Web 2.0 Expo

Mit Web 2.0 gegen die Kreditkrise

29.04.2008 von Dieter Rappold
San Francisco war einmal mehr der Nabel der Internet Welt - die Web 2.0 Expo mit über 1.500 Teilnehmern drehte sich um die neuesten Online-Trends.

Im Rahmen einer Keynote sprach der Verleger Tim O?Reilly, der den Begriff Web 2.0 geprägt hat, mit Jonathan Schwartz, CEO von Sun Microsystems. Erwartungsgemäß wiederholte der Sun-Manager einmal mehr sein Mantra " The Network is the Computer". Allerdings wurde es in diesem Jahr um die Einsicht ergänzt, dass Daten die neue Online-Währung seien ("Data is the new Currency"). Diese Erkenntnis zog sich wie ein grüner Faden durch alle Präsentationen und Diskussionen - es gehe immer mehr um Daten und deren intelligente Analyse.

Jonathan Schwartz sprach auch über seine Erfahrungen als einer der profiliertesten Corporate Blogger und erzählte von den hektischen Anrufen seiner Anwälte, wenn er zu sehr aus dem Nähkästchen plaudert. Schwartz hat sich trotzdem nie beirren lassen und forderte seine Organisation auf, mit der neuen Publikationsform umzugehen zu lernen. Er erläuterte, dass Kommunikation die zentrale Aufgabe eines CEO und ein Weblog dafür ein hervorragend geeignetes Instrument sei.

Verleger Tim O'Reilly im Gespräch mit dem CEO von Sun Microsystems, Jonathan Schwartz. (Quelle: James Duncan Davidson)
Foto: Web 2.0 Expo

Als ein Beleg dafür, dass Suns Slogan die Realität des heutogen Web beschreibt, gilt das Quake Catcher Network. Viele Laptops haben Bewegungssensoren. Schließt man diese zu einem verteilten Messgerät zusammen, können sie in Zukunft drohende Erdbeben möglicherweise besser erkennen als vorhandene Instrumentarien.

Web 2.0 erschließt neue Bereiche

Der Einsatz von Web 2.0 im Finanzsektor war ein neues großes Thema. Wesabe ist eine Website, wo Menschen Ihre Ausgaben detailliert festhalten können. Diese Daten kombiniert mit dem kollektiven Wissen der Benutzer und maschinellen Analysen sollen Aufschluss über das individuelle Konsumverhalten geben. Die daraus resultierenden besseren Kaufentscheidungen sollen die Macht vernetzter Konsumenten steigern.

Ein anderer Vertreter für innovative Ansätze im Finanzbereich ist Prosper.com. Das junge Startup macht Schlagzeilen angesichts der Kreditkrise in den USA. Es vermittelt Kredite zwischen normalen Bürgern, die Zinsen werden mittels Auktion festgelegt. Das Unternehmen erhielt 40 Millionen Dollar Venture-Kapital hat bisher ein Kreditvolumen von 135 Millionen Dollar vermittelt. Die Community von Prosper.com umfasst bereits 670 000 Mitglieder.

Forrester Research untersuchte die Ursachen für das scheinbar grenzenlose Wachstum von Plattformen wie YouTube, MySpace und Facebook. Identifiziert wurde ein Trend, demzufolge sich Konsumenten mithilfe moderner Technologie lieber gegenseitig selbst helfen, anstatt sich an traditionelle Institutionen wie Unternehmen und Marken zu wenden. Die Meinung von Freunden zählt der Untersuchung zufolge vielen US-Konsumenten mehr als das Urteil eines ausgewiesenen Experten.

Web 2.0 im Unternehmen

Ein großes, noch kaum erfasstes Feld ist Enterprise 2.0 - der Begriff umschreibt die Überführung von Paradigmen des Web 2.0 in ein Unternehmensumfeld. Firmen und ihre Kunden können sich mit solchen Tools wesentlich besser vernetzen als bisher. So hilft die Community "I love my dog" Del Monte Foods mehr über die Bedürfnisse seiner Kunden zu erfahren.

Procter & Gamble versucht mit "Being Girl" heranwachsende Mädchen als Kunden zu gewinnen. Die Ergebnisse des Projekts wurden mit klassischen Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen verglichen. Vom Erfolg in den USA begeistert überträgt man das Projekt nunmehr auf 22 weitere Ländern.

Neben kommerziellen Beispielen gab es aber auch solche, die zeigen, wie das Web 2.0 von einer aktiven Zivilgesellschaft genutzt werden kann. So verortet ein Universitätsprofessor in Brasilien gemeinsam mit den Besuchern der Site Verbrechen auf einer Google Map. Dies hilft Bürgern gefährliche Orte in Ihrem Umfeld zu meiden.

Die beste Unterhaltung der Veranstaltung lieferte Dan Lyons, jener Mann der als Imitation von Steve Jobs unter http://fakesteve.blogspot.com sein Unwesen treibt und über 90.000 regelmäßige Leser hat. Im Stile eines Stand-Up Comedians zog er die egozentrierte Web 2.0 Community durch den Kakao

In Europa und vor allem in Deutschland hinken wir dieser Entwicklung hinterher. Speziell Unternehmen haben die Möglichkeiten zur Nutzung von Web 2.0 noch nicht erkannt. Dan Lyons meint dazu "wir haben soviel Angst davor, was alles kaputt gehen könnte, dass wir aus den Augen verlieren, was alles entstehen kann."