Metamatix simuliert spielerisch die Welt

13.04.2006 von Winfried Gertz
Die Nachfrage nach virtuellen Anwendungen zieht in der Wirtschaft stark an. Davon profitiert die Münchner Firma Metamatix AG, die auf den Spiel- und Entdeckungstrieb ihrer Mitarbeiter

Montagmorgen, halb zehn. Knapp eine halbe Stunde, nachdem Alexander Anders in Augsburg den Nahverkehrszug bestiegen hat, schlendert er gut gelaunt durch das belebte Münchner Bahnhofsviertel. Den kurzen Weg zu seinem Arbeitsplatz säumen Klamottenläden, PC-Shops und Spielhöllen. Für die hat der 25-jährige Programmierer keinen Blick, in Gedanken ist er längst in ein aktuelles Projekt vertieft.

Gemeinsam mit zehn Kollegen und zahlreichen Freiberuflern taucht Anders täglich in künstliche Welten ein, programmiert so genannte Virtual-Reality-Engines für 3D - bei Metamatix in Auftrag gegeben. "Meine Aufgabe ist es", sagt Anders, "die Beschaffenheit von Oberflächen möglichst präzise abzubilden." Phänomene wie einen Lichtstrahl, der sich im Wasser bricht, programmiert er über einen Code auf der Grafikkarte.

Metamatix AG

Schillerstraße 7, 80336 München

Tel. 089-51999855

Ansprechpartner für Bewerber: Dalibor Karacic

Mitarbeiterzahl: zwölf

Einstellungsbedarf: Informatiker, Kommunikations- und Gamedesigner (Frauen sind besonders aufgerufen, sich zu bewerben!)

Geforderte Qualifikationen: Diplom und erste Praxiserfahrungen

Warum ist Glas durchsichtig?

Metamatix-Chef Dalibor Karacic sucht begeisterte Spieleentwickler, die die Grenze zwischen Wirklichkeit und virtueller Welt aufheben.

Warum leitet Kupfer, weshalb ist Glas durchsichtig? Der Natur und den atomaren Geheimnissen auf die Spur zu kommen trieb Naturwissenschaftler schon immer an. Doch bis zur Quantentheorie und Nanoforschung müssen die Nachwuchstüftler von Metamatix nicht unbedingt vordringen, um einen in viele Stücke zerberstenden Krug und auslaufende Milch auf den Bildschirm zu bannen, erklärt Vorstand Dalibor Karacic: "Um die Grenze zwischen Wirklichkeit und virtueller Welt aufzuheben, müssen unsere Programmierer mit den marktführenden Werkzeugen vertraut sein und Begeisterung für Technik mitbringen."

Seit der Gründung vor sechs Jahren hat Metamatix bereits über München hinaus auf sich aufmerksam gemacht - zum Beispiel mit dem mehrfach ausgezeichneten Projekt "München 4D". Laut Karacic bestand die Idee darin, mit der Zeitmaschine zurück in die Vergangenheit zu reisen und die Stadt vorzustellen, wie sie im 17. Jahrhundert aussah. Metamatix entwarf das Design, programmierte Datenbanken und Schnittstellen und kümmerte sich um den störungsfreien Betrieb der Eingabegeräte, die an verschiedenen Standorten wie dem Deutschen Museum installiert wurden.

Weil die Grenzen zwischen Mediendesign und Programmierung laut Karacic immer mehr verschwimmen, ist Metamatix auf Mitarbeiter angewiesen, die als Programmierer flexibel sind und Gespür für eine Maske oder grafische Gestaltung entwickeln. Dafür ist Anders geradezu prädestiniert. An der Fachhochschule Augsburg studierte er Multimedia, einen 1999 aus der Taufe gehobenen Diplomstudiengang, der Informatik und Gestaltung kombiniert. Im Studium, das Anders für Praktika und mehrere freiberufliche Jobs bei Metamatix unterbrach, widmete er sich der Physik und "Anwendungen nah am Gamedesign".

Studium für Gamedesigner

Daniel Frings hat sein Kommunikationsdesign-Studium an den Nagel gehängt und machte statt dessen seinen Bachelor in Gamedesign.

Einen etwas anderen Kurs schlug Daniel Frings ein. Mitten im Kommunikationsdesign-Studium geriet der heute 27-Jährige in ein Motivationsloch, bis ihm plötzlich ein Licht aufging. "Ich steckte in einer Sackgasse", erinnert sich der gebürtige Aachener. "Meine Ausbildung war eher rückwärts- statt zukunftsorientiert." Durch Zufall erfuhr er von dem Bachelor-Studium zum Gamedesigner, das die Münchner Mediadesign-Hochschule mithilfe von Metamatix ins Leben gerufen hatte.

Eigentlich liegt Frings eher die Gestaltung, er hat aber seit jeher eine "mathematische-physikalische Ader" und fand Spaß am Programmieren. Als frisch diplomierter Gamedesigner kann er beides verknüpfen. Sein Marktwert ist ihm als einem der ersten Absolventen durchaus bewusst. Viele Firmen, erläutert Metamatix-Chef Karacic, entdecken Computerspiele als wichtigen Baustein im Marketing. Längst sei auch im Fernsehen das virtuelle Spielfieber ausgebrochen. Doch während die Umsätze steigen und weltweit für Video- und Computerspiele inzwischen mehr Geld ausgegeben würde als an der Kinokasse, "entsteht kaum Arbeit für Spezialisten, weil die Musik in USA, England und Frankreich spielt".

Wachstum schafft neue Jobs

Zwar hat die Spielindustrie in Deutschland, zumindest was die Entwicklung anbelangt, noch nicht Fuß gefasst. Aber das kann den Experten von Metamatix egal sein. Ihre Auftraggeber sind namhafte Konzerne, die sich von individuell entwickelten Spielen zum Beispiel versprechen, ihre Kunden eng an sich zu binden. "Große Werbe- und Event-Agenturen akquirieren Entwicklungsprojekte", erläutert Karacic das Geschäftsmodell, "und binden uns ein, weil ihnen das Wissen beim Thema Spiele fehlt."

Da das Geschäft gut läuft, die Räumlichkeiten aber eine weitere Expansion behindern, will Metamatix im Herbst umziehen. Karacic hat bereits einige Objekte ins Visier genommen, will auf jeden Fall in der Nähe der Innenstadt bleiben. Angesichts der optimistischen Prognose hält es der Chef für betriebswirtschaftlich sinnvoller, den Stamm von angestellten Mitarbeitern auszubauen. Das schaffe größere Planungssicherheit: "Früher haben wir zu sehr auf Freiberufler gebaut. Deren Fluktuation ist aber eine Katastrophe."

Aktuell sucht Metamatix beispielsweise Datenbankspezialisten, die auch Flash-Animationen beherrschen, Web-Entwickler mit sattelfesten Kenntnissen in C# und .Net sowie Designer, die mit Auftragsspitzen umgehen können, also nicht auf den klassischen Nine-to-Five-Job beharren. Anders ist es im IT-Bereich: "Hier stehen vielfältige Aufgaben an, die kontinuierlich abgearbeitet werden können", verspricht der Metamatix-Vorstand. Game-Designer Frings ist es ohnehin zuwider, bei der Arbeit auf die Uhr zu schauen. Er hat gelernt, was ihm am meistens Spaß macht, und eine Arbeit gefunden, in der er sich hochmotiviert entfalten kann. "Abends falle ich todmüde ins Bett. Das sauer verdiente Geld in Clubs zu verjubeln steht daher nicht zur Debatte."

Die Physik setzt die Grenzen

Bereits während seines Studiums entwickelte Alexander Anders virtuelle Welten für Metamatix.

Im Job beherzigt Frings eine strukturierte, disziplinierte Arbeitsweise. Wie sein Kollege Anders ist er von Computerspielen fasziniert, findet es aber viel spannender, Spiele und 3D-Welten selbst zu entwickeln, als sie nur passiv zu nutzen. Beide verfolgen das Ziel, die dreidimensionalen Welten noch mehr auszubauen. Dabei stützen sie sich auf die Sprache C++ sowie auf spezielle 3D-Engines, die in der Branche den Ton angeben. Für ihre Entwürfe verwenden sie das Programm 3D Studio, bei der Physik schwören beide auf ein System, dessen Name unbedingt geheim bleiben sollte. "Noch bewegen wir uns in kleinen Fragmenten der virtuellen Realität", sagt Frings. Faszinierend sei es deshalb, sich von Raum zu Raum vorzuarbeiten und etwas Neues zu schaffen.

Wenn die beiden Programmierer an physikalische Grenzen stoßen, kommen sie erst so richtig in Fahrt. "Ein Computer versteht davon nichts, wenn ich an einen Gegenstand stoße und der zur Seite fällt", skizziert Frings die kreative Herausforderung. "Also versuche ich, die Geometrie und die Modelle so wirklichkeitsgetreu zu gestalten, wie sie sich im Raum bewegen." Immer griffbereit liegt deshalb der 1000-Seiten-Wälzer "Taschenbuch der Mathematik" mit allen wichtigen Formeln, die Anders und Frings in die Programmiersprache umsetzen.

Diese Begeisterung für Technik würde in der Realität aber schnell verpuffen, wenn Metamatix aus Kostengründen nicht in der Lage wäre, mit den schnellsten und leistungsfähigsten Maschinen zu arbeiten. Weit gefehlt. "Dank potenter Technologiepartner haben wir immer die neueste Hardware", beschreibt Karacic die Arbeitsbedingungen. Manche Grafikkarte kostet stolze 3000 Euro. Wird etwa die neue XBox geliefert, herrscht großer Andrang im firmeneigenen Kino. Gastiert ein großer Tool-Anbieter in München, ist jeder Programmierer aufgerufen, im Workshop die neuesten Funktionen kennen zu lernen.

Großer Freiraum für Entwickler

Entwickler hätten einen großen Freiraum, um etwa neue Programme dahingehend auszutesten, ob sie für den Projekteinsatz in Frage kommen. "Der spielerische Umgang mit Technik ist uns besonders wichtig", versucht Karacic die Unternehmenskultur in Worte zu fassen. "Deshalb sind die Projekte technologisch immer auf hohem Niveau und begeistern unsere Kunden." Manchmal gelingt es den Metamatix-Entwicklern, die Kunden mit ungewöhnlichen Extras zu überraschen. Jüngst bildeten sie nicht nur, wie beauftragt, den historischen Firmensitz virtuell ab, sondern fügten noch ein antikes Grammophon ein, das sich wie eine Jukebox öffnete und Wagner-Opern intonierte. "Das ist das i-Tüpfelchen", sagt Karacic stolz und schwört auf seine Truppe. "Das macht einfach die Faszination unserer Arbeit aus."