Center und Beratungsdienstleiter der Dresdner Bank in Duisburg. Ihm ist wichtig, die Ziele möglichst präzise festzuhalten, "damit selbst ein neuer Vorgesetzter problemlos die Zielerreichung feststellen könnte". Unbedingt müsse Klarheit bestehen, der Mitarbeiter solle die "Wichtigkeit seiner Aufgaben und die damit verbundenen Kompetenzen, Budgets, Termine und Ressourcen" verinnerlicht haben. Um sich abzusichern, legen Vorgesetzte und Mitarbeiter gemeinsam die Meilensteine fest. "Mindestens einmal pro Monat", so Tesch von Dell, sollten Ziele darauf abgeklopft werden, "ob sie nicht inzwischen hinfällig geworden oder zu korrigieren" sind.

Die Gespräche zum Jahreswechsel bieten gute Voraussetzungen für Mitarbeiter, um sich für neue Aufgaben zu empfehlen und den nächsten Karriereschritt taktisch klug einzufädeln. Hat der Berater zum Beispiel Projekterfolge auf internen Veranstaltungen präsentiert, wird er ebenso punkten wie mit dem konkreten Nachweis darüber, Kosten eingespart zu haben. Auch unspektakuläre Themen sind nicht zu unterschätzen. Während Kloos dazu rät, bestimmte Aktivitäten hervorzuheben, "die nicht unweigerlich in Erinnerung bleiben", aber von erheblicher Bedeutung seien, lenkt Heinemann den Blick aufs "Ausmisten". Vielleicht kann ja eine Aufgabe von einem jüngeren Kollegen übernommen werden. "So schafft der Mitarbeiter Raum für Neues."

Zusätzlich zur gut verkauften Bilanz ist aber auch Ideenreichtum gefragt, etwa in Form von Vorschlägen, die "den Arbeitgeber weiter nach vorn bringen", so Netviewer-Personal-Managerin Jonas. Eines jedoch sollte man unbedingt vermeiden: Sich negativ über Kollegen äußern. In den Jahresendgesprächen hat schmutzige Wäsche aber nichts verloren.