M2M-Kommunikation

Maschinen lernen intelligent zu kommunizieren

17.12.2010 von Jürgen Hill
Die direkte Kommunikation zwischen elektronischen Geräten (M2M-Kommunikation) gilt als ein Wachstumsmarkt der Zukunft. Studien gehen davon aus, dass sich der M2M-Markt in Deutschland bis 2013 verdoppelt.
Machine to Machine - Die Zukunft der Kommunikation?
Foto: Fotolia / pixeltrap

Die Kommunikation von Maschine zu Maschine - kurz M2M - ist eigentlich keine neue Idee. Doch bislang führte diese Technologie eher ein Nischendasein in der Wahrnehmung von IT-Entscheidern. Und dies - obwohl weltweit laut Detcon Consulting bereits 35 Milliarden Mikrocontroller zur Maschinensteuerung eingesetzt werden. Und jährlich kommen bis zu einer Milliarde hinzu, wobei das Spektrum von der Industriepumpe bis hin zur Kaffemaschine reichen. Zudem werden jährlich bis zu 300 Millionen tragbare Geräte der Consumer-Elektronik verkauft, von denen viele ebenfalls per IP vernetzt sind. Mit der M2M-Kommunikation so die Marktforscher weiter entstehe wein weites Feld für neue Dienstleistungen.

Doch warum boomt der M2M-Markt gerade erst jetzt? So kommt die E-Plus-Gruppe in ihrer Studie "Die M2M-Industry-Map Deutschland" zu dem Ergebnis, dass bislang in Duetschland etwa 2,3 Millionen SIM-Karten für M2M genutzt werden. Bis 2013 soll diese Zahl auf über 5 Millionen steigen. Eventuell liegt hier ein Erklärung für den Siegeszug: Die vier großen Mobilfunkbetreiber haben mittlerweile preislich attraktive M2M-Pakte geschnürt deren Kosten nur ein Drittel eines analogen Festanschlusses betragen. Somit lassen sich Maschinen fast an jedem Ort zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten vernetzen. Oder trägt der Erfolg von IP dazu bei? Womöglich hat aber auch erst der Siegszug der Siegeszug der Smartphines mit ihren neuen Anwendungen zu einem Umdenken geführt? Die COMPUTERWOCHE befragte Hersteller, Netzbetreiber und Integratoren nach ihrer Einschätzung des M2M-Marktes und wo sie noch Hürden und Fallstricke sehen.

Oozi Cats, Telit: Breitentechnologie ist nicht gleich Commodity

Oozi Cats, CEO bei Telit
Foto: Telit

Dass Analysten mit einem Boom des M2M-Marktes rechnen, hat gute Gründe: So ziemlich in jedem Bereich des Privat- und Geschäftslebens kann die M2M-Technologie für mehr Sicherheit, Qualität und Effizienz sorgen. Die Chancen sind so groß, dass sogar einige nationale und supranationale Organisationen das Thema auf die Agenda genommen haben.

Warum kommt der Boom erst jetzt? Weil es bis vor kurzem einige technologische Hürden bei der Integration und im Management der M2M-Systeme gab. Ebenso war die Definition der Standards oder der Verringerung des Formfaktors noch eine Herausforderung. Doch die meisten Probleme sind entweder bereits gelöst, oder werden es in absehbarer Zeit sein.

Vor einer häufigen Fehleinschätzung sei jedoch gewarnt: Auch wenn M2M auf dem besten Weg ist, zu einer Breitentechnologie zu werden, wird diese Industrie vermutlich nie zu Commodity werden - dazu ist jede M2M-Architketur zu individuell und zu komplex. Ohne einen umfassenden Service-Ansatz rund um die M2M-Module, der Integration, Software-Entwicklung und -updates und das Management des Produktlebenszyklus umfasst, kann es deshalb keine Projekterfolge geben. Das sollten sowohl Hersteller als auch Anwender im Auge behalten.

Helmut an de Meulen, Materna: Bald mehr SIM-Karten für M2M als im Handy

Helmut an de Meulen, Geschäftsführer Materna
Foto: Materna

Der derzeitige Hype um M2M hat für mich seine Gründe ganz eindeutig in der rasanten technologischen und kommerziellen Entwicklung der letzten Jahre. Die benötigten Geräte sind heute kleiner, preiswerter und leistungsfähiger. Für die Anbindung werden häufig Mobilfunknetze verwendet, bei denen die Preise für die Datenübertragung drastisch gesunken sind. Dazu kommen Anforderungen des Gesetzgebers, die für zusätzlichen Auftrieb sorgen.

Im Moment stehen die vielen unterschiedlichen Normen und Standards einem echten M2M-Massenmarkt allerdings noch im Wege. Auch die hohen Roamingkosten bei mobilen, internationalen Anwendungen sind ein Hemmschuh. Aber ich bin davon überzeugt, dass diese Hindernisse mittelfristig überwunden werden. Unsere Erfahrungen mit dem Toll-Collect-Projekt und unterschiedlichen Smart-Metering-Lösungen zeigen uns, dass trotz fehlender Standards gerade in diesem Umfeld eine starke Nachfrage sowohl nach Neu- als auch nach Folgeprojekten vorhanden ist. Es ist viel Bewegung im Markt. Nahezu alle Netzbetreiber beschäftigen sich momentan mit speziellen M2M-Tarifen und -Softwarelösungen. Auch für Privatpersonen gibt es neue Bezahlmodelle. Deshalb meine Prognose: Wir werden schon bald mehr SIM-Karten in M2M-Anwendungen haben als in unseren Handys!

Joachim Dressler, Sierra Wireless: Serviceorientierung ist gefragt

Joachim Dressler, Director Sierra Wireless
Foto: Sierra Wireless

Der M2M-Markt wächst rasant und wird in den kommenden Jahren noch deutlich zulegen. Besonders die Einführung von 3G und das wachsende Interesse der Endverbraucher an drahtlosen Technologien haben dazu geführt, dass immer mehr M2M-Anwendungen im Einsatz sind. Im Einzelnen unterstützen unterschiedliche Embedded Module und Service Plattformen eine komplette M2M-Umsetzung. Besonders bei langlebigen Anwendungen, die etwa in Industrie oder bei Smart Metern eingesetzt werden, sollten stabile drahtlose Plug-and-Play-Modems, die hohen Temperaturschwankungen, Korrosion oder Staub standhalten, genutzt werden. Für eine M2M-Lösung im Fahrzeug ist ein robustes und erweiterbares Netzwerk notwendig, innerhalb dessen neue Dienste leicht integriert werden können. DieBetreiber benötigen innovative, einfach einzusetzende M2M-Lösungen, denn oft ist die komplexe Technologie eine der größten Herausforderungen für das Wachstum im M2M-Markt.

Über SaaS-Plattformen können Ferndiagnosen und Software Upgrades der Modems durchgeführt werden. Netzwerkbetreiber, Systemintegratoren und M2M-Lösungsanbieter haben dadurch die Möglichkeit, kosteneffiziente M2M-Lösungen zu entwickeln, einzusetzen und zu verwalten.

Steffen Böning, E-Plus: M2M unterscheidet sich vom klasssichen Carrier-Geschäft

Steffen Böning, Head of Strategic Business Development bei E-Plus
Foto: E-Plus

Geringere Kosten für (mobile) Datenkommunikation, steigender Kosten- und Effizienzdruck bei Unternehmen sowie neue Lösungen und Endgeräte führen dazu, dass M2M seit Monaten einen Aufschwung erlebt. Sehr deutlich geworden ist das besonders im Segment der Consumer Electronic durch eReader, Navigationssysteme und andere Anwendungen. Darüber hinaus wirken sich politische und regulatorische Einflüsse auf M2M aus. Dazu gehören staatliche Mautsysteme oder Vorgaben zur automatisierten Zählerfernauslese im Energiesektor.

Mobilfunkunternehmen lernen, dass sie in diesem Umfeld nicht das komplette Produkt anbieten können. Bei einer M2M-Anwendung liefert der Operator ein wichtiges Element für die Gesamtlösung. Hinzu kommen aber auch beispielsweise ein Modemhersteller, ein Softwarepartner, ein Integrationsunternehmen und viele mehr. Ein Anbieter kontrolliert und managt also nicht mehr alle Funktionen. Deshalb ist es wichtig, dass die einzelnen Elemente der Lösung sehr flexible Schnittstellen und Services haben. Ein Beispiel dafür ist die Massen-SIM-Kartenaktivierung durch Partner oder das Setzen von Top-Stopps, um das Datenvolumen eingrenzen zu können.

Christoph Müller-Dott, Orange: Standardisierung unabdingbar

Christoph Müller-Dott, Geschäftsführer von Orange Business Services Deutschland
Foto: Orange Business Services

Lange Jahre war kaum Bewegung im M2M-Markt, was vor allem auf die fehlende Standardisierung zurückzuführen ist. M2M-Lösungen waren stark auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Unternehmen zugeschnitten und konnten schwer auf eine andere Applikation übertragen werden. Für Modulhersteller, Netzanbieter und Systemintegratoren bedeutete dies einen enormen Entwicklungs- und Kostenaufwand, bis eine Lösung endlich zur Marktreife gelangte.

Inzwischen erfasst der anfangs fast ausschließlich auf das B2B-Geschäft konzentrierte M2M-Markt zunehmend den Consumer-Markt etwa mit Geräten, die streunende Haustiere aufspüren oder die Funktion von Herzschrittmachern beaufsichtigen. Eine derartige Öffnung hin zu B2B2C-Anwendungen lässt das Marktpotenzial deutlich wachsen, verleiht dem Ruf nach einer Standardisierung allerdings auch noch mehr Nachdruck. Nur so können die Module günstiger und dem Massenmarkt zugänglich gemacht werden.

Ein Vorstoß in Sachen Standardisierung gelang auf der GSMA im April 2010 für die SIM-Formfaktoren bereits. Zudem bieten wir als erstes globales Telekommunikationsunternehmen weltweit IPv6 an - eine wichtige Voraussetzung für eine völlig neue Generation von M2M-Services und -Lösungen.

Sven Krey, Telekom: M2M hat Enabling-Funktion

Sven Krey, Telekom
Foto: Deutsche Telekom

In Sachen M2M-Lösungen haben wir 2010 mit der Einrichtung eines internationalen M2M Competence Centers die Expertise aller Geschäftseinheiten gebündelt. M2M-Lösungen eröffnen Unternehmen die Möglichkeit, neue Umsatzquellen zu erschließen sowie Prozesse effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Insbesondere bei mobilfunkbasierten Diensten ist mit einem stark steigenden Einsatz zur rechnen. Gründe dafür sind einerseits fallende Hardwarepreise und Miniaturisierung, Standardisierung (GSMA, ETSI) und die hohe Netzabdeckung. Andererseits wird die Geschäftsentwicklung durch Initiativen des Gesetzgebers begünstigt, die M2M-Anwendungen fördern, wie Smart Metering oder eCall. Das Thema M2M beschränkt sich künftig nicht auf die bekannten "Vorzeigeanwendungen", sondern berührt annähernd jede Industrie und jeden Lebensbereich. Wir unterscheiden derzeit verschiedene Anwendungsfelder für M2M. Neben den viel diskutierten Einsatzmöglichkeiten im Bereich Fahrzeugtelematik, Smart Metering und e-Health und dem besonders auch für viele Verbraucher interessanten Bereich M2M Consumer Electronics, sehen wir mit Logistik, Sicherheit, Handel und Industrie-Automatisierung noch weitere B2B-Anwendungsfelder im Fokus. Für alle Bereiche hat die M2M-Technologie eine Enabling-Funktion.

Johannes Pruchnow, Telefónica O2: Mit M2M zu neuen Business-Ideen

Johannes Pruchnow, Geschäftsführer Business bei Telefónica O2 Germany
Foto: Telefónica O2

Die Datenkommunikation von Maschine-zu-Maschine (M2M) entwickelt sich zu einem wesentlichen Bestandteil der Telekommunikation. Doch bisher wurden ihre Möglichkeiten bei Weitem nicht ausgenutzt. Meistens beschränken sich die Lösungen auf reine Datenverbindungen zwischen Maschinen. Dabei bietet M2M noch viel mehr Möglichkeiten, um Unternehmensdaten schnell, sicher, standortunabhängig und kostengünstig auszutauschen. Geschäftsprozesse lassen sich damit noch effizienter gestalten und die automatisierte Datenübertragung gewährleistet einen reibungslosen Betriebsablauf. Durch mobile M2M-Kommunikation könnten beispielsweise Autoversicherungen "Pay-As-You-Drive"-Tarife anbieten, welche die gefahrenen Kilometer und die Fahrweise ihrer Kunden berücksichtigen. Die bisherige Entwicklung hat bereits gezeigt, dass sich das M2M-Geschäft hin zu branchenspezifischen und internationalen Lösungen bewegt. Neue Übertragungstechniken wie der Mobilfunkstandard LTE werden noch weitere neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

LTE Performance
Mit einer Bandbreite von über 100 Mbit/s in einem 20 Megahertz breiten Funkkanal lassen sich theoretisch 4 HD-Videos parallel laden und abspielen. Weil es sich um ein Shared Medium handelt, steht jedem Nutzer nur ein Bruchteil zur Verfügung.
LTE VoIP-Telefonat
Die kurzen Latenzzeiten ermöglichen auch qualitativ gute VoIP-Telefonate - hier demonstriert von einem Mitarbeiter des LTE Entwicklungszentrums von Nokia Siemens Networks in Ulm.
LTE Modem
Während Endgeräte mit integriertem LTE-Empfang noch nicht marktreif sind, kann man bereits USB-Modems oder -Dongles erwerben.
LTE Dongle
Die Geräte sind jedoch nur für ein Frequenzband ausgelegt - weltweit sind 25 Frequenzbänder für LTE definiert.
LTE-Dongle LG
Dieser Bandsalat erschwert Roaming-Szenarien, insbesondere LTE-Handys können vermutlich nicht weltweit verwendet werden.
LTE Basisstation
Mit LTE wird die Infrastruktur der Carrier deutlich verschlankt: Der Inhalt einer LTE-Basistation passt in einen Serverschrank - auf dem Bild sind sogar zwei Basisstationen zu sehen.
LTE Mobile Core
Im Core reichen - im Idealfall - eine Mobility Management Entity (MME) und eine S-/P-Gateway.
LTE Advanced
Während LTE bereits eine effizientere Übertragung, geringere Latenzzeiten und höhere Bandbreiten als UMTS ermöglicht, soll LTE Advanced weitere Verbesserungen bringen.

Christian Schad, Hamburger Schad: Die Zeit proprietärer Lösungen ist vorbei

Christian Schad, Geschäftsführer und Gründer Hamburger Schad GmbH
Foto: Schad

Der derzeitige Erfolg von M2M basiert auf unterschiedlichen Faktoren: Zum einen ist die von vielen Unternehmen benötigte M2M-Technologie erst heute real verfügbar, zum anderen ist sie erst jetzt zuverlässig stabil. Darüber hinaus erleben Entscheider auf Unternehmensebene den mobilen Datenverkehr inzwischen in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens als selbstverständlich.

Wer schon am Frühstückstisch sieht, wie seine Kinder auf mobilen Endgeräten über Facebook mit ihren Freunden kommunizieren, hat weniger Berührungsängste mit der M2M-Technik. Damit fällt die Entscheidung zur Einführung solcher Lösungen heute leichter. Es gibt zahlreiche typische Anwendungsfelder, die jetzt erst erschlossen werden, weil zuvor das notwendige Vertrauen fehlte, M2M-Lösungen in geschäftskritischen Anwendungen zu nutzen.

Die Zeit proprietärer Lösungen ist vorbei. Standardisierung ist in globalisierten Märkten unumgänglich und auch sinnvoll. Unternehmen haben erkannt, dass die TCO, also Gesamtkosten für die Entwicklung, von proprietären Lösungen einfach zu hoch sind. Heute lässt sich hieraus kaum noch ein Wettbewerbsvorteil ableiten.