Mit WLAN wird VoIP mobil

22.09.2005 von Jürgen Hill
Kaum hat sich Voice over IP als Ersatz für die kabelgebundene Telefonie etabliert, breitet sich die Technik auch im Wireless LAN aus.

Hier lesen Sie ...

  • welches Marktpotenzial für VoIP im WLAN erwartet wird;

  • warum das Telefonieren im WLAN heute noch Probleme bereitet;

  • welche künftigen Standards für Abhilfe sorgen sollen;

  • mit welchen Features ein günstiges WLAN-Telefon aufwartet.

Das schnurlose Telefonieren per Voice over IP (VoIP) via Wireless LAN - auf Neudeutsch als VoWifi (Voice over Wifi) oder VoWLAN (Voice over WLAN) bezeichnet - ist das nächste große Hype-Thema. Diese These vertraten zumindest die Sprecher auf der US-amerikanischen Wifi/VoWifi-Planet Conference and Expo. So rechnen Investoren wie die US-amerikanische Benchmark Capital spätestens in zwei Jahren mit einem Boom in Sachen Voice over WLAN. Ein interessantes Potenzial sehen die Investoren dabei in Geräten, die klassische Mobilfunktechnik mit VoIP kombinieren, sowie in WLAN-Funkinseln, die etwa in größeren Städten ein günstiges mobiles Telefonieren per VoIP via WLAN erlauben.

Ein günstiges VoIP-Telefon für WLANs hat Sipgate mit dem F1000 im Programm.

Vom Hype zum praktischen Einsatz im Unternehmensalltag dürfte es trotz dieser optimistischen Einschätzungen jedoch noch einige Zeit dauern, denn die Industrie hat beim Zusammenspiel von VoIP und WLAN noch einige technische Feinheiten zu lösen. Ein Punkt, über den auch die ersten am Markt erhältlichen VoIP-WLAN-Telefone wie etwa von Zyxel oder das jüngste Modell von Sipgate (siehe Kasten "Günstiges WLAN-Telefon") nicht hinwegtäuschen können. Dementsprechend dürften die rund 500000 Voice over Wireless LAN Telefone, die nach Einschätzung von Analysten im nächsten Jahr verkauft werden, wohl in der Regel nur von den bekannten Frühanwendern genutzt werden. Im professionellen Umfeld verwenden dagegen, wie Dave Danielson, Vice President beim WLAN-Switching-Anbieter Bluesocket, beobachtet hat, nur sehr wenige Unternehmen bereits WLAN-Telefone - und das auch nur im experimentellen Umfeld.

Fehlende Qualitätsgarantie

Für eine Zurückhaltung im professionellen Bereich gibt es mehrere Gründe. So sind entsprechende Quality-of-Service-Verfahren für WLANs, die bei Voice- und Multimedia-Anwendungen eine garantierte Übertragungsrate gewährleisten sollen, noch nicht standardisiert. Bis Ende 2005 will eine IEEE-Arbeitsgruppe mit der Spezifikation 802.11e eine entsprechende Lösung verabschieden, die für die zukünftige Anwendung von Voice-over-WLAN wichtig ist. Die bisherigen Lösungen funktionieren nämlich meist nur in der Theorie perfekt, denn sobald mehrere Benutzer auf ein WLAN zugreifen, gibt es Aussetzer und Verbindungsabbrüche beim Telefonieren. Ein mögliches Gegenmittel ist die Einrichtung von Virtual LANs (VLANs) für das Telefonieren per VoIP im WLAN. Hierbei wird für das Telefonieren ein logisches Subnetz im Funknetz definiert. Für dieses wird dann eine garantierte Bandbreite gegenüber anderen Anwendungen reserviert.

Ein weiterer Knackpunkt ist das Roaming zwischen unterschiedlichen Access Points. Um beim Wechsel von einer WLAN-Funkzelle in die nächste ohne Unterbrechungen per VoIP weitertelefonieren zu können, darf die Anmeldung des WLAN-Telefons am nächsten Access Point nur wenige Millisekunden dauern. In der Theorie definiert zwar der IEEE-Standard 802.11f das Roaming zwischen den verschiedenen Funkknoten, in der Praxis funktioniert dies verzögerungsfrei meist nur in WLAN-Switching-Umgebungen.

Günstiges WLAN-Telefon

Wer bislang erste Erfahrungen mit VoIP im WLAN sammeln wollte, musste in der Regel deutlich über 200 Euro für ein entsprechendes WLAN-Telefon investieren. Der VoIP-Anbieter Sipgate unterschreitet nun mit dem WLAN-VoIP-Handy "F1000" des asiatischen Herstellers Utstarcom diese magische Preisgrenze.
Für 169 Euro preist Sipgate das Handy als Alternative zur Kombination von klassischem Telefon und VoiP-Adapter an. Das 110 Gramm schwere Gerät funkt im 2,4-Gigahertz-Bereich gemäß IEEE-Standard 802.11b. Zum Schutz vor unerwünschten Lauschern unterstützt das Telefon im WLAN lediglich WEP und nicht das sicherere WPA. Ansonsten beherrscht das Gerät auf der IP-Seite die gängigen Funktionen wie DHCP, PPPoE, SIP und RTP. Zudem unterstützt es die bei VoIP üblichen Sprachcodecs G.711 und G.729a/b.
Ein störungsfreies Telefonieren im WLAN sollen Mechanismen wie Comfort Noise Generation (CNG), Voice Activity Detection sowie Echounterdrückung gewährleisten. Laut Hersteller erreicht das F1000 mit einer Stand-by-Zeit von bis zu 80 Stunden und einer Sprechzeit von vier Stunden für ein WLAN-Telefon Betriebszeiten, die auf Dect- beziehungsweise Handy-Niveau liegen. In der Vergangenheit war oft der Stromverbrauch des WLAN-Funks bei akkubetriebenen Geräten ein Problem.

Störende Nachbarn

Erschwerend kommt hinzu, dass die heute erhältlichen WLAN-Telefone meist die IEEE-Standards 802.11 b/g unterstützen, also im 2,4-Gigahertz-Band funken. In diesem Frequenzbereich agieren auch andere Funkprodukte, die teilweise die Übertragung beinträchtigen können. Zudem entwickelt sich der Siegeszug der WLANs selbst zu einem Problem: Die Funknetze stören sich häufig gegenseitig, da bei insgesamt elf beziehungsweise 13 verfügbaren Kanälen kaum mehr der empfohlene Sicherheitsabstand von drei Kanälen zum nächsten Funknetz eingehalten werden kann.

Zieht man all diese Unwägbarkeiten beziehungsweise offenen Fragen ins Kalkül, so lässt sich der Wunsch des schnurlosen VoIP-Telefonierens im Unternehmensumfeld heute wohl nur auf einem Umweg praktikabel lösen: Die klassischen Dect-Telefone werden per Analog Telephony Adapter (ATA) an die VoIP-Infrastruktur angekoppelt.