Augmented Reality

Mit AR-Brillen Arbeitsprozesse revolutionieren

28.08.2013 von Bettina Dobe
Brillen á la Google Glass galten zunächst als Spielerei, mit der man bestenfalls ein Navigationsgerät bedienen oder Schnappschüsse von Freunden machen kann. Doch Augmented Reality (AR) eröffnet Möglichkeiten, die das Arbeitsleben revolutionieren. Die Innovationsbereiche der SAP arbeiten an der Zukunft.
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Als Google im Januar 2013 die erste Version von Google Glass präsentierte, freute das vor allem Konsumenten. "Warum gibt es so etwas nicht für Unternehmen, sondern nur freizeitorientiert", fragte sich Ghoutam Banerjee, Principal Value Engineering bei SAP. Zusammen mit Kollegen entwickelte er die Idee, Augmented-Reality-Brillen mit vorhandenen SAP Daten zu verbinden. Nun arbeiten in einem ersten Schritt Programmierer und Ingenieure daran, durch die Anbindung von SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) Effizienz und Produktivität in der Logistik drastisch zu erhöhen. Die Kombination von SAP EWM mit den intelligenten Brillen erlaubt Firmen, ihre bereits getätigten Investitionen noch besser zu nutzen.

Picking geht auch Hands-Free

Ghoutam Banerjee, Principal Value Engineering bei SAP
Foto: SAP AG

Warehouse Management lebt unter anderem davon, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit verfügbar zu machen. So können Mitarbeiter effizient kommissionieren und Fehler und Leerläufe möglichst geringhalten. Bis dato muss ein Mitarbeiter mit einem Handheld von Regal zu Regal gehen, manuell einen Artikel einscannen, aufnehmen und in den Produktkorb legen. Das ständige Hantieren mit dem Scanner, Clipboard und einer Informationsstation kostet Mitarbeiter Zeit - und die Firma in Folge dessen Geld. Doch mit einer AR-Brille, die Informationen aus dem SAP EWM direkt im Sichtfeld des Nutzers einblendet oder überlagert, wird alles anders: Hands-Free Picking wird möglich. "Mit diesen Brillen kann man Sachen schneller und besser erledigen", freut sich Banerjee. Das steigert die Effizienz und Produktivität im Warehouse.

Der IT-Dienstleister Bechtle und der Brillenhersteller Vuzix zeigten an dem Konzept von SAP bereits Interesse. Nach einigen Workshops und Selbstversuchen im Lager konnten die Beteiligten ein bei Bechtle gedrehtes Demonstrationsvideo präsentieren, das erstmals auf der Sapphire in Orlando Mitte Mai zu sehen war und das die visionäre Zielrichtung zeigt. Knöpfe drücken und manuelle Eingabe sollen danach bald der Vergangenheit angehören - zumindest im Picking.

Das lange Suchen von Artikeln entfällt

Anweisungen wie "Hole fünf Artikel aus Gang 17 in Regal 5" erscheinen im Blickfeld des Brillenträgers. Die Brille scannt den Artikel, verbucht ihn in Echtzeit im System und der Mitarbeiter kann ihn mitnehmen, ohne Zeit zu verlieren. Das optische Gerät zeigt an, wohin der Mitarbeiter als nächstes laufen soll, um ein Produkt aufzusammeln, und wie er am schnellsten dorthin kommt. Der Benutzer muss nicht mehr lange nach Artikeln suchen - das spart zusätzlich Zeit. Die Business Glasses vereinfachen den Arbeitsprozess wesentlich", sagt Thorsten Stephan, Vice President Application Innovation Mobility bei SAP. "Das spart Unternehmen eine Menge Ausgaben."

Der erste Prototyp soll bald kommen

Das Demovideo setzt auf dem EWM von SAP auf: Noch ist es ein Mock-Up - aber die Betonung liegt auf "noch". Thorsten Stephan prüft gerade, wie sich das Szenario umsetzen lässt: "Wir sind auf einem guten Weg, denn zum fertigen Produkt fehlt nicht mehr viel." Brillenhersteller, Back-End und Informationen stehen ebenfalls bereit. Ziel der Entwickler ist es, bald einen ersten Prototypen anbieten zu können.

Potenzielle AR-Szenarien sind nicht nur in der Lagerlogistik interessant. "Denken Sie an den Techniker am Strommast, der etwas nachsehen muss, oder den Mechaniker unter einem Auto - da gibt es zahlreiche Szenarien", sagt Banerjee. Denn die Vision von SAP reicht noch weiter. Es ist möglich, noch mehr Funktionen in die Brille zu packen, etwa Machine-to-Machine-Kommunikation. Zum Beispiel melden in einem Lagerhaus Gabelstapler stets ihren Standort an die AR-Brille. Die Brille warnt dann den Träger - etwa einen Mitarbeiter zu Fuß -, wenn der Gabelstapler in die Nähe kommt, oder um eine uneinsehbare Ecke biegt. Der Brillenträger kann dann rechtzeitig ausweichen. Beide Geräte kommunizieren miteinander, ohne dass ein Mensch daran beteiligt ist. "Damit wird die Arbeitssicherheit erheblich verbessert", sagt Stephan. Die Brille warnt vor Gefahren, die ein Mitarbeiter selbst nie entdecken könnte.

Ferndiagnose mit Live-Bildern

Selbstverständlich sind auch Instandhaltungsanwendungen denkbar, die ebenfalls mit SAP-Lösungen kombiniert werden können: "Der Mitarbeiter in der Instandhaltung läuft mit der Brille durch die Halle und das Gerät lässt ihn über das Display wissen, dass es repariert werden muss", erläutert Banerjee das Konzept. Die mit der Datenbrille nutzbaren SAP-Produkte sind etwa SAP Inventory Manager sowie der SAP Work Manager.

Das Arbeiten wird mit AR-Brillen generell einfacher werden: So kann ein Mitarbeiter mit dem Kundendienst sprechen und kleinere technische Probleme lösen, ohne dass ein Techniker tatsächlich vor Ort ist. Der Techniker am anderen Ende der "Leitung" sieht, was der Mitarbeiter sieht und kann genaue Anweisungen geben. Er repariert, ohne anwesend zu sein.

Einblenden von 3-D-Modellen mit Hilfe von SAP Visual Enterprise

Augmented Reality ermöglicht Spezialisten zudem eine "Guided Repair". Bei Reparaturen werden 3D-CAD-Informationen eingeblendet: Über das Objekt wird der Idealzustand überlagert. Das verringert auch die Fehlerquote. Banerjee gibt ein Beispiel: "Wenn eine Autotür eingebaut wird, wird es möglich sein, auf den Bildschirm die Lage der Tür zu projizieren." Dahinter steckt eine ganze Menge Technik, wie etwa SAP Visual Enterprise, das 3-D Modelle auf der Brille erscheinen lassen kann. Sie werden auf dem Brillenbildschirm über die Realität geblendet. "Technisch ist das nicht einfach zu lösen, aber das ist die Krönung der Entwicklung mit Augmented Reality", sagt Stephan. "Dadurch wird der Wert der Anwendungen mit AR nochmal gesteigert."

Die Möglichkeiten der Augmented Reality Technology in Verbindung mit SAP Geschäftsprozessen sind enorm. Anwendungen sind also noch lange nicht ausgeschöpft. Ein nächster Workshop ist in Planung: SAP will weitere Szenarien im AR-Bereich erarbeiten. Am gerade entstehenden Brillenmarkt gilt deshalb: Wer an der Zukunft mitschrauben möchten, hat keine Zeit zu verlieren.