Microsofts ERP-Chef Burgum: "Es gibt nur einen Konkurrenten: Microsoft"

09.03.2005
Douglas Burgum, Chef von Microsoft Business Solutions (MBS), sprach mit Eberhard Heins* über den Richtungswechsel in der ERP-Strategie. Microsoft plant nicht mehr den großen Wurf eines ganz neu entwickelten Business-Softwarepakets ("Project Green"), sondern will seine diversen ERP-Produkte sukzessive modernisieren und zusammenführen. *Eberhard Heins ist freier Journalist in München

Douglas Burgum: "Zwei Kriterien sind für Kundenentscheidungen ausschlaggebend: Investitionssicherheit und Funktionalität."

CW: Warum haben Sie ihre ERP-.NET-Strategie geändert?

Burgum: Das ist das Ergebnis von Umfragen unter unseren Kunden. Unser Ziel hat sich nicht geändert, sondern der Weg, wie wir es erreichen wollen. Wir gehen jetzt in evolutionären Schritten voran. Wir glauben, dass es der beste und kundenfreundlichste Weg ist, um unsere heutigen und künftigen Anwender von einer neuen Lösung mit einem weltweit einheitlichen Programmcode zu überzeugen.

CW: Werden die nächsten Releases bereits ausschließlich mit dem .Net-Tool Visual Studio entwickelt?

Burgum: Es wir eine Kombination aus den bisherigen Entwicklungswerkzeugen und Visual Studio sein. Die Roadmap sieht vor, dass der Anteil von Visual Studio kontinuierlich steigt.

CW: Wie lange liefert MBS Support für Kunden, die nicht auf das nächste Release der jeweiligen Produktlinie upgraden?

Burgum: Wir haben unseren Lifcycle-Support von drei auf fünf Jahre für das jeweilige Release der einzelnen Produktlinien erhöht.

CW: Das bedeutet beispielsweise für Navision 5.0, das im zweiten Halbjahr 2006 auf den Markt kommen soll, einen garantierten Support bis 2011.

Burgum: Ja.

CW: Warum sollte eine Kunde ein .Net basierendes ERP-Produkt kaufen und nicht eines, das auf J2EE basiert?

Burgum: Zwei Kriterien sind für Kundenentscheidungen ausschlaggebend: Investitionssicherheit und Funktionalität. Am Ende geht es um die Frage, ob ein Hersteller gemeinsam mit seinen Partnern Lösungen anbieten und unterstützen kann, die präzise die Anforderungen des Kunden abdecken. Wir bieten Anwendungen an, die sich über zwanzig Jahre bewährt haben. Wir sind unseren Kunden langfristig verpflichtet und zusammen mit unserem großen Partnernetzwerk decken wir die im Markt gestellten Anforderungen ab und gewährleisten den notwendigen Support. Aber letztendlich trifft wie immer der Kunde die finale Entscheidung.

CW: Wen sehen Sie als ihren stärksten Wettbewerber?

Burgum: Das sind wir selbst. Es ist wichtig, dass wir unser vorhandenes Potenzial ausschöpfen.

CW: Und außer Microsoft?

Burgum: SAP hat einen großen Marktanteil, ist auf ERP-Anwendungen fokussiert und verfügt über ausreichend Ressourcen, um sein Geschäft voranzutreiben. Nach SAP sind es vor allem die regionalen Anbieter.

CW: Ihre Fusionsverhandlungen mit SAP sind seinerzeit gescheitert Wollen Sie trotzdem in das Großkundengeschäft einsteigen?

Burgum: Mit unseren Anwendungen adressieren wir kleine und mittelständische Unternehmen sowie größere Abteilungen und Geschäftsbereiche beziehungsweise Niederlassungen von global agierenden Unternehmen. Die weltweit 2000 größten Unternehmen zu adressieren, wäre keine natürliche Erweiterung unseres derzeitigen Geschäftsmodells. Ein solcher Schritt würde bedeuten, dass wir verschiedene Produkte, Preise und Vertriebskanäle benötigten und eine Infrastruktur für dieses Geschäft aufbauen müssten. Wir sehen unsere Wachstumschancen in neuen Regionen und Branchen, nicht im Großkundenmarkt

CW: SAP ist einer von Microsoft größten Partner im Anwendungsgeschäft und gleichzeitig einer ihrer stärksten Wettbewerber im Mittelstand. Ist dieser Status für die Zukunft haltbar?

Burgum: Co-opetition ist im heutigen Geschäftsleben Normalität. Wir bleiben ein starker Partner von SAP auf der Plattformebene und konkurrieren mit ihnen in den von uns adressierten Märkten.

CW: SAP strebt mit Netweaver und ihrer Enterprise Service Architecture auf den Plattformmarkt. Werden Sie dann nicht auch zunehmend in diesen Geschäft konkurrieren?

Burgum: Ja, aber wir haben keine Angst vor SAP, sondern Respekt.

CW: Wie schätzen Sie die Sage Group ein?

Burgum: Sage macht einen guten Job und ist für uns ein starker Wettbewerber bei kleineren Kunden. Aber Sage kann auf eine Sicht von zehn Jahren keine große Bedrohung für uns sein, weil sie nur fünf bis sechs Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren und damit eine Vielzahl von Produktlinien bedienen müssen. Es bedarf größerer Investitionen, um bei technologischen Weiterentwicklungen mitzuhalten.

CW: Bislang schreibt MBS rote Zahlen. Welche Umsatzziele haben Sie sich für das nächste Geschäftsjahr 2005/06 gesetzt?

Burgum: Natürlich ist es nicht unser Ziel, längerfristig Verluste zu schreiben. Wir wollen die Marktführerschaft in den von uns adressierten Segmenten. Dafür investieren wir derzeit mehr, als wir an Umsatz in unserer Geschäftseinheit erwirtschaften. Mehr Auskünfte zu künftigen Markanteilen und Umsatzzielen kann ich nicht geben.

CW: Der Umsatz im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2004/05 stagnierte. Woran lag das?

Burgum: Wir sind mit den Ergebnissen zufrieden. Der Umsatz in diesem Quartal war niedrig, weil wir unser Online-Geschäft mit B-Central in einigen Regionen eingestellt haben und Dienstleistungsumsatz, wie Support, Schulung oder Beratung zunehmend von unseren Partnern durchgeführt werden.

CW: Wie viele neue Kunden hat MBS mit seinen Produktlinien Solomon, Great Plains, Navision, Axapta und MS-CRM im Jahr 2004 jeweils dazu gewonnen?

Burgum: Diese Zahlen veröffentlichen wir nicht. Über alle Produktlinien hat die MBS 261.000 Kunden. Davon entfallen auf Axapta 4.850, auf Navision 44.900, auf Great Plains inklusive Small Business Financials 38.400, auf Solomon 14.600 und auf MS-CRM 3.500.

CW: MBS wird in den USA mit Small Business Accounting ein Office-Paket mit ERP-Funktionalität auf den Markt bringen. Werden Sie dieses Produkt auch in Deutschland anbieten, und wenn ja, wann?

Burgum: Das haben wir noch nicht entschieden. Derzeit planen wir nur für den amerikanischen Markt.

CW: Die für das Mittelstandsgeschäft bei SAP verantwortliche Donna Troy erachtet OEM-Verträge mit PC-Herstellern als eine Verkaufschance für Business One, die SAP-Produktlinie für den unteren Mittelstand. Was halten Sie davon?

Burgum: Das ist eine Option, allerdings nur im Kleinkundengeschäft und nicht im Mittelstand. Das Produkt Small Business Accounting eignet sich beispielsweise dafür.

CW: Nur 15 Prozent der Navision-Anwender setzten den SQL-Server von Microsoft ein. Warum sind es so wenige?

Burgum: Unsere Navision-Kunden mögen die integrierte Datenbank C/Side. Sind sie glücklich, sind wir es auch. Vor allem kleinere Kunden wollen in erster Linie die Finanzbuchhaltung und nicht zusätzlich eine Datenbank. Bei Neukunden liegt der Anteil aber deutlich über 15 Prozent.

CW: Sie bieten für die Produktlinie Great Plains einen standardisierten Connector zu MS-CRM an. Wird es diesen auch für Navision und Axapta geben.

Burgum: Das ist unsere Absicht, allerdings nicht bevor Version 2.0 von MS-CRM verfügbar ist. ERP- und CRM-Software verschmelzen mehr und mehr zu einem Produkt. Wir werden MS-CRM aber auch weiterhin als Einzellösung anbieten.

CW: Application Service Providing (ASP) ist in den USA beliebt, speziell bei MS-CRM. Wird es dieses Modell auch in anderen Ländern beispielsweise in Deutschland geben?

Burgum: Unsere Kunden bevorzugen es, ihre Geschäftsanwendungen sowohl lokal am Desktop als auch in einer gehosteten Umgebung verfügbar zu haben. Wir arbeiten mit unseren Partnern (in Deutschland Unidienst, Anmerkung der Redaktion) daran, solche Konstellationen zu ermöglichen. Unsere künftige SOA-basierte Architektur wird es unseren Kunden erlauben, solche gemischten Umgebungen mit lokalen und gehosteten Webservices zu betreiben.

CW: Eines der größten Entwicklungszentren von MBS ist in Dänemark angesiedelt. Wird es die nächsten fünf Jahre weiter bestehen?

Burgum: Es gibt keinerlei Überlegungen, unser Entwicklungszentrum in Vedbaek zu schließen - auch nicht in Zusammenhang mit Softwarepatenten. Im Gegenteil: Wir werden voraussichtlich im Jahr 2005 weitere Entwickler einstellen.