Entscheidungsträger müssen wachsam bleiben:

Methodenspezifische Toals bergen Risiken

13.01.1984

Obwohl die Zahl der auf dem Markt vorhandenen Tools ständig wächst, werden doch immer wieder die gleichen alten Bekannten eingesetzt. Beispiele sind methodenneutrale Texteditoren oder Maskengeneratoren. Die Autoren untersuchen, was allgemein akzeptierte Werkzeuge auszeichnet und beschreiben deren Eigenschaften.

Ein Faktor, der Wirtschaftlichkeit ausmacht, ist die "Methodenbreite" des Tools. Wenn Probleme beschrieben werden können, die methodenunabhängig in Softwareprojekten vorkommen und daraus Werkzeuge definiert werden, die diese Probleme lösen, ist die Wahrscheinlichkeit für die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes dieser Werkzeuge hoch.

Ein mit Sicherheit technologieunabhängiges Problem ist die Verwaltung und Steuerung von Projekten (sie ist nur in Mickymausvorhaben trivial): Produkte sind Bearbeitern zuzuordnen, Termine sind zu planen und zu überwachen, Qualitätssicherungsmaßnahmen sind durchzuführen, Querbeziehungen zwischen einzelnen Teilen des Produktes müssen konsistent, die Versionsführung soll einwandfrei sein. Für die Lösung dieser Probleme bieten sich Data Dictionaries, Datenbanken und - als dediziertes Werkzeug - die Projektbibliothek an. Diese Tools sind weitgehend methodenrobust und daher wirtschaftlichkeitsverdächtig. (Ein Tool nennen wir dann methodenrobust, wenn eine Änderung der Methodik seinen Einsatz nicht in Frage stellt.)

Tendenziell wirtschaftlich

Neben der Methodenbreite dürfte die Phasenbreite von Bedeutung sein: Werkzeuge, die von Beginn bis zum Ende eines Projektes benötigt werden, sind tendenziell wirtschaftlich. Denn ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für das sich einstellende Kosten/Nutzen-Verhältnis ist das Verhältnis von Einarbeitungszeit zur Nutzungszeit.

Zum zweiten wird mit Abnahme der Phasenbreite eines Werkzeuges die Zahl der zu durchlaufenden Einarbeitungsprozesse schnell größer: Ist ein Tool nur für wenige Phasen geeignet, dann addieren sich zu den eigentlichen Einarbeitungszeiten der Mitarbeiter die stets notwendigen "Wiedereinarbeitungs- oder Rüstzeiten", da die Mitarbeiter die Bedienung des Tools seit der letzten Verwendung verlernt haben. Schließlich wird bei phasenbreiten Werkzeugen am ehesten der Zustand der trainierten Anwendung erreicht in dem der Nutzer aller Feinheiten und Möglichkeiten des Tools kennt und ausnutzt.

Methodenbreite und Phasenbreite spannen die Ebene auf, in der sich Werkzeuge einordnen und bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit bewerten lassen. In einer Art "Werkzeuglandschaft" (Grafik 1) läßt sich jedes Tool wie Editor, Maskengenerator, Jackson-Precompiler - nach seiner Methodenbreite und nach seiner Phasenbreite einordnen. Ein Tool ist tendenziell wirtschaftlicher, je größer die Fläche ist, die es bedeckt.

Allgemein gilt, daß bei methoden- und phasenbreiten Tools die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, Die Frage lautet hier nicht, ob diese Art von Werkzeugen eingesetzt werden soll sondern welche von auf dem Markt angebotenen Tools die geforderten Funktionen am besten abdecken. Die Entscheidung ist also primär eine technische und weniger eine wirtschaftliche.

Einsatzbreite nicht größer

Die Einsatzbreite von methodenspezifischen Werkzeugen ist keinesfalls größer als die der unterstützten Methode und eine einzige Methode, die alle Phasen ausreichend unterstützt, gibt es nicht.

Setzt sich zudem nach dem Erwerb eines methodenspezifischen Werkzeuges die zugrundelegende Methode nicht durch (langanhaltende Methodenstreits sind keine Seltenheit), so ist die Investition in das Tool verloren. Andererseits kann man dann aber auf den Werkzeugerwerb auch nicht verzichten, denn ohne Werkzeugunterstützung ist die Chance für die Annahme der Methode ungleich kleiner als mit ihr.

Selbst wenn sich die Methode durchsetzt bleibt noch die Gefahr, daß die Einsatzbreite des Tools zu schmal ist, so daß der Trainings- und Gewöhnungseffekt nicht auftritt. Die Anwender kommen über das Stadium der Einarbeitung und unsicheren Benutzung nicht hinaus, die Akzeptanz bleibt schwach und die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke.

Der Einsatz von methodenspezifischen Werkzeugen ist weitaus risikobehafteter als der von methoden- und phasenbreiten Tools.

Etwas günstiger sehen die Zusammenhänge für phasenspezifische Werkzeuge aus. Eine Phase muß sich nicht in der Weise durchsetzen wie eine Methode dies tun muß. Was bleibt, ist die Frage der möglichen Gewöhnung an das Tool: Je länger der Anteil der unterstützten Phase an der gesamten Projektzeit in der Unternehmung ist und je häufiger das Tool zur Anwendung kommt, umso wahrscheinlicher tritt der Trainings- und Rationalisierungseffekt ein und umso wirtschaftlicher ist der Einsatz.

Editor als Werkzeugmaschine

Ohne methodenspezifische Tools sind die Methoden oft nicht einsetzbar. Eine mögliche Lösungsstrategie für den Konflikt zwischen Unterstützungszwang und Wirtschaftlichkeit dürfte in der Vorgehensweise liegen statt Werkzeugen Werkzeugmaschinen zu beschaffen. So kann beispielsweise ein guter Editor als Werkzeugmaschine begriffen werden. Mit ihm lassen sich spezifische Editoren konstruieren, Grafiken erstellen oder Logfiles verwalten.

Eine Workstation, auf der eine höhere Programmiersprache verfügbar ist, kann zur Werkzeugmaschine werden. Hier lassen sich Prozessoren und Generatoren für die unterschiedlichsten Methoden realisieren. Als Urahn aller solcher umfassenden Werkzeugmaschinen sei hier nur das PET/Maestro-System aufgeführt: Trotz seines relativ hohen Preises und seiner in die Jahre gekommenen Hardware findet es breite Akzeptanz bei den Softwareentwicklern eben deswegen, weil der Anwender seine Tools darauf selbst verwirklichen kann. Wird eine Methode einmal verworfen, so verliert die Werkzeugmaschine nicht ihre wirtschaftliche Berechtigung.

Auf ihr lassen sich auch für den neuen Methodenfavoriten die Werkzeuge erzeugen.

Auf der Kostenseite der Tools sehen wir den reinen Anschaffungspreis oder die Miete, die Wartungskosten, die Schulungskosten, und die Kosten für die (anfänglichen und immer wiederkehrenden) Einarbeitungen. Bei methodenspezifischen Tools kommen die "Überzeugungskosten" für die unterstützte Methode hinzu. Die Kosten steigen tendenziell mit der Methodenspezifität und der Phasenspezifität, stärker bei ersterer. Schuld daran sind die repetitiven Einarbeitungskosten und die Überzeugungskosten.

Rationalisierungseffekt

Auf der Ertragsseite ist der Beschleunigungseffekt eine direkte Auswirkung. Indirekte Auswirkungen sind Qualitätsverbesserungen in

den Produkten, leichtere Durchsetzung von Standards durch die Tools und - nicht quantifizierbar aber doch nicht nebensächlich - der Motivationseffekt durch gute Werkzeuge. Es dominiert der Beschleunigungseffekt. Er tritt vor allem bei Werkzeugen auf, die so breite Verwendung finden, daß der Anwender voll austrainiert wird. Auch auf der Nutzenseite also sind spezifische Werkzeuge im Nachteil.

Grafik 2 zeigt die Gegenläufigkeit von Kosten und Ertrag in Abhängigkeit von der Breite beziehungsweise Spezifität des Werkzeugs.

Aus der Darstellung darf aber nicht der falsche Schluß gezogen werden, daß methodenspezitische Werkzeuge nicht wirtschaftlich sein können. Man muß nur das Risiko, das methodenspezifische Tools bergen, minimieren. Empfehlenswert ist der Einsatz von Werkzeugmaschinen zur Unterstützung von Methoden. Sie sind methodenrobust und erlauben die Konstruktion angepaßter Tools.

Mit der Einführung einsatzbereiter Werkzeuge kann man unter dem Wirtschaftlichkeitsziel kaum einen Fehler machen. Die Anschaffung spezifischer Tools - ohne Einbettung in eine Werkzeugmaschine - aber sollte der Controller mit wachsamem Auge hinterfragen.

* Dr. Herbert Neumaier ist Geschäftsführer der Interface Concilium GmbH, München. Helmut Rohe ist Mitarbeiter in demselben Unternehmen.