Die Daten-Autobahnen werden immer breiter

Mit Lichtwellen in der Glasfaser Über die 4-Gigabit-Hürde

16.06.1989

Herkömmliche Modems kommunizieren mit 2400, 4800 oder auch 9600 Baud beziehungsweise Bit pro Sekunde, und im neuen ISDN-Netz wird pro Anschluß sogar mit rund 144 000 Bit pro Sekunde kommuniziert. Doch was ist dies alles schon gegen neue Pläne der Post, auf hochbelasteten Strecken eines Tages Systeme mit nicht weniger als 4 500 000 000 Bit pro Sekunde einzusetzen - Und zwar innerhalb von Netzen, die In dieser Form dann nur noch auf Glasfaser-Basis denkbar sind?

Die Fernmeldetechniker der Post verlegen bekanntlich seit rund zwei Jahren nur noch Glasfaser-Strecken, erinnerte auf einem Kongreß der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE unlängst Gerhard Hanke vom Darmstädter Forschungsinstitut des Gelben Riesen. Dabei werden zur Zeit noch Systeme für Übertragungsraten von 139 sowie 565 Megabit pro Sekunde eingerichtet denen schon bald die ersten Weiterentwicklungen für den Bereich bis zu 2,4 Gigabit Pro Sekunde folgen sollen. Doch in den Darmstädter Labors werkeln Hanke - und seine Kollegen schon längst an noch schnelleren oder besser: breiteren Daten-Autobahnen; denn sie entwickeln zur Zeit gerade die Technik superschneller 4,5-Gigabit-Daten-Highways.

Diese neuen Breitband-Übertragungssysteme sollen mit exakt 4,52 Gigabit pro Sekunde arbeiten, was 32 synchron zusammengefaßten Eingangs-Signalen von je rund 141,2 Megabit pro Sekunde entspricht. Und damit es beim Übergang auf derart hohe Frequenz keine technischen Probleme gibt, haben die Postler sich von Wissenschaftlern der Uni Bochum sowie ferner von zwei einschlägig bekannten Industriefirmen neuartige, "monolithisch integrierte Silizium-Schaltungen" fertigen lassen, die zusätzlich zu den üblichen, bereits käuflich erwerbbaren und gleichfalls monolithisch integrierte Galliumarsenid-Schaltungen der 2,4 Gigabit-pro-Sekunde-Technik eingesetzt werden. Denn erst mit den neuen Schaltungen können, so war auf der ITG-Tagung in Berlin zu erfahren, dank "sorgfältiger Optimierung aller Komponenten" Taktfrequenzen bis zu 7 Gigabit pro Sekunde erreicht werden.

Blickt man den Post-Glaskabel-Forschern bei ihren Experimenten in Gedanken über die Schulter, so sieht man zunächst eine Sende-Einheit aufgebaut, die einen Datenstrom von 4,52 Gigabit pro Sekunde auf den optischen Teil des Systems ausgibt. Diese 4,52 Gigabit entstehen, mit Hilfe von Multiplexern, durch die Zusammenfassung von vier Kanälen zu je 1, 13 Gigabit, von denen einer wiederum aus acht synchronen Signalen von je rund 141 Megabit pro Sekunde besteht. Und nur am Rande sei hier kurz angedeutet, daß die anderen 1,13-Gigabit-Datenströme, die für den beschriebenen Versuch übrigens teilweise auch zur Messung der Fehlerraten dienen, einfach mit Hilfe eines Zufallsgenerators sowie weiterer Tricks erzeugt werden; denn dies ist für den eigentlichen Kern der Experimente nicht weiter von Belang.

Die 4,52 Gigabit des Senders gehen an einen Laser, der kohärentes Licht von 1550 Nanometern Wellenlänge erzeugt und in eine sogenannte Ein-moden-Glasfaser einspeist. Am anderen Ende dieser Faser harrt eine Indiumphosphid-Photodiode der ankommenden Lichtwellen, setzt sie wieder in elektrische Impulse um und reicht die 4,52 Gigabit pro Sekunde nach entsprechender elektrischer Verstärkung an einen Empfänger weiter. Jener wiederum erzeugt in einem ersten Demultiplexer zunächst zwei Ströme zu je 2,26 Gigabit, die von einem weiteren in vier 1, 13-Gigabit-Signale auf gespalten werden. Und ein dritter Demultiplexer schließlich erzeugt aus so einem 1, 13-Gigabit-Datenstrom wieder die eingangs vorhandenen acht Kanäle zu je rund 14 120 Megabit.

Bei derart stolzen Bitraten deutlich oberhalb von 420 Milliarden Impulsen pro Sekunde bewegen die Techniker sich in Gefilden, wo man nur noch mit äußerster Präzision und Sorgfalt zum Ziele gelangt; und natürlich auch nur, wenn man einen gewissen, die Grenze des Machbaren streifenden Aufwand nicht scheut. Dies wird besonders deutlich, läßt man sich von Hanke tiefer in die technischen Feinheiten des Experimental-Systems einfuhren.

So müssen etwa im Bereich oberhalb 1 Gigabit pro Sekunde "alle Bauelemente und Zwischenverbindungen mikrowellentüchtig aufgebaut" werden - doch hier leider noch unter verschärften Bedingungen. Denn während herkömmliche Mikrowellen-Systeme "normalerweise eher schmalbandig sind', wie Hanke weiß, benötigen die neuen Schaltungen der Postler "den ganzen Frequenzbereich von null Hertz bis zur oberen Frequenz-Grenze".

Was diese Forderung für die Praxis bedeutet, wird klar, betrachtet man nur einmal die Frage "Wie erzeugt man eigentlich ein auch bloß einigermaßen ,rechteckförmiges' und mithin sicher erkenn- und wiedergewinnbares - Signal?" Denn hierzu ist es im Bereich von 4,5 Gigabit pro Sekunde ja nötig, erinnert Hanke, "mindestens die dreifache Taktfrequenz zu übertragen", also Schaltungen aufzubauen, die auch mit 15 Milliarden Hertz noch ordentlich zu rechtkommen.

Die hohen Frequenzen, die zwischen den einzelnen Bauteilen innovativer Nachrichtensysteme auftreten, veranlaßten die Forscher der Post, signalführende Leitungen selbst über kurze Strecken "grundsätzlich nur als Koaxial-Leitungen" oder aber als sogenannte Mikrostreifenleitungen auszufahren; dabei müssen die einzelnen Leitungen dann aus elektrischen Gründen mit exakt bemessenen Abschlußwiderständen versehen werden. Doch diese Abschlußwiderstände erschweren wiederum den konkreten Aufbau der einzelnen Schaltungen, denn sie alle sollen ja so dicht wie möglich an den einzelnen Chips der jeweiligen Baugruppe sitzen; und dafür mangelt es nicht zuletzt auch deshalb an Platz, weil für die Widerstände außerdem noch Kontakte vorgesehen werden müssen, die den elektrischen Anschluß an Masse- oder Strom-Leitungen auf der Rückseite der jeweiligen "Platine" sicherstellen.

Wirklich optimal wären daher, meint Hanke mit hoffnungsvollem Blick auf die weitere Entwicklung, neuartige Hochfrequenz-Chips mit integrierten, direkt auf dem Chip untergebrachten Abschlußwiderständen. Wobei man dann außerdem noch die Möglichkeit haben sollte, diese Widerstände entsprechend den Anforderungen des konkreten Einsatzes individuell abzugleichen; sie also von Fall zu Fall exakt maßgenau . einzustellen. Für die nächste Zukunft wollen die Darmstädter Postler ihr Versuchs-System so umbauen, daß fortan 16 Eingangs-Kanäle von je 141 Megabit pro Sekunde aufgeschaltet werden können. Diese 16 Signalströme werden anschließend in vier Kanäle von je 564 Megabit umgesetzt, aus denen in einer weiteren Verarbeitungs-Stufe dann zwei Signale zu je 1,13 Gigabit erzeugt werden. Hingegen wollen sie die beiden übrigen 1,13-Gigabit-Eingänge weiterhin wie bisher ansteuern; also mit schnellen Quasi-Zufallsfolgen einzelner Bits.

Noch weiter reichende Perspektiven kündigen sich an, klopft man die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der einschlägigen Industrie auf aktuelle Innovationen passender Zielsetzung ab. Denn da erfährt man beispielsweise von neuartigen, sogenannten bipolaren" Transistor-Strukturen, die statt bisher mit 7 oder, maximal, auch 13 GHz Grenz-Frequenz nunmehr mit - in der Spitze - 22 GHz arbeiten sollen. Und von denen man wohl interessante neue Baugruppen für die Breitband-Nachrichtentechnik von morgen und übermorgen wird erwarten können.

Schließlich: Eine einzige 4,5-Giga-bit-Glasfaser-Leitung bietet rein rechnerisch Platz genug, um über sie fast 120 Millionen Datenströme zu je 4.800 Baud zu schicken. Und diese 4.800 Baud sind doch eigentlich auch heute noch ein durchaus flottes Angebot; jedenfalls bei vielen der gängigen Anwendungen.