Microsoft umgarnt die Open-Source-Szene

30.06.2006
Die Microsoft-Verantwortlichen wollen offenbar ihr Image des bösen Open-Source-Gegners loswerden und sich als Kooperationspartner der Szene profilieren.

Auf der Open-Source-Business-Konferenz , die Ende Juni in London stattfand, schlug der britische Microsoft-Manager Jerry Fishenden versöhnliche Töne gegenüber den Vertretern der Open-Source-Fraktion an. Der Ruf, der weltgrößte Softwarekonzern sei strikt gegen das Open-Source-Modell, beruhe auf einem großen Missverständnis. Man könne die Welt nicht nur schwarz und weiß malen, betonte Fishenden. Microsoft schreibe seinen Kunden keineswegs vor, sie dürften entweder nur die eigenen oder Open-Source-Produkte verwenden. "Wir sind Teil eines größeren Ökosystems." In rund der Hälfte aller Open-Source-Projekte kämen auch Microsoft-Produkte zum Einsatz.

Es sei durchaus möglich, mit Open-Source-Anbietern zu kooperieren und auch gleichzeitig im Wettbewerb zu stehen, argumentierte der Microsoft-Manager weiter. Als Beispiel führte er das Verhältnis mit Sun Microsystems an. Auf der einen Seite konkurriere Microsoft mit dem Server-Spezialisten, auf der anderen Seite arbeite man in Sachen Web Services und Interoperabiltät eng zusammen. Fishenden verwies in diesem Zusammenhang auch auf die eigene Shared-Source-Initiative. Mit diesem Programm haben interessierte Kunden verschiedene Zugriffsmöglichkeiten auf den Source-Code der Microsoft-Produkte. Das reicht von der Einsicht in den Code bis hin zur Erlaubnis, diesen zu verändern und weiter zu verbreiten.

Während sich Microsoft als Freund und Gönner der Open-Source-Welt zu profilieren versucht, bleiben die Verfechter der freien Software-Szene skeptisch. Daran ändert sich auch nichts, wenn Microsoft beispielsweise als Hauptsponsor der Veranstaltung in der britischen Metropole auftritt. Graham Taylor, Direktor des unabhängigen Open-Source-gremiums Open Forum Europe hätte einen bekennenden Open-Source-Befürworter als Unterstützer der Konferenz vorgezogen. Allerdings belege das Interesse Microsofts, wie reif und erwachsen der Open-Source-Markt mittlerweile geworden sei. Die Microsoft-Verantwortlichen müssten jedoch noch einen weiten Weg gehen, um das Vertrauen der Szene zu gewinnen.

Das dürfte auch daran liegen, wie sich Microsoft in den zurückliegenden Jahren gegenüber den Open-Source-Verfechtern gebärdet hat. Noch im Frühjahr hatte Microsoft-Chef Steve Ballmer unverhohlen damit gedroht, Linux-Anbieter mit einer Welle von Patentklagen zu überziehen (siehe auch: Ballmer: Patentklagen gegen Linux möglich). In einem Interview mit der US-amerikanischen Zeitschrift "Forbes" verschärfte er den Ton gegenüber der Community: Ich glaube, es gibt Experten, die sagen, Linux verletzt unser geistiges Eigentum. Das werde ich nicht kommentieren. Aber so weit das der Fall ist, schulden wir es natürlich unseren Aktionären, eine Strategie zu haben."

Seit 2004 versuchte die Konzernzentrale in Redmond immer wieder, die Argumente der Open-Source-Befürworter mit passenden Studien zu untergraben. Im Rahmen seine "Get-the-facts"-Kampagne behauptete Microsoft gebetsmühlenartig, Linux-Produkte seien keineswegs günstiger als Microsoft-Anwendungen (siehe auch: Microsoft: Linux ist nicht billiger). Open-Source-Verfechter stellten jedoch immer wieder die Glaubwürdigkeit dieser Studien in Frage. Aus ihrer Sicht, beruhten die Untersuchungen auf falschen Tatsachen oder seien gar veraltet (siehe auch: Microsoft heizt Kostendebatte um Windows und Linux weiter an). Zuletzt konterten sie die Microsoft-Anstrengungen mit eigenen Untersuchungen und Studien (siehe auch: Linux-Protagonisten kontern Microsofts TCO-Kampagne).

Nach Einschätzung von Ovum-Analyst Laurent Lachal muss Microsoft mit dem Thema Open-Source pragmatischer umgehen. Viele Anwender würden sich immer ernsthafter mit diesem Thema auseinandersetzen. Das übe zusätzlichen Druck auf Microsoft aus. Daher könne sich der Softwarekonzern der Diskussion über Open Source und offenen Standards nicht entziehen. (ba)