Auf dem Prüfstand: Softmatic AG

Mit eigenem ASP-Angebot der Marktkonsolidierung begegnen

17.03.2000
MÜNCHEN - An Wachstumsplänen mangelt es bei der Softmatic AG nicht. Derzeit hat der in Norderstedt bei Hamburg ansässige Anbieter von ERP-Lösungen für die mittelständische Prozessindustrie die europäische Expansion im Visier, danach soll mit Hilfe eines Partners und einer ausgefeilten ASP-Strategie auch das Abenteuer USA angegangen werden. Damit möchten die Norddeutschen der zu erwartenden Konsolidierung unter den deutschen Softwarehäusern entgehen.Von Beate Kneuse*

Mit 24,5 Millionen Mark Umsatz im Geschäftsjahr 1998 und für 1999 geplanten Einnahmen von 40 Millionen Mark zählt Softmatic zweifelsohne noch zu den Leichtgewichten in der hiesigen ERP-Szene. Doch mit der vor 18 Monaten getroffenen Entscheidung, sich mit eigenen Niederlassungen im europäischen Ausland zu etablieren und sich das dafür nötige Kapital an der Börse zu holen, haben die Norddeutschen - wie viele andere deutsche Softwarehäuser vergleichbarer Größenordnung - im vergangenen Jahr mobil gemacht. In rascher Folge wurden Dependancen in Österreich, Holland, England, Spanien und Frankreich gegründet. Von der derzeit 300-köpfigen Softmatic-Belegschaft verdienen bereits 50 Mitarbeiter ihr Geld im Ausland. Bis Mitte dieses Jahres sollen alle europäischen Landesgesellschaften in der Lage sein, sich selbst zu tragen, skizziert Gerhard Brunnbauer, im Softmatic-Vorstand für Marketing und Vertrieb zuständig, die hochgesteckten Ziele.

Geld für die Internationalisierung ist ausreichend vorhanden. 90 Millionen Mark brachte der Emissionserlös in die Kasse, als Softmatic am 1. Juni 1999 das Going Public am Neuen Markt wagte. Laut Brunnbauer war diese Summe mehr, als man erwartet hatte - dennoch wäre der Geldsegen ein paar Monate früher noch höher ausgefallen. Doch Mitte 1999 hatte sich das Klima an dem Frankfurter Wachstumssegment deutlich abgekühlt.

Doch das ist Schnee von gestern - auch wenn die Softmatic-Aktie in der Folge noch lange Zeit keine üppigen Kurssprünge verzeichnen konnte. Erst in den letzten Wochen schoss das Papier zeitweise auf deutlich über 30 Euro hoch, um sich zuletzt bei etwa 26 Euro einzupendeln. Daraus lassen sich zweierlei Schlussfolgerungen ziehen: Das Erreichen der Planzahlen - was Softmatic im Gegensatz zu einigen anderen börsen-notierten deutschen Softwarehäusern und Dienstleistern im ERP-Segment zuletzt gelang - und selbst Akquisitionen, wie jüngst die Mehrheitsübernahme von Semmerling & Armbrecht, scheinen den Anlegern keine Anreize zu liefern, in das Papier zu investieren. Im Gegenteil: Die Ende Januar erfolgte Ankündigung, den Bielefelder Finanzsoftware-Spezialisten mit derzeit rund 41 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von knapp 13 Millionen Mark an Bord zu holen, nahm dem Kurs kurzfristig sogar weiteren Wind aus den Segeln. Möglicher Grund: Softmatic will den 74,8-prozentigen Mehrheitserwerb nicht nur aus einem Teil des Emissionserlöses, sondern auch über eine Kapitalerhöhung finanzieren. Eine solche Maßnahme trifft bei Anlegern nicht immer auf Gegenliebe.

Irritieren lassen sich die Softmatic-Lenker dadurch nicht. Für sie ist die Übernahme von Semmerling & Armbrecht ein wichtiger Schachzug, wenn sie im Ausland erfolgreich sein wollen. Gerade dort gilt es, eine einheitliche Softwarestrategie zu fahren. Softmatic selbst hat von jeher seinen Fokus auf Materialwirtschaft und Produktion für die mittelständische Prozessindustrie sowie den angeschlossenen Großhandel - und dies soll sich auch in Zukunft nicht ändern. Derzeit vertrauen rund 800 Kunden mit etwa 10000 Anwendern aus den Branchen Pharmazie, Kosmetik, Farben, Lacke, Klebstoff, Beschichtungsmittel, Chemie, Grundstoff- und Bauchemie, Nahrungs- und Genußmittel, Mineralölhandel und Abfüller auf die Standardlösung "SQL Blending" der norddeutschen Softwareschmiede. Um auch die restlichen Features einer kompletten betriebswirtschaftlichen Standsoftware anbieten zu können, integrierte man Partnerprodukte. Zum Beispiel die Rechnungswesen-Suite "Diamant 2" von Semmerling & Ambrecht, deren Vermarktungsrechte man sich im Rahmen eines Reseller-Abkommens erst Ende 1998 gesichert hatte. Brunnbauer begründet die Übernahme des Kooperationspartners so: "Viele der Unternehmen im gehobenen Mittelstand sind meist europaweit aufgestellt. Wer jedoch Auslandstöchter unterhält, benötigt eine durchgängige betriebswirtschaftliche Konsolidierung. Deshalb mussten wir uns durch eine finanzielle Verflechtung absichern."

Für Semmerling & Armbrecht könnte sich das Unterschlüpfen unter das Softmatic-Dach schnell auszahlen. Zum einen bleiben die Bielefelder unter Federführung von Peter Semmerling eigenständig, zum anderen können sie im Rahmen ihrer eigenen geplanten europäischen Expansionstrategie sofort auf die Infrastruktur ihres neuen Eigners zugreifen. Das spart Zeit und Geld. Den derzeit bestehenden 15 Vertriebspartnern kommt man auch nicht ins Gehege, weil diese laut Brunnbauer allesamt nicht in der Prozessindustrie agieren. Finanziert werden soll das erwartete Wachstum von Semmerling & Armbrecht zu gegebener Zeit durch den Gang an die Börse - als Diamant Software AG.

Anfang Februar wurde zudem der Dokumenten-Management(DMS-)Spezialist CRR Datensysteme GmbH, Langenfeld, übernommen - wenige Wochen, nachdem Softmatic selbst seinen entsprechenden Geschäftsbereich in die Softmatic Informations-Management GmbH ausgegliedert hat. Rund 20 Mitarbeiter, die zuletzt einen Umsatz von etwa fünf Millionen Mark erwirtschafteten, verstärken nun das DMS-Team der Norddeutschen.

US-Markt soll mit Partner erobert werdenTrotz der jüngsten Übernahmen, die erst noch integriert werden müssen, denken die Softmatic-Verantwortlichen schon längst in anderen Dimensionen. Sobald man in Europa auf Touren gekommen ist, will man den Sprung über den großen Teich in Angriff nehmen. Dies ist zwar noch Zukunftsmusik, dennoch spielt Brunnbauer die möglichen Szenarien in Gedanken bereits durch. Aus eigener Kraft, das steht jetzt schon fest, läßt sich das US-Abenteuer nicht realisieren. Somit gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man kauft einen Großen oder man findet einen Partner, der "ein neues Produkt benötigt und mit dessen Infrastruktur man eine neue Strategie fahren kann. Und die kann dem Softmatic-Vorstand zufolge nur Application Service Providing (ASP) heißen.

Schon jetzt sei, so Brunnbauer, das Thema Software zur Miete in den USA absolut hype. Gleichzeitig geht er davon aus, dass sich der ASP-Trend in absehbarer Zeit auch in Deutschland durchsetzt. Dies wiederum dürfte nicht ohne Auswirkung auf die Szene der deutschen Softwarehäuser bleiben. "Die haben dann alle den Stress, in diesen Markt einzusteigen und erst einmal mit niedrigeren Gewinnen zu leben. Aufgrund des Mietmodells steigen zwar Kunden- und Installationsvolumen, dafür aber gehen die Erlöse zurück", gibt sich Brunnbauer keinen Illusionen hin. Zwangsläufig werde es daher in den kommenden zwei Jahren zu einer starken Marktkonsolidierung kommen.

Dieser wollen die Norderstedter indes nicht zum Opfer fallen. Somit gilt es, zunächst auch das bisherige Kerngeschäft zu stabilisieren, damit die Erträge nicht wegrutschen, wenn man in wie auch immer geartete ASP-Aktivitäten einsteigt. Potenzial hierfür scheint es genug zu geben - auch, weil das Wettbewerbsumfeld, in dem sich Softmatic bewegt, vorwiegend durch eine Vielzahl kleiner Nischenanbieter geprägt ist. Zieht man die Unternehmen mit prozessorientierter Produktion und Personalbeständen von 50 bis 500 Mitarbeitern als mögliche Kundenbasis heran, gibt es davon allein in Deutschland 7000 - und damit zehnmal so viele, wie bei Softmatic derzeit auf der Referenzliste stehen. In Europa sieht Brunnbauer sogar ein Volumen von 20000 einschlägigen Firmen, in den USA sei von über 25000 Kunden auszugehen. Wann genau das Abenteuer USA gestartet wird, bleibt abzuwarten. Tatsache sei, so Brunnbauer, dass dies gut vorbereitet sein will: "Unternehmen unserer Größenordnung haben nur einen Schuss."

* Beate Kneuse ist freie Journalistin in München.